Die Kritiker: «Mord in bester Gesellschaft - Winters letzter Fall»

«Mord in bester Gesellschaft» war immer ein Paradebeispiel für berechnet und anbiedernd erzählte Fiction. Am Donnerstagabend zeigt das Erste die letzte Folge.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Fritz Wepper als Wendelin Winter
Sophie Wepper als Alexandra Winter
Wayne Carpendale als Donald Becker
Anne Schäfer als Sandra Knapp
Nico Marischka als Tommi
Till Firit als Simon Karner
Oli Bigalke als Peter Gruber

Hinter der Kamera:
Produktion: Tivoli Film
Drehbuch: Maja Brandstetter und Wolfgang Brandstetter
Regie: Peter Stauch
Kamera: Felix Cramer
Produzenten: Thomas Hroch und Gerald Podgornig
Es ist vorbei. Ein letztes Mal ermittelt sich der bayerische Psychiater Wendelin Winter (Fritz Wepper) durch einen beliebigen Fall, wenn er das Kriminalisieren wie schon Ottfried Fischer in seiner dramaturgisch ähnlich gelagerten Reihe «Pfarrer Braun» nicht lassen kann. Ein letztes Mal geht Wendelins Tochter Alexandra, die von Fritz Weppers Tochter Sophie gespielt wird, ihm dabei zur Hand – und auch zehn Jahre nach Ausstrahlung der Premierenfolge wirkt diese Besetzung so elegant und durchdacht wie Til Schweigers Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für seine Töchter. Ein letztes Mal offenbart sich schon im Handlungsabriss, weshalb zumindest Kritiker diese Reihe stets so unerträglich fanden:

Wendelin Winter kann nicht mehr so. Wenn er auf Widerstände stößt, wird ihm schwummrig, und wenn er sich zu sehr aufregt, haut es ihn vom Stuhl. Er steht kurz vor dem Herzinfarkt und muss mit dem Kriminalisieren aufhören, sagen ihm sein Arzt, seine Tochter und die Staatsanwältin, letztere während sie ihm mir nichts, dir nichts allerhand brisante Akten zuschiebt. Doch er muss noch einem kleinen, süßen Jungen helfen, der den kaltblütigen Mord an seinem Vater, einem wohlhabenden örtlichen Bierbrauer, mit angesehen hat und seitdem nicht mehr spricht. Die einzige Person, die diesen Mutismus durchbrechen kann, meint Winter, ist die Mutter des Jungen.

Die hat seit der Trennung von ihrem (nun toten) Ehemann aber nicht einmal mehr ein Besuchsrecht. Sie soll das Kind misshandelt haben, und besonders die wahlweise griesgrämige, reservierte oder abweisende Schwiegermutter pocht penibel darauf, dass ihr jeglicher Zugang zu dem Kind verwehrt wird.

Die Nebenschauplätze führen derweil in die bekannten Richtungen: Das größte unfreiwillig komische Potential bietet dabei die Inszenierung der örtlichen Bierbrauerszene, einem Haufen degenerierter Hinterwäldler, die bei kleinen Betrügereien ihrer ebenso kriminellen wie dümmlichen Lieferanten gleich Morde an ihnen begehen lassen wollen. Dramaturgisch noch weniger geglückt sind Alexandras Versuche, ihrem in die Jahre gekommenen Vater die Vorzüge der Cloud nahezubringen, und es als durchschnittlich begabte Boulevardjournalistin in die finanzielle Unabhängigkeit zu schaffen, als sie für ihr tatteriges Blog „München Menschlich“ in Versuchung geführt wird, den Insiderscoop ihres Vaters zum Brauereibesitzersmord zu verwursten.

«Mord in bester Gesellschaft» ist immer ein Paradebeispiel gewesen, für eine ganz bestimmte Art, Fernsehen zu machen: die gefällige, berechnete Anbiederung. Ihre Hauptmerkmale: Einfachheit, Undifferenziertheit und Überzeichnung. Mit billigen Tricks (hier: kleiner traumatisierter Junge mit großen Augen und knuddeligem Plüschtier im Arm) sollen die Zuschauer emotional an die einfach gestrickten Figuren und ein sehr überschaubares Handlungsgeflecht gebunden werden. Eine völlig kunstlose Inszenierung folgt diesen banalen konzeptuellen Eckpfeilern auch ästhetisch: Große Kinderaugen, pathetisch entsetzte Gesichter, Close-ups ohne Ende. Dazu Fritz Wepper mit einer verklärten Gutväterlichkeit und seine Tochter, die eben seine Tochter spielt.

Dieser Art, Fernsehen zu machen, haftet etwas Unaufrichtiges an, etwas Unehrliches, etwas Anbiederndes. Dieses Zelebrieren der Haltungslosigkeit, die Zurschaustellung der Beliebigkeit, das seelenlose, aber pathetische Herunterkurbeln völlig austauschbarer Stottereien: Es wirkte schon bei der Premiere vor einem Jahrzehnt wie ein Anachronismus. Dass Wendelin Winter nun endlich in Rente geht, ist ein Schritt in die richtige Richtung – für die Degeto, für das Erste und für die deutsche Fiction als Ganzes.

Das Erste zeigt «Mord in bester Gesellschaft – Winters letzter Fall» am Donnerstag, den 20. April um 20.15 Uhr.
19.04.2017 12:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/92566