Der Name ist Programm. In der Show auf ZDFneo geht der Kandidat mit 50.000 Euro nach Hause, der sie laut Jury am meisten verdient hat – angewandte Psychologie inklusive.
Wenn bei den Öffentlich-Rechtlichen ein unkonventionelles Show-Konzept ausgearbeitet wird, findet es zunächst meist den Weg in die Sparte, in diesem Fall zu ZDFneo. Dabei kommt das Grundgerüst der neuen Sendung recht traditionell daher. Aus sechs Kandidaten wird in ebenso vielen Runden ein Gewinner durch Jury-Entscheide ermittelt. Im Gegensatz zu klassischen Casting- und Talentshows sticht ein reizvolles Alleinstellungsmerkmal hervor. Denn mit «Bist du 50.000 Euro wert?» gibt es im deutschen Fernsehen erstmals Geld dafür, einfach man selbst zu sein. Nicht Allgemeinwissen, Intelligenz oder Sportlichkeit entscheiden über den Sieger, sondern dessen Persönlichkeit. Oder treffender: die Persönlichkeit, die die Jury ihm zuschreibt. Soviel sei vorweggenommen: Der ungewöhnliche Fokus auf reale menschliche Charaktere ist nicht die einzige Abgrenzung zur klassischen Unterhaltungsshow.
Auf dem Weg zum 50.000-Euro-Gewinn müssen die Teilnehmer insgesamt sechs Runden überstehen. In Durchgang eins zählt lediglich der erste Eindruck. Die Jury erfährt in einem Einspielfilmchen lediglich Vorname, Alter und Wohnort der Kandidaten und muss sich dennoch entscheiden, wen sie rausvotet. Sie entscheidet aus dem Bauch heraus, nach Sympathie. Das Augenmerk liegt auf Körpersprache, Ausstrahlung und Kleidung. In den folgenden Runden gewinnen die Persönlichkeiten zunehmend an Kontur. Sie offenbaren ihre Jugend, ihre Berufe und Tätigkeiten, ihr Privatleben und schließlich ihre Überzeugungen. Letztgenannte werden sowohl durch zuvor aufgezeichnete Fragen, beispielsweise nach der Legalisierung von Drogen, als auch durch eine mit versteckter Kamera aufgezeichnete Kontroverse ermittelt. Moderator und Autor Micky Beisenherz und YouTube-Entdeckung Matthias Roll erzeugen Situationen, in denen die Kandidaten ihre Einstellung gegenüber Homosexualität und Übergewichtigen scheinbar unbeobachtet enthüllen sollen. Ein cleverer Kniff, möglicherweise etwas perfide, wird den Teilnehmern doch die Möglichkeit der Rechtfertigung verwehrt. Die beiden Finalisten werden schließlich von der Jury interviewt. Jedem Mitglied steht eine individuelle Frage zu, bevor der glückliche Gewinner ermittelt wird. Letztlich wird also Stück für Stück ein im Rahmen der Möglichkeiten umfassendes Bild des Menschen gezeichnet. Ausgebootete Teilnehmer geben anschließend preis, wofür sie das Geld verwendet hätten.
Dabei schwebt ein großes Thema über allem und Moderator Jochen Schropp verspricht bereits zu Beginn, hier sei „ganz viel Psychologie drin“. Und tatsächlich gibt es interessante psychologische Abläufe zu beobachten. Während der erste Eindruck lediglich auf Mustern, und somit auch Vorurteilen, beruht, verändern oder verfestigen sich die Einschätzungen der Jury mit jeder weiteren Information. Der zunächst spröde wirkende Familienmensch veranstaltet in seiner Freizeit Dildo-Partys. Macht ihn das interessanter, oder nicht? Gewinnt oder verspielt diese Auskunft Sympathien? Schwerer wiegt noch die Frage, wer das Geld eigentlich verdient hat. Eine grundsympathische junge Frau voller Lebenslust, oder ein unbequemer Ex-Häftling, dessen Weg von Schicksalsschlägen gepflastert war? Der Zuschauer selbst sieht sich nach jedem Durchgang vor der Wahl. Man trifft, ob unbewusst oder bewusst, immer auch selbst eine Entscheidung, weshalb die Show durchgehend unterhaltsam bleibt. Zusätzlich bleibt dem Fernsehenden noch eine Metaebene. Es gilt, die Argumente der Jury abzuwägen und auch für das Quintett Sympathien und Antipathien zu entwickeln.
Um dessen Selektionsprozesse zu kommentieren, gibt es mit Karola Haupt eine ausgewiesene Expertin. Die Diplom-Psychologin liefert fundierte Eindrücke über Teilnehmer und Jury und ordnet deren Entscheidungen manchmal etwas hochgestochen, jedoch immer verständlich und nachvollziehbar, in wissenschaftliche Zusammenhänge ein. Mit Dutt und etwas überdimensionierter Brille kommt sie dem Klischee der Psychotherapeutin ziemlich nahe. Ihre Expertise ist ein nettes Instrument, um der Show einen intellektuelleren Anstrich zu verpassen, funktionieren würde sie vermutlich auch ohne. Außerdem lockern ihre Einschätzungen die ansonsten recht steifen Abläufe auf.
Jochen Schropp führt souverän durch die Sendung. In den Diskussionen hält er sich angenehm im Hintergrund und gibt nur ab und an Denkanstöße. Großen Wert wird auf Social-Media gelegt. Während der Ausstrahlung diskutieren Micky Beisenherz und Matthias Roll mit den Zuschauern auf den sozialen Netzwerken die Entschlüsse der Jury. Und die bilden aufgrund ihrer Subjektivität jede Menge Stoff für Diskussionspotential. Dieses Potential sorgt für kurzweilige 90 Minuten, und auch wenn «Bist du 50.000 Euro wert?» die Unterhaltungsshow nicht neu erfindet, hebt sie sich doch angenehm von anderen Formaten ab und macht Lust auf mehr.