'Projekte wie «You are Wanted» sind eine Befreiung für uns Autoren'

Es wird ein heißer Frühling für die Autoren Richard Kropf, Hanno Hackfort und Bob Konrad. Sie lernten sich einst bei «Anna und die Liebe» kennen und sind jetzt verantwortlich für große Serienhoffnungen. Sie haben Amazons «You are Wanted» geschrieben und erwarten den Start der TNT Serie-Produktion «4 Blocks». Ein Gespräch über Heilsbringer, prominente Namen in der Serien-Vermarktung und ausgetrampelte Pfade.

Mehr zu «You are Wanted», der ersten deutschen Amazon-Serie

«You Are Wanted» wurde produziert von Pantaleon Films GmbH, Warner Bros. Entertainment GmbH und Warner Bros. International Television Production Deutschland GmbH. Produzenten der Serie sind Dan Maag, Matthias Schweighöfer, Marco Beckmann und Willi Geike. Neben Matthias Schweighöfer führte Bernhard Jasper Regie, die Autoren Hanno Hackfort, Bob Konrad und Richard Kropf zeichnen für das Drehbuch verantwortlich.
Nicht mehr lange bis zum Start Ihrer neuen Serie «You are Wanted» bei Amazon. Ist es wie bei einem Sportler vor Olympia? Der Puls steigt von Tag zu Tag?
Hanno Hackfort: Ja, grundsätzlich schon. Die steigende öffentliche Aufmerksamkeit an dem Format schlägt sich natürlich auch auf uns nieder.

Sie werden aber eine neue Erfahrung machen. Anders als damals bei «Anna und die Liebe» oder bei «Der letzte Bulle» gibt es nicht am Morgen nach dem Start genaue Quotendaten. Ein neues Gefühl für Sie?
Richard Kropf:
Wir drei haben uns einst ja bei «Anna und die Liebe» kennengelernt. Das ist jetzt zehn Jahre her. Wir waren damals im Writers-Pool und wissen also, wie es ist, jeden Morgen auf die Quote zu schauen. Wir haben das, was Sie beschreiben, nun schon bei «4 Blocks» erlebt. Die Serie von TNT Serie hatte ja ihre Premiere auf der Berlinale. Da gab es auch keine Quoten, dafür aber das großartige Gefühl, so tolles Feedback von den Zuschauern und der Fachpresse zu erhalten. Und das bereitet uns eigentlich viel mehr Freude als eine Quote.

Hanno Hackfort: «4 Blocks» wurde da quasi von einem internationalen Publikum gesehen und bewertet. Es ist schon gut, dann auch so direkt quasi eine Rückmeldung zu erhalten.

Wenn wir über «You are Wanted» sprechen, dann sprechen wir über eine Themenwelt, die sich vielen von uns nicht direkt erschließt. Wir alle wissen, dass wir auf offener Straße überfallen werden können. Aber dass es ähnliche Kriminalität auch im Netz gibt, ist für uns nicht so greifbar. Was fasziniert Sie an diesem Thema?
Bob Konrad:
Eigentlich das, was Sie gerade sagen. Ein solches Thema auffassen zu können, ist eine Befreiung für uns Autoren. Es gibt jetzt Pay-TV-Sender oder Streaming-Dienste, die sagen, dass man mal das schreiben soll, was man bis jetzt nie konnte oder durfte. Natürlich haben solche Geschichten etwas spitzere Zielgruppen und sind nicht für den bunten Massenmarkt konzipiert. Aber man kann hier mal komplizierter, ja sogar ein bisschen unübersichtlicher erzählen. Ein Riesenspaß.

Richard Kropf: Es geht uns um das komplexere Erzählen. Wir haben uns dort angelsächsisch orientiert, hatten keine so festgelegte Exposition.

Hanno Hackfort: Wir konnten somit also all die Ideen angehen, die vorher unrealisierbar schienen. (lacht)


Wie weit ist das Thema von uns Kunden und Verbrauchern denn weg?
Hanno Hackfort: Es war quasi unsere Initialidee mit «You are wanted» mal auf etwas einzugehen, dass uns quasi alle betrifft, das wir bisher aber maximal medial mitbekommen haben. Jeder von uns pustet jeden Tag eine Unmenge von Daten in die Cloud. Uns war es wichtig, dass wir Augen öffnen, dass solche Daten nicht nur von großen Konzernen geklaut werden können, sondern dass jeder von uns auch selbst Opfer von solcher Kriminalität werden kann.

Richard Kropf: Sehen Sie: Ich war heute Morgen beim Bürgeramt um einen neuen Pass zu beantragen und wurde gefragt, ob ich meinen Fingerabdruck auf dem Pass speichern lassen möchte. Vor zwei Jahren hätte ich da ziemlich sicher noch bedenkenlos „Ja“ gesagt. Heute habe ich das entschieden abgelehnt und ich denke wir alle drei sind bei solchen Themen nun wesentlich empfindlicher geworden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die drei sprechen über kreative Freiheiten, Matthias Schweighöfer als Kopf von «You are Wanted» und «4 Blocks», die kommende Serie von TNT Serie.

Rückblickend hat er uns natürlich schon viele Türen geöffnet. Amazon war froh, diesen großen Namen zu haben, um mit der ersten deutschen Serie auf den Markt zu gehen.
Autor Richard Kropf über die Bedeutung von Matthias Schweighöfer für die Serie «You are Wanted»
Wie wichtig ist Matthias Schweighöfer als Kopf dieses Projekts?
Richard Kropf:
Rückblickend hat er uns natürlich schon viele Türen geöffnet. Amazon war froh, diesen großen Namen zu haben, um mit der ersten deutschen Serie auf den Markt zu gehen. Aber nicht immer ist ein so großer Name nötig. Wenn wir über «4 Blocks» sprechen, dann steht dort die Geschichte an sich im Vordergrund. Da haben wir unter anderem mit Frederick Lau zwar auch bekannte Schauspieler, aber das Format ist nicht allein auf einen Star zugeschnitten. Wie wichtig ein so prominenter Name letztlich ist, muss man also von Projekt zu Projekt bewerten.

Wie groß waren die kreativen Freiheiten, die Ihnen Amazon gegeben hat?
Bob Konrad:: Wir hatten alle erdenklichen Freiheiten. Amazon kannte unser Grundkonzept, sie hatten Matthias als Kopf des Formats und haben uns dann vertraut.

Richard Kropf: Wenn Sie die Serie sehen, werden Sie einige Sequenzen sehen, die andere Fernseh-Redakteure ganz sicher gestrichen hätten. Mein großer Respekt gilt aber auch TNT Serie mit «4 Blocks», die uns immer wieder ermutigt haben, uns mit den Geschichten wirklich etwas zu trauen.

Damit will man schon eine breitere Zahl an Menschen begeistern.
Autor Hanno Hackfort erklärt, dass Amazon die Serie «You are Wanted» nicht für die Nische produziert hat
Denken Sie, dass sich der Mut von Nischen-Anbietern jetzt auch auf große TV-Sender auswirkt und auch dort mutiger erzählt wird?
Hanno Hackfort:
Lassen Sie mich zunächst sagen, dass bei den Gesprächen mit Amazon Deutschland schon deutlich wurde, dass «You are Wanted» nicht für die Nische gedacht ist. Damit will man schon eine breitere Zahl an Menschen begeistern.

Bob Konrad: Ich denke schon, dass wir Auswirkungen spüren werden. Es wird momentan sehr viel ausprobiert. Schauen Sie auf «Babylon Berlin» - die ARD wagt sich jetzt mal an einen solchen Stoff heran. Der Input von neuen Playern, wie hier von Sky, wird nicht ohne Wirkung bleiben. Natürlich ist das eine Entwicklung, die langsam von Statten geht, aber sie ist schon spürbar. ZDFneo hat in Sachen deutscher Fiction erste Schritte gemacht, wir haben das tolle «Club der roten Bänder» bei VOX…

Hanno Hackfort: Außerdem kann man auch etwas für den so genannten Mainstream erzählen und dennoch die völlig ausgetrampelten Pfade verlassen. Die Öffentlich-Rechtlichen etwa liefern Mainstream aber sehr oft auf extrem konservative Weise. Aber auch hier kann es frischen Wind geben.

Richard Kropf: Für uns drei öffnen sich nun ja ein paar Türen mehr. Darüber freuen wir uns. Wenn wir uns aber anschauen, was man sich zum Beispiel in England traut, dann sieht man schon, dass man dort noch mutiger ist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die deutsche Serie im Aufwand, das US-Produkt eher auf dem Rückzug? Und: Wie geht’s weiter für die drei Autoren?


Mehr zu «4 Blocks», der kommenden Serie von TNT Serie

Die von Hanno Hackfort, Bob Konrad und Richard Kropf geschriebene Serie dreht sich um einen arabischen Clan in Berlin-Neukölln. Ali Hamady (Kida Khodr Ramadan) möchte seiner Frau und seiner Tochter zuliebe seine kriminellen Geschäfte hinter sich lassen. Doch er gerät nach der Verhaftung seines Schwagers in eine Abwärtsspirale aus Verbrechen, Intrigen und Verrat. I den Hauptrollen von «4 Blocks» werden neben Kida Khodr Ramadan auch Frederick Lau, Rapper Veysel und Almila Bagriacik zu sehen sein. TNT Serie strahlt die sechs Folgen ab dem 8. Mai aus.
Wir sind uns alle einig, die deutsche Serie ist im Aufwand.
Alle 3: Ja, absolut. Sicher.

Liegt das Ihrer Meinung nach an einer eigenen Stärke, bedingt auch durch neue Player oder nicht zuletzt in Stücken auch an seiner Schwäche von US-Mainstreamserien?
Bob Konrad:
Ich denke schon, dass das alles zusammenhängt. Man könnte sagen, dass sowohl Macher als auch Publikum mal das Fenster in ihrem Zimmer geöffnet haben. Die Zeiten nur in dem einen Zimmer waren gut, aber jetzt schaut man auch mal nach draußen und bemerkt, dass sich auf der Welt noch viel mehr abspielt. Die These, dass US-Serien nun generell schwächeln, möchte ich dabei aber nicht aufstellen. Ich glaube schlicht, dass es heute einfach ein sehr, sehr großes und vielleicht auch unübersichtliches Angebot von US-Serien gibt.

Richard Kropf:
Ich weiß noch, dass wir vor acht Jahren alle sehr große Fans von «Mad Men» und «Breaking Bad» waren. Und wir haben uns damals gesagt, dass wir gerne ganz vorne dabei wären, wenn es darum geht, eine solche Serie mal für Deutschland zu entwerfen. Und wir sind froh, dass in den vergangenen zwei Jahren die Bereitschaft mal horizontal zu erzählen, deutlich gestiegen ist. Dazu haben sicherlich auch die stark auf den deutschen Markt drängenden US-Anbieter ihren Teil beigetragen.

Hanno Hackfort: Vor acht Jahren wurden wir ja noch belächelt. Da hieß es bei den Sendern, dass es keine Chancen gebe in der Primetime in Deutschland mal horizontal zu erzählen…

«Der letzte Bulle», eine Serie, an der Sie, Herr Kropf, mitgewirkt haben, hat da vor einiger Zeit den Anfang gemacht mit ihrer finalen Staffel…
Richard Kropf:
Die Staffel hatten ja damals die Kollegen Darnstädt, Scheich und Dannenberg geschrieben. Das war in der Tat einer der ersten Versuche. Und er ist, wie wir heute wissen, geglückt.

Wir haben gesagt, dass der Zuschauer mit der Welt von «You are Wanted» nicht so viele Berührungspunkte hat. Kann man sagen, dass die Welt von «4 Blocks» zwar eher traditionell ist, wir als Zuschauer aber (Gott sei Dank) ebenfalls keine Berührungspunkte zu Clans mitten in Berlin haben?
Bob Konrad: Es stimmt, dass man in Berlin eigentlich wenig Berührungspunkte in solche Kreise hat. Das hat es für uns so interessant gemacht. Wir haben viel darüber gelesen, haben die Presse durchforstet. Die Frage, die uns getrieben hat, war: Wie ticken diese Leute und welche Strömungen gibt es innerhalb solcher Clans? Wir hatten dann die Chance auch wirklich mit Leuten zu sprechen und ein bisschen tiefere Einblicke zu bekommen. Das war für uns alle drei unglaublich erhellend.

Wenn man dann solche Einblicke bekommt, stellt man irgendwann fest, dass man trotz aller Wirrungen am Ende ein ziemlich universelles Tableu geliefert bekommt. Alle Handlungen sind total nachvollziehbar, weil sie auf Werten und auf Emotionen beruhen.
Autor Hanno Hackfort über die Herangehensweise an den Stoff zu «4 Blocks»
Hanno Hackfort: Und wenn man dann solche Einblicke bekommt, stellt man irgendwann fest, dass man trotz aller Wirrungen am Ende ein ziemlich universelles Tableu geliefert bekommt. Alle Handlungen sind total nachvollziehbar, weil sie auf Werten und auf Emotionen beruhen. Und somit haben wir es mit einem klassischen, universellen Drama zu tun.

Nach «4 Blocks» und «You are Wanted»: Wie geht es für Sie drei weiter?
Richard Kropf:
Natürlich haben wir schon zwei, drei neue Ideen. Sogar mehr als das. Wir wollen natürlich weiter machen im Bereich "Drama" und "Thriller". Wir schielen dabei aber schon durchaus auf den internationalen Markt. Wir wollen diese Chance nutzen und auch für uns nun den nächsten Schritt gehen.

Hanno Hackfort: Ein Projekt ist schon sehr konkret. Das hat nichts mit Pay-TV oder Streaming-Plattform zu tun, sondern ist ein Format für einen klassischen Sender.

Bob Konrad: Und natürlich ist es so, dass eine Serie wie «4 Blocks» noch viel Potential hat. Wir würden uns freuen, wenn wir die Geschichten noch weitererzählen dürften.

Danke für das Gespräch.
12.03.2017 12:39 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/91697