Film des Monats: Es ist ein großer Abschied! Mehrmals hat Hugh Jackman betont, nach «Logan» nicht noch einmal in die Rolle des Marvel-Helden Wolverine zu schlüpfen. Und nach diesem spektakulären Finale bleibt nur eine einzige Reaktion: gut so. Denn fulminanter könnte der tragische Held nicht abtreten.
Die Genrebezeichnung „Actiondrama“ wurde an dieser Stelle ganz bewusst gewählt. Anders als vor allem bei Marvel üblich, steht in «Logan» nämlich nicht der Spaß, sondern die in ihrer Tragik nahezu erschütternde Prämisse rund um den gleichnamigen Titelhelden im Mittelpunkt. Fast scheint es so, als würde Regisseur James Mangold auf den letzten Metern nochmal alles an verpasster Charakterformung aufholen wollen, was innerhalb der ersten beiden «Wolverine»-Filme «X-Men Origins: Wolverine» sowie «Weg des Kriegers» versäumt wurde. Ganz zu schweigen von den Teilen der «X-Men»-Saga, in denen Hugh Jackman ebenfalls einen (Kurz-)Auftritt hat. Wenngleich Kenner der Vorgängerfilme respektive der Comicfigur an sich einen klaren Vorteil haben, die Ereignisse in «Logan» direkt einzuordnen, schafft das Skript von Scott Frank («Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones»), James Mangold und Michael Green («Alien: Covenant») genug Grundlage, um den Charakter Logan in seiner ganzen Bandbreite zu zeigen. Aus dem ohnehin immer schon recht tragisch gezeichneten Helden wird ein gebrochener Säufer mit Depressionen und ohne jeden erkennbaren Lebenswillen. Die angedeuteten Suizid-Gedanken liegen wie ein Schleier über dem gesamten Film, was mit dazu beiträgt, dass «Logan» auf dem Papier zwar wie ein Superheldenfilm anmutet, sich jedoch zu keinem Zeitpunkt wie ein solcher anfühlt.
Stephen Merchant als Caliban
Der Aufbau der Geschichte erinnert im Falle von «Logan» an klassische Kapitel: Auf ruhige, dialoglastige Szenen, die sowohl die Handlung vorantreiben, als auch zur Charakterformung der Hauptfigur beitragen, folgen in regelmäßigen Abständen heftige Kampfsequenzen. Jene Szenen sind notwendig und fest in der Geschichte verankert; in diesem Film fließt kein Blut, wenn es nicht unbedingt nötig wäre. Des Weiteren punktet James Mangold in der visuellen Ausführung. Die vier großen Actionsequenzen unterscheiden sich stets von dem zuvor Gezeigten. Liegt der Fokus zu Beginn noch auf einer Martial-Arts-Kämpfen ähnlichen, weitestgehend harmlosen Prügel-Choreographie, nimmt Mangold später Dinge wie bestimmte Zeitlupen-Einstellungen zu Hilfe, fokussiert ein anderes Mal verstärkt die üppig eingestreuten Slasher-Effekte und findet seinen Höhepunkt (leider) ein wenig zu früh in einem optisch berauschenden Gemetzel bei Nacht auf einer abgelegenen Pferdefarm. Sogar die berühmt berüchtigte „Ruhe nach dem Sturm“ kann James Mangold in diesem Moment für sich nutzen, indem er das Bild der Zerstörung für sich sprechen lässt, nur um es kurz darauf mithilfe subtiler Musik (Marco Beltrami) zu einer waschechten Horrorkulisse zu machen.
Bei einer derart starken Fokussierung der Hauptfigur kommt es nicht selten vor, dass die umstehenden Charaktere zurückstecken müssen. Dieses Problem kann leider auch James Mangold nicht ganz umgehen. Lediglich Patrick Stewart («Green Room») als Professor X erhält die Möglichkeit, das Geschehen um seine eigenen, ganz persönlichen Ecken und Kanten anzureichern. Seine eingestreuten Dialoge mit Logan sind von einer Intensität und Weisheit, wie man sie im Superheldenkino lange nicht mehr zu sehen bekam. Trotz weitaus geringerer Screentime gehen die eindringlichsten Szenen zweifelsohne aufs Konto des 76-jährigen Briten. Dass ausgerechnet die beeindruckend tough aufspielende Newcomerin Dafne Keen («The Refugees») den Eindruck erweckt, als storytreibende Kampfmaschine ein wenig verheizt zu werden, ist ärgerlich, zumal sie dem lange Zeit nicht entgegenwirken kann. Erst im letzten Drittel sucht ihre Figur echten Kontakt zu Logan und erhält so die Möglichkeit, das Geschehen persönlich zu prägen. Vollkommen blass bleibt dagegen Boyd Holbrook («Gone Girl – Das perfekte Opfer»), der die Schurkenrolle hier reichlich mechanisch ausführt. Trotz dieser kleinen Schwächen und einigen Lücken im Rahmen der innerfilmischen Logik ist «Logan» ein herausragend anderer, reifer, intensiver Superheldenfilm geworden. Und auch, wenn wir zu Beginn noch daran zweifelten, ob das hier tatsächlich einer ist, bleibt am Ende doch die Erkenntnis, dass echte Helden ja selten solche sein wollen. Insofern ist Wolverine vielleicht der größte Held von allen. Und Hugh Jackman hat ihn mit seiner spektakulären Performance unsterblich gemacht.