Gore Verbinski: 'Das Horrorkino erlaubt einem, am Publikum ein psychologisches Experiment durchzuführen'

Regisseur Gore Verbinski spricht mit Quotenmeter.de über Erschöpfung, die Arbeitshaltung der deutschen Crew seines neuen Films «A Cure for Wellness» und seine 'Mal schauen, ob ich scheitere'-Attitüde.

Zur Person: Gore Verbinski

  • Regisseur, Produzent und Autor Gore Verbinski wurde 1964 geboren
  • Vor seiner Filmkarriere war Verbinski als Rockmusiker unterwegs – der E-Gitarrist nahm sein Instrument unter anderem für den Soundtrack von «Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt» erneut in die Hand
  • Als Regisseur machte er zunächst durch Werbefilme und Musikvideos (unter anderem für Bad Religion) auf sich aufmerksam
  • Sein Langfilmdebüt ist die schwarzhumorige Slapstickkomödie «Mäusejagd», einem breiten Publikum wurde er 2002 durch «Ring» bekannt
  • 2003, 2006 und 2007 steuerte er die ersten drei Teile der «Pirates of the Caribbean»-Saga bei und half mit deren für Disney ungewohnten Härte dabei, den Markennamen neu zu erfinden
  • Für den Animationsfilm «Rango» wurde Verbinski mit einem Oscar prämiert
  • Mit einem weltweiten Gesamteinspielergebnis all seiner Regiearbeiten in der Höhe von 3,73 Milliarden Dollar ist er aktuell in den Top Ten der einträglichsten Regisseure
Was hat Sie dazu motiviert, diesen Film zu drehen – war Ihnen die Botschaft das Wichtigste? Fing alles mit dem Gedanken an, nach langer Abstinenz zum Psychothriller/Horrorkino zurückzukehren?
Die Initialzündung kam, als ich mich mit Drehbuchautor Justin Haythe über die Filme der 70er-Jahre unterhalten habe, die wir besonders mögen – und über das Konzept der Unvermeidlichkeit. Über den Gedanken, dass etwas Unumstößliches bevorsteht, wenn wir die Kamera einen dunklen Korridor entlangfahren sehen und einem Protagonisten auf seinem Weg zur Epiphanie folgen. Danach kam uns die Idee: Wie wäre es, wenn die Geschichte selbst eine Krankheit wäre, eine Anomalie, ein schwarzer Fleck auf einem Röntgenbild. Dies führte zu einer Diskussion darüber, dass die Hauptfigur ihre Lage verleugnen könnte – wie es wäre, wenn sie die Symptome ignoriert, obwohl sie von Beginn an überdeutlich präsent sind.

Zudem sind wir beide Verehrer von Thomas Manns «Der Zauberberg» und der Prämisse, dass sich fernab unserer gegenwärtigen Welt ein zeitloser Ort über den Wolken befindet, der auf die Gesellschaft herabblickt. Ein Ort, der die industrielle Revolution gesehen hat, fossile Brennstoffe, Heimcomputer, Handys und all diese Dinge, die eine kontemporäre Krankheit erschaffen haben, und an dem nun eine Diagnose erstellt und eine Heilung versprochen wird. An diesem Punkt haben wir festgestellt, dass wir uns tief hinein in dieses Genre begeben haben.

Und Ihre Diagnose im Film ist: Ich habe die Wahl, in einem Büro an Überarbeitung zu sterben oder in einem Spa bei der Suche nach Erholung irres Zeug zu erdulden …
Sind das Ihre zwei Möglichkeiten in Ihrem Leben?

Nun … äh … im übertragenen Sinne … Hmm …
Mir scheint, dass dem Genre am besten gedient ist, wenn es auf zeitgenössischen Empfindungen fußt. Und ich finde, dass wir in einer zunehmend starrsinnigeren Welt leben und als Individuen sowie als Gesellschaft ganz heimlich bemerken, dass demnach etwas gehörig schief läuft. Aber – was tun wir dagegen? Meine Kinder stehen kurz davor, sich bereitwillig in diese Tretmühle zu stürzen: Einen guten Collegeplatz bekommen, dann einen guten Job. Und das möglichst schnell und effizient, ohne dabei stolpern zu dürfen oder innezuhalten und sich umzuschauen. Es wird von ihnen erwartet, dass sie das nicht hinterfragen: „Ist das alles? Gibt es nicht mehr im Leben?“

Ich finde, dass wir in einer zunehmend starrsinnigeren Welt leben und als Individuen sowie als Gesellschaft ganz heimlich bemerken, dass demnach etwas gehörig schief läuft. Aber – was tun wir dagegen?
Gore Verbinski
Das habe ich zu kanalisieren versucht, mit der Hoffnung: Wenn der Vorhang zufällt und der Film vorbei ist, dass etwas Unausgesprochenes hängen bleibt und ein Unbehagen hinterlässt. Ich finde, dass das Horrorkino einem erlaubt, am Publikum ein psychologisches Experiment durchzuführen. Die Zuschauer im abgedunkelten Kinosaal beobachten Lockhart, wie er zum Patient wird und welchen Prozess dies bei ihm auslöst. Doch in Wahrheit sind die Zuschauer die Patienten. Nur, dass wir lediglich Klang und bewegte Bilder zu diesem Zweck verwenden. Und wenn Ihnen nun die Frage nach den zwei vorhin genannten Möglichkeiten im Kopf herumgeistert, dann hat das Experiment offenkundig Wirkung gezeigt. (lächelt)

Da Sie von der Absicht sprechen, dass ihr Film nachhallen soll … Wie leicht fällt es Ihnen generell, Projekte loszulassen? Erreichen Sie irgendwann den Punkt, wo Sie mit einem Film abschließen oder denken Sie lange darüber nach, was Sie noch alles hätten feinschleifen wollen?
Es ist schon so eine Sache: Du beabsichtigst etwas mit deinem Skript, mit deiner Wahl der Drehorte und der Darsteller, und dann drehst du, und drehst du, und drehst du … Und der Dreh ist immer ein erschöpfender Prozess, weil ständig deine Vision mit der Realität kollidiert. Mal fängt es im falschen Moment zu regnen an. Oder ein Set geht in Flammen auf, wie es uns im Studio Babelsberg ergangen ist, so dass wir unseren Zeitplan für die Dauer eines Monats komplett umwerfen mussten.

Beim Dreh hast du mit all diesen Parametern zu kämpfen, ehe du in den Schnitt kommst, wo es mich ein ums andere Mal erneut in Staunen versetzt, wie ein Film ein Eigenleben entwickelt, sobald du damit anfängst, ihn zusammenzusetzen. Das Material nimmt eine eigene Form an. Sie beherrscht dich, du musst auf sie hören, sie ist es, die dir sagt, was zu ihr passt. Und als Regisseur musst du lernen, dies zu beherzigen – deine Aufgabe ist es, ihr dabei zu helfen, sich dahingehend zu entwickeln, wo sie hinwill.

Beim Dreh hast du mit all diesen Parametern zu kämpfen, ehe du in den Schnitt kommst, wo es mich ein ums andere Mal erneut in Staunen versetzt, wie ein Film ein Eigenleben entwickelt, sobald du damit anfängst, ihn zusammenzusetzen.

Das Material nimmt eine eigene Form an. Sie beherrscht dich, du musst auf sie hören, sie ist es, die dir sagt, was zu ihr passt. Und als Regisseur musst du lernen, dies zu beherzigen – deine Aufgabe ist es, ihr dabei zu helfen, sich dahingehend zu entwickeln, wo sie hinwill.
Gore Verbinski
Stimmen Sie dem Tenor vieler Ihrer Regiekollegen zu, dass es immer schwieriger wird, angesichts Hollywoods Begeisterung für Comicadaptionen und Franchises einen aufwändigen, eher an ein älteres Publikum gerichtetes Film ohne konkrete Vorlage zu verwirklichen?
Ja, es ist eine Herausforderung. Man gelangt nicht an dieselben Ressourcen, die man bekommt, wenn man eine bereits existierende Marke adaptiert – selbst wenn es sich dabei um ein Themenpark-Fahrgeschäft handelt. Aber wenn man seine Crew relativ klein hält und sich dabei auf Menschen aus der Gegend verlässt, kann man das Budget in Grenzen halten, ohne dabei am falschen Ende zu sparen. Die Dreharbeiten waren über ganz Deutschland verteilt, wir haben unter anderem in Schraplau und Zwickau gedreht sowie natürlich auf der Burg Hohenzollern in Tübingen und in Beelitz – daraus ein zusammenhängendes Mosaik zu basteln, ist zwar anspruchsvoll, aber es ist deutlich günstiger, als alles selber zu bauen. (schmunzelt)

Nach mehreren ultra hoch budgetierten Filmen, wo Sie sich ja genau das leisten konnten … War «A Cure for Wellness» da eine große Umgewöhnung?
Ja, ich bin einen Schritt zurückgetreten. Als ich 2015 in Berlin angekommen bin, war mir noch alles fremd. Es stand ein Dreh mit einem Cast bevor, mit dem ich noch nie zuvor zusammengearbeitet habe. Ich kannte nahezu niemanden aus der Crew – bei meinen vorhergegangenen Filmen hatte ich dagegen stets mehrere Leute mit an Bord, mit denen ich bereits Erfahrungen gemacht habe. Es war wie ein Neuanfang. Das war eine schöne Erfahrung, erst recht, da wir sie bei einem Film gemacht haben, bei dem niemand erwartet, dass er jedermann gefällt. Bei den großen Publikumsfilmen erhofft man sich, dass sie auch auf einer allgemeinen Ebene funktionieren – dieser hingegen durfte höchst persönlich sein.

Das klingt fast so, als sei «A Cure for Wellness» für Sie sogar eine Blockbuster-Entziehungskur gewesen, eine Art Black-Box-Experiment zwecks künstlerischer Selbstverwirklichung?
So würde ich es nicht sagen. Ich verstehe, dass es viel von den Leuten verlangt ist, ins Auto zu steigen, um zum Kino zu fahren und zu viel Geld fürs Popcorn dazulassen. Und das in einer Zeit, in der sehr viele, richtig gute Fernsehinhalte produziert werden. Daher kann ich dieses Streben nach Kinofilmen in Eventmaßen vollkommen nachvollziehen. Ihr Erlebnischarakter erleichtert es, die Menschen in die Kinosäle zu locken, und da sie zumeist dem High-Concept-Gedanken folgen, also ihre Grundidee mühelos auf nur einen Satz heruntergebrochen werden kann, fällt es den Studios zudem einfacher, auf sie aufmerksam zu machen. Das ist völlig in Ordnung. Dieser Film lässt sich aber nicht ohne Weiteres in einem Satz zusammenfassen – und wir haben ihn dennoch gemacht. Selbst wenn die Leute solche Projekte nicht mehr so sehr aufsuchen, wie sie es früher getan haben.

Ich bemühe mich, an all meine Projekte mit derselben Einstellung heranzutreten. [...] Wenn ich einen Film drehe, dann niemals mit dem Gedanken, dass er ein sicherer Erfolg ist – die Frage, ob ein Film scheitern wird, macht die Arbeit viel interessanter. Diesen Gedanken trage ich bei allem mit mir, was ich anfange: Ich tüftle daran herum und warte darauf, dass es in die Luft geht.
Gore Verbinski
Dennoch habe ich das Gefühl, dass Sie diesen Film nicht zufällig gerade jetzt inszeniert haben. Das zu Beginn des Films vorgeführte Empfinden, in einer Art Tretmühle gefangen zu sein, muss Ihnen doch bekannt vorkommen, bedenkt man die wahnsinnigen Produktionspläne Ihrer letzten paar Filme?
Ruhezeiten waren da zweifelsfrei nicht vorgesehen, aber als Tretmühle würde ich sie keinesfalls betrachten. Sie müssen wissen: Ich bemühe mich, an all meine Projekte mit derselben Einstellung heranzutreten. Als ich etwa «Fluch der Karibik» gemacht habe, galten Piratenfilme als absolutes Kassengift, weshalb niemand mehr dieses Genre anpacken wollte. Ich wurde für verrückt erklärt, es dennoch zu versuchen. Wenn ich einen Film drehe, dann niemals mit dem Gedanken, dass er ein sicherer Erfolg ist – die Frage, ob ein Film scheitern wird, macht die Arbeit viel interessanter. Diesen Gedanken trage ich bei allem mit mir, was ich anfange: Ich tüftle daran herum und warte darauf, dass es in die Luft geht.

In diesem Zusammenhang finde ich es sehr faszinierend, dass Sie nun vier Filme in Folge inszeniert haben, die auf die eine oder andere Art und Weise Kapitalismus respektive Materialismus kritisieren – und all diese Filme sind, mit unterschiedlich enormen Budget, innerhalb des Studiosystems entstanden. Mir kommt der Verdacht, dass Sie nur deswegen innerhalb des Systems arbeiten, um es zu sabotieren …
Pssssst! (zwinkert) Aber im Ernst: Es ist eher Zufall, dass sich dieser Aspekt in größerer oder kleinerer Form wiederholt. Jede Geschichte ist anders und bringt andere Themen mit sich, die im Mittelpunkt stehen. In «Lone Ranger» haben wir den Fortschritt als ein zentrales Thema genommen, in «A Cure for Wellness» geht es um Wohlbefinden, Krankheit und die Frage, was alles als Krankheit aufgefasst werden kann. Gewiss, wir nehmen Oligarchen und weitere Köpfe aus dem Wirtschaftswesen, und bringen sie an diesen seltsamen Ort – und Lockhart, der kurz bevorsteht, in den Verwaltungsrat aufgenommen zu werden, und gierig durch und durch ist.

Wenn ich Filme mache, dann hat dies Kosten für mich. Jegliche Ambition erfordert ihren Tribut! Wenn ich drehe, bin ich sechs Monate oder sogar ein ganzes Jahr von meiner Familie getrennt, und ich empfinde deswegen Schuld.
Gore Verbinski
Aber es steckt eine persönliche Komponente da drin: Wenn ich Filme mache, dann hat dies Kosten für mich. Jegliche Ambition erfordert ihren Tribut! Wenn ich drehe, bin ich sechs Monate oder sogar ein ganzes Jahr von meiner Familie getrennt, und ich empfinde deswegen Schuld. Es löst in mir allerhand, teils widersprüchliche, Gefühle aus. Obwohl ich meiner Leidenschaft fürs Filmemachen gerne folge, frage ich mich: Warum tue ich das, ist es diesen Preis wert, wieso genieße ich das Leben nicht in freien Zügen? Diese Fragen spiegeln sich in meiner Arbeit wider.

Es stimmt natürlich, was Sie anmerken: Dieses Spa ist gerappelt voll mit gelebter Korruption. Und es steht früh im Handlungsverlauf die These im Raum, dass es diese Menschen ausbeutet, die nur deshalb zu dem gekommen sind, was sie in ihrer Arbeit erreicht haben, indem sie über Leichen gingen. Selbstredend lassen sich diese Personen liebend gern auf die Behandlung durch einen Arzt ein, der ihnen mitleidig das Knie tätschelt und sagt: „Sie sind dafür nicht verantwortlich, denn Ihnen geht es nicht gut!“ Das ist wie eine Absolution, ein Opiat für diese Menschen und somit der Köder, den Sie bereit sind zu schlucken. Allerdings habe ich es mir nicht explizit zum Ziel gemacht, gegen Kapitalismus zu predigen – all dies steht im Dienste anderer Aspekte des Films. Hier stützt es die hoffentlich köstliche Abartigkeit des Spa-Schauplatzes und soll die Fallhöhe der Geschichte vergrößern.

Die Filmcrews in Amerika lieben es, Überstunden zu machen. Denn das bringt die dicken Scheine ein. Wer es schafft, 14 oder 15 Stunden am Tag zu arbeiten, denkt sich am Ende nur: „Großartig. Überstundenzuschlag!“ In Berlin dagegen heißt es: „Wir drehen für zehn Stunden. Das war’s, wir wollen mit der Familie zu Abend essen und haben auch sonst Freizeitpläne.“
Gore Verbinski
Ein Detail, das mir dahingehend gefällt, ist, dass die Firmenbosse zu Beginn des Films in der „normalen“ Geschäftswelt genauso ins Nichts starren wie die Spa-Patienten später … Kennen Sie, obwohl das Filmbusiness so voll mit Workaholics ist, Zufluchtsorte, wo Ihnen dieser leere Blick nicht begegnet ist?
Ja. Es war für mich eine interessante Erfahrung, hier in Berlin zu drehen und mich an einen zehnstündigen Drehtag zu gewöhnen. Ich habe das sehr zu wertschätzen gelernt. Die Filmcrews in Amerika lieben es, Überstunden zu machen. Denn das bringt die dicken Scheine ein. Wer es schafft, 14 oder 15 Stunden am Tag zu arbeiten, denkt sich am Ende nur: „Großartig. Überstundenzuschlag!“ In Berlin dagegen heißt es: „Wir drehen für zehn Stunden. Das war’s, wir wollen mit der Familie zu Abend essen und haben auch sonst Freizeitpläne.“ Ich musste mich so mühselig daran angleichen. Dieser Gedanke „Kleine Brötchen backen“, wie ihr in Deutschland sagt, der ist bei amerikanischen Filmcrews überhaupt nicht vorhanden – dabei ist die Qualität des Endprodukts wirklich ebenbürtig.

Das ist aber eine Beobachtung, die ich in der Art nur in Berlin gemacht habe – es ist nicht einmal in ganz Deutschland so. Umso kurioser war es, mit einer Berliner Crew für eine Zeit lang in Studio Babelsberg an diesem Film zu arbeiten, der davon handelt, was ich als die Erkrankung der modernen Menschheit betrachte – und die in Hollywood die Leute genauso befallen hat wie in München oder irgendwo sonst in der Welt. Doch in Berlin haben die Filmcrews es irgendwie rausbekommen, wie sie ihr Leben auskosten und dennoch ihre Kunst vollauf respektieren können, indem sie nach zehn Stunden einen Drehtag beenden.

Wie ausführlich lief das Location Scouting ab, um die ideale Burg für diesen Film zu finden?
Ich habe zwölf Burgen besichtigt – in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in Rumänien. Aber Hohenzollern war die Burg, die zu mir gesprochen hat. Und das war mir wichtig – dass die Burg eine eigene Figur im Film ist. Ein Ort, der die Menschheit seit Jahrhunderten beobachtet und nun Lockhart zu sich lockt …

Obwohl die Geschichte in der Schweiz spielt, haben Sie nur sehr kurz dort gedreht …
Genau. Wir waren nur zwei Tage in der Schweiz, um in Tiefencastel zu drehen. Die Schweiz mag zwar der Schauplatz des Films sein, aber sie ist auch ein verflixt kostspieliger Drehort. Darum konnten wir es uns aus praktischen Gründen nicht leisten, dort länger zu drehen – wir mussten schnellstmöglich nach Deutschland zurück. Aber wir wollten, dass Lockharts Reise an einem Ort beginnt, der unzugänglich ist, an dem es einen faszinierenden Übergang von der Dunkelheit ins Licht gibt, und wo eine Bergidylle eine unvergleichliche Ruhe ausstrahlt … Und da schien mir die Schweiz der richtige Handlungsort zu sein – nicht zu vergessen, dass Thomas Manns «Der Zauberberg» Justin und mich zu dieser Erzählung inspiriert hat, da empfand ich es als wichtigen Verweis, auch unsere Geschichte dort spielen zu lassen. In Tiefencastel gab es dieses wunderbare Fleckchen, an dem sich der von mir herbeigesehnte Übergang von Dunkel zu Licht eindrücklich filmen ließ. Daher konnte ich nicht völlig darauf verzichten, in der Schweiz zu drehen …

Wenn eine Bildkomposition präzise genug ist und der Klang angespannt genug ist – dann wird man sich dieser sinnbildlichen Stimme bewusst, die aus der Situation heraus spricht.
Gore Verbinski
Von der Burg abgesehen: Wie schwierig war es, die Bildästhetik für diesen Film zu finden?
Der leitende Gedanke war das besagte Gefühl des Unvermeidlichen, das ich heraufbeschwören wollte. Wenn eine Bildkomposition präzise genug ist und der Klang angespannt genug ist – dann wird man sich dieser sinnbildlichen Stimme bewusst, die aus der Situation heraus spricht und Lockhart zu sich holt. Um dies zu verdeutlichen, beginnt der Film auch mit diesem Wiegenlied, kurz danach wird aus dem Off Pembrokes Brief verlesen – also erneut eine Stimme, die aus dem Nirgendwo herbeiruft. Lockhart wird, ganz gleich ob er sich dessen bewusst ist, zu diesem Ort heraufbeschworen … Zunächst wird ihm dieser Schreibtisch in einem Großraumbüro vermacht, mit diesem toten Goldfisch, und einfach alles verschwört sich im Anschluss gegen ihn. Solche Geschichten funktionieren meiner Ansicht nach am besten, wenn sie einen Bann auf einen ausüben, durch ihren Klang und ihre Optik. Insofern war mir früh klar, welcher Stil mir vorschwebt. Die Herausforderung war die Umsetzung, denn für dieses Gefühl eines unguten Zaubers ist große Sorgfalt erforderlich.

Steht bereits fest, was Ihre nächste Regiearbeit wird?
Nein, das weiß ich ganz ehrlich noch nicht. Es sind mehrere Ideen in Entwicklung, darunter manche, die gar nicht auf meiner IMDb-Seite präsent sind.

Wie etwa Ihre Komödie über ein Autorennen mit autonomen Wagen?
Ja, genau. Ich warte gebannt darauf, dass das Drehbuch die richtige Gestalt annimmt. Hoffentlich ist es bald so weit, denn wenn wir das Projekt nicht in naher Zukunft drehen, wird es noch zum Historienfilm!

Herzlichen Dank für das Gespräch.

«A Cure for Wellness» ist ab dem 23. Februar 2017 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
15.02.2017 18:01 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/91221