Fünf Lektionen, die uns «Jerks» lehrt

Die erste Staffel der frechen maxdome-Comedyserie «Jerks» mit Christian Ulmen und Fahri Yardım geht nun auch bei ProSieben zu Ende. Wir halten fünf Lektionen fest, die aus dem Format gezogen werden sollten.

Herrlich böser Humor funktioniert in Deutschland eben doch


Im Vergleich zu solchen Projekten wie «Curb Your Enthusiasm» sind deutsche Ausnahme-Comedyserien «Pastewka» oder «Stromberg» aller Qualität zum Trotz ziemlich harmlos. Britischen Verve oder US-amerikanische Schocktendenzen hat die hiesige TV-Comedy-Fernsehlandschaft eher nicht zu bieten.

«Jerks» aber verlegt die deutsche Fremdschamhumorgrenze gänzlich neu. Statt allerdings nur Provokation an Provokation zu reihen, geht «Jerks» akkurat beobachtet dorthin, wo noch immer vielen Leuten der Sextalk weh tut und zeichnet somit eine raffinierte Gesellschaftskarikatur.

Staffel zwei darf da nicht nur liebend gerne kommen, sondern ihr Spiel weitertreiben und noch tiefer herumstochern.

Eine VoD-Premiere und eine TV-Auswertung schließen einander nicht aus


Gewiss: Quoten, für die es sich lohnt, die Sektkorken knallen zu lassen, fuhr «Jerks» bei ProSieben nicht ein. Angesichts des schwächelnden Stands von «Circus HalliGalli», das als Lead-In fungiert, sind die Zielgruppenwerte der Comedyserie jedoch respektabel: Vier Folgen liefen auf Senderschnitt oder nur leicht darunter, eine Episode kam sogar auf sehr gute 13,5 Prozent Marktanteil. Das Modell "Man nehme die für eine VoD-Plattform produzierte Serie und strahle sie kurz nach ihrer Premiere auch linear aus" steht also auf passablen Beinen und darf gerne erneut verfolgt werden. Vielleicht traut sich RTL bei «Deutschland '86», diese Masche zu wiederholen?

Qualitätsserien gehen weiterhin ohne horizontale Erzählweise


Wer etwas auf sich hält, erzählt heute horizontal. Von der letzten Strecke der Auftaktstaffel abgesehen, ist jede Folge «Jerks» hingegen in sich abgeschlossen. Und dennoch wirkt «Jerks» keineswegs wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Das Christian-Ulmen-Vehikel ist effizient erzählt, zeitgemäß lässig und trotz des Running Gags, dass einfach alles schief läuft, nicht so vorhersehbar wie viele deutsche 30-Minuten-Comedys. Wer braucht da schon staffelübergreifende Handlungsbögen und Cliffhanger?

Vertraut auf Fahri Yardım


Er ist der Publikumsliebling im «Tatort» aus Hamburg, die deutsche Stimme des schießwütigen Waschbären Rocket Racoon und erwies sich in so unterschiedlichen Filmen wie «Der Medicus», «Da muss Mann durch», «Irre sind männlich» und «Almanya – Willkommen in Deutschland» als wandlungsfähiger Nebendarsteller. In «Jerks» steht er nunmehr nahezu genauso sehr im Fokus wie Christian Ulmen und darf seinem "Charmebolzen-mit-Lausbuben-Anflügen"-Image rüde entgegenwirken. Liebe Produzenten, wo bleibt die große Hauptrolle für den Quotenmeter.de-Fernsehpreis-Gewinner?

Gut inspiriert ist besser als tolldreist geklaut


Vor allem Formate, die sich an eine Zielgruppe im medienaffinen Alter richten, können nicht einfach mehr in die englischsprachige Fernsehlandschaft schauen und dort bedienen. Solches Mimikry fällt nunmehr einem zu großen Anteil des Publikums auf und wird mit Antipathie bestraft. Was sich aber lohnt: Das internationale Geschehen als Trendbarometer nehmen – und dann ein eigenes Ding draus drehen. Darüber, wie frei «You Are Wanted» die kontemporäre Cyberthriller-Welle adaptiert, scheiden sich bekanntlich die Geister (wobei sich Quotenmeter.de auf der positiver gestimmten Seite der Debatte einordnet), «Jerks» wiederum wird wohl kaum wer vorwerfen, eine Kopie zu sein. Wie schon «Pastewka» nimmt das Format zwar die in den USA längst perfektionierte Idee "Komiker spielt unerzogene Variante seiner selbst". Aber mit dem inoffiziellen Fokus darauf, wie peinlich Sexualität auch Leuten im besten Alter ist, ohne sogleich als Sexkomödie dazustehen, positioniert sich «Jerks» ziemlich einzigartig im TV-Sektor.
21.03.2017 22:41 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/91977