Manchmal schmerzt es umso mehr, zu wissen, dass ein Film die breite Masse aufgrund seiner fehlenden Lobby und PR nicht erreichen wird. Dabei gehört die französische Romanze «Die Schlösser aus Sand» zu den besten Filmen seines Genres, die das Jahr bisher zu bieten hatte.
Für Olivier Jahan, der das Drehbuch gemeinsam mit seinem Landsmann Alain Dias alias Diastème («Un Français») verfasste, geht es in «Die Schlösser aus Sand» sowohl um die Sonnen-, als auch um die Schattenseiten der Liebe. Dafür nutzt er das Ausgangsszenario, zwei Ex-Partner, die immer noch Liebe, aber auch Abneigung für einander empfinden, ein gemeinsames Wochenende miteinander verbringen zu lassen und nach und nach in Rückblenden zu offenbaren, weshalb es überhaupt zu der Trennung kam. Für den Zuschauer bietet sich somit die Möglichkeit, gleichermaßen ohne Vorurteile an die Situation heranzugehen, die Interaktion der beiden Menschen aufeinander wirken zu lassen und im weiteren Verlauf zu hinterfragen, wie viel die Realität mit diesen vorab getätigten Vermutungen zu tun hat. Dabei verzichtet die Erzählung auf plakative Szenerien und lässt uns stattdessen an ganz Alltäglichem teilhaben.
Flüchtige Blicke, zaghafte Berührungen, ernsthafte Schuldzuweisungen und viel, viel Ratlosigkeit: Olivier Jahan stattet beide Figuren zugleich mit Scheu und Verunsicherung aus und lässt das Ex-Paar somit auf Augenhöhe agieren. Auf diese Art ergibt sich auch für den Zuschauer nie das Bild eines Schuldigen oder Unschuldigen; im Gegenteil. Der Reiz an «Die Schlösser aus Sand» besteht darin, zu erleben, wie Menschen in emotionalen Ausnahmesituation wirklich reagieren – und nicht wie in beliebigen Hollywoodschmonzetten entweder über sich hinaus wachsen oder eben elendig in ihrem Gefühlsschmerz versinken. Da passt es auch, dass man bei der technischen Inszenierung auf allzu große Spielereien verzichtet. Wenngleich das sicherlich auch dem schmalen Budget geschuldet ist, sind spektakuläre Kamerafahrten, geschweige denn aufwändige Kulissen hier nicht zu erkennen. Trotzdem ist die Kulisse des altehrwürdigen Hauses so treffend gewählt, dass man die hinter dem Haus stehende Geschichte förmlich spüren kann. Hier sind viele jener Dinge passiert, die für Éléonor und Samuel in der Vergangenheit Bedeutung hatten; mit ein Grund, weshalb der Subplot um den Verkauf von dramatischerer Tragweite ist, als man es anfangs realisiert. Der Verkauf würde schließlich den ultimativen Schlussstrich bedeuten.
Für den Verkauf holt sich das ehemalige Paar, das von Emma de Caunes («Schmetterling und Taucherglocke») und Yannick Renier («Dein Wille geschehe») von brillanter Subtilität verkörpert wird, die aufgedrehte Maklerin Claire an seine Seite, mit der Olivier Jahan sogleich noch eine zweite Geschichte erzählt. Jeanne Rosa («Ein Kuss von Béatrice») bringt durch ihre exzentrische, lebensfrohe Art zwar Leben und Humor in den Film, verkörpert aber eigentlich das genaue Gegenteil von Éléonore und Samuel; den an der Oberfläche glücklichen Dauersingle, der auf der einen Seite froh ist, die Probleme der beiden nicht zu kennen und sich doch andererseits erst recht danach sehnt, einmal so geliebt zu werden, dass es überhaupt zu einem solch großen Konflikt kommen kann. Tatsächlich ist das Schicksal von Claire ebenfalls ziemlich tragisch. Fragt man sich zunächst noch, weshalb diese extrovertierte, erfolgreiche, hübsche Frau immer noch alleine ist, wird spätestens mit einer absolut unpassenden Gesangseinlage und dem sich sukzessiven Aufdrängen an das Paar deutlich, dass hier gesellschaftlich viel im Argen liegt. Trotzdem scheut Jahan auch hier die eindeutige Schwarz-Weiß-Zeichnung. All seine Figuren lassen sich nämlich nicht in einfache Schubladen stecken, sondern werden von den Umständen geformt. Die mögen in «Die Schlösser aus Sand» zwar nicht unbedingt spektakulär sein. Doch wenn man einmal ehrlich ist, spiegelt das ja auch nur wieder, wie sich unser Leben in den aller meisten Tagen anfühlt: unspektakulär.