Natalie Scharf: 'Das Schwarzweißdenken von Anspruch und anspruchslos mag ich nicht'

«Honigfrauen»-Autorin und -Produzentin Natalie Scharf über das noch immer seltene Vermischen von Genres und Vorurteile gegenüber Sendeplätzen.

Ich finde es sehr schade, dass oft in Schubladen gedacht wird – dass es Sendeplätze gibt, die als anspruchsvoll gelten und der Sonntagabend in vielen Köpfen immer noch nur die Heimat von Pilcher & Co ist. Auch mit meiner Frühlingsreihe sind wir inzwischen ja viel jünger und frischer geworden. «Honigfrauen» soll unterhaltsam sein und trotzdem Tiefgang haben.
Natalie Scharf
Es heißt ja immer, dass Sender und Produzenten klare, einfache Pitches bevorzugen. Daher würde es mich sehr interessieren, wie Sie dem ZDF die Idee hinter «Honigfrauen» schmackhaft gemacht haben. Als Dreiteiler, der Historiendrama, Romanze, Sommerkomödie und Spionagegeschichte verquickt, kann das ja nicht einfach gewesen sein?
So etwas mache ich ja sehr gerne. «Arme Millionäre» war auch nicht eindeutig Komödie oder Drama. Ich finde es sehr schade, dass oft in Schubladen gedacht wird – dass es Sendeplätze gibt, die als anspruchsvoll gelten und der Sonntagabend in vielen Köpfen immer noch nur die Heimat von Pilcher & Co ist. Auch mit meiner Frühlingsreihe sind wir inzwischen ja viel jünger und frischer geworden. «Honigfrauen» soll unterhaltsam sein und trotzdem Tiefgang haben. Das hatte das ZDF bestellt und daher musste ich nichts schmackhaft machen. Das Leben ist ja auch nicht rein dramatisch oder eine reine Blödelkomödie. Mir ist es wichtig, dass meine Figuren alle Höhen und Tiefen durchmachen

Würden Sie abwägen, dass Ihnen da die bereits bestehende, erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem ZDF beim Pitch geholfen hat? Oder ist der Sender generell offener gegenüber Projekten, die in keine Schublade passen, als den Öffentlich-Rechtlichen gerne nachgesagt wird?
Ich zumindest kann keinesfalls über mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens des ZDF klagen. Ich habe das Glück, mit einem großartigen Redakteur zusammenzuarbeiten – Alexander Bickel, den ich wahnsinnig schätze. Wir denken sehr ähnlich, und daher macht es große Freude, sich mit ihm zusammenzusetzen. Wenn man den Rohschnitt vorführt, ist es ja für Regisseure alltäglich, das große Zittern zu bekommen, aber in diesem Fall nicht, weil ich weiß, dass Bickel dieselbe Vision hat wie ich. Es ist ja aber auch wirklich nicht so, als sei ich die Einzige, die so die Genres vermischt. Aber: Es passiert nicht oft genug.

Was mein Lösungsansatz wäre, wenn etwa Redaktionen in einer Besprechung ein Genre angeben müssen: Ich definiere das, was ich mache, als Unterhaltung – darunter haben, glaube ich, viele ein Verständnis, das mit dem übereinstimmt, was mir vorschwebt. Wobei leider selbst dieser Begriff teilweise fehlverstanden und als vollkommen seicht gedeutet wird. Da würde ich mir ein Umdenken wünschen, das so aber noch nicht geschehen ist, sonst würden wir dieses Interview nicht führen.
Natalie Scharf
Um an Ihre Aussage von vorhin noch anzuknüpfen: Ihre Kritik am Schubladendenken teile ich. Aber es ist schwer, dieses Denken abzuschaffen. Viele Fernsehende wollen gern die Vorabeinschätzung erhalten: Erwartet mich da nun ein Krimi, ein Drama, eine Komödie ..?
Da sagen Sie was. Das lässt sich den Leuten nicht austreiben. Als ich mit 28 Jahren mein erstes Drehbuch geschrieben habe, hieß es: „Sag mal … Du hast da einen lustigen Moment in einem Drama?!“ Als wäre das eine neue Erfindung. Schauen Sie sich nur mal Shakespeare an, der stets die ganze Farbpalette bedient hat. Ich weiß wirklich nicht, wo dieses Denken herkommt. Ich glaube auch, das Publikum ist da sehr viel freier und offener. Das schwappt ja auch auf die Vergabe der Sendeplätze über – bestimmte Genres laufen bevorzugt auf bestimmten Programmplätzen. Klar, wir liebe alle Ordnung und die muss auch sein, aber das Schwarzweißdenken von Anspruch und anspruchslos mag ich nicht, besonders wenn man noch nicht mal etwas gesehen hat und schon bewertet, obwohl man das Format vielleicht noch nicht mal kennt, es aber auf einem bestimmten Sendeplatz läuft.

Was mein Lösungsansatz wäre, wenn etwa Redaktionen in einer Besprechung ein Genre angeben müssen: Ich definiere das, was ich mache, als Unterhaltung – darunter haben, glaube ich, viele ein Verständnis, das mit dem übereinstimmt, was mir vorschwebt. Wobei leider selbst dieser Begriff teilweise fehlverstanden und als vollkommen seicht gedeutet wird. Da würde ich mir ein Umdenken wünschen, das so aber noch nicht geschehen ist, sonst würden wir dieses Interview nicht führen. Unterhaltung mit Tiefgang zu erzählen für mich als Autor spannender und genauso sehr als Zuschauer – es ist doch viel schöner, wenn in einem Drama wie «Ziemlich beste Freunde» überraschende freudige Momente vorkommen, als wäre alles monoton und somit lebensfremd. Oder in diesem Falle: Mir war es wichtig, nicht wieder einen grauen, düsteren Stasi-Thriller zu bringen.

Es ist doch vollkommen unglaubwürdig, wenn das Böse immer in schlecht gelüfteten, schattigen Räumen sitzt und Pläne schmiedet. Mir war sehr wichtig, dass die Menschen aus der DDR in «Honigfrauen» Spaß im Urlaub haben, zeigen, dass man auch als DDR-Bürger glücklich sein konnte und Witze gemacht wurden. Es stört mich persönlich, wenn in Filmen, die sich mit der DDR beschäftigen, immer alles nur traurig und schlecht gemacht wird, so als wären alle DDR-Bürger damals nur ausspioniert worden und hätten jede Sekunde gelitten. Das ist wieder Schubladendenken. Klar, die Stasi war schrecklich und das erzählen wir auch, aber es geht auch um die ganz normalen Menschen, was die nebenbei noch alles erlebten und wovon sie träumten.

Regisseure kommen und gehen in einer Reihe oder Serie – wenn einer nun beispielsweise eine grüne Tapete will und in der nächsten Folge will der andere Regisseur die selbe Wand lilafarben tapezieren, dann wirkt das einfach nicht. Und darum braucht es einen Showrunner, der auf Einheitlichkeit achtet – die Netflix-Eigenproduktionen sind da Paradebeispiele für.
Natalie Scharf
Sie sind bei «Honigfrauen» als Drehbuchautorin und Produzentin, nicht aber als Regisseurin tätig. Die Aufgabe übernahm Ben Verbong. Wie lief diese Zusammenarbeit ab – haben Sie sich ein großes Mitspracherecht eingeräumt?
Dass ich in der Produzenten- und Autorenrolle zugleich am Dreiteiler tätig war, war ein Aspekt, den ich im Vorfeld sehr spannend fand – es lässt sich mit der Showrunnertätigkeit bei US-Serien vergleichen. Ich war sehr in der Gestaltung der drei Teile involviert – aber das stand so auch von Anfang an fest und Ben Verbong wusste genau, worauf er sich bei mir einlässt. (lacht) Ich erzähle wahnsinnig gerne horizontal, und dabei ist es mir wichtig, dass alles wie aus einem Guss wirkt. Und ich finde, dass es dann meine Aufgabe und mein Recht als Autorin und Produzentin ist, darauf zu achten. Denn Regisseure kommen und gehen in einer Reihe oder Serie – wenn einer nun beispielsweise eine grüne Tapete will und in der nächsten Folge will der andere Regisseur die selbe Wand lilafarben tapezieren, dann wirkt das einfach nicht. Und darum braucht es einen Showrunner, der auf Einheitlichkeit achtet – die Netflix-Eigenproduktionen sind da Paradebeispiele für. Bei «Honigfrauen» habe ich, auch wenn es erst einmal nur ein Dreiteiler ist, darauf bestanden, genauso sehr als Showrunner zu fungieren – denn ich würde gerne eine zweite Staffel machen, sollte die Resonanz stimmen. Und dann ist wenigstens durchweg derselbe Kopf für die ganze Reihe verantwortlich.

Dennoch war «Honigfrauen» für mich eine Premiere, als dass ich sonst immer mit Koproduzenten gearbeitet habe und nun erstmals als alleinige Produzentin das gesamte Projekt gestemmt habe. Ich habe es vom ersten Buchstaben über die Finanzierung bis zur Abmischung begleitet – da kam ich durchaus mehrfach ins Schwitzen und habe zusammen mit Ben Verbong gerne alles vierfach und fünffach beäugt, damit ja alles sitzt. Aber ich hoffe doch sehr, dass er meine Beteiligung als Einbringen verstanden hat – und nicht als Einmischen. (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch.

«Honigfrauen» ist ab dem 23. April 2017 an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen um 20.15 Uhr zu sehen.
19.04.2017 13:11 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/92565