'Kreative Aspekte zu bewerten, würde nur zu Debatten führen'

Synchronverband-Vorstandsmitglied Tobias Kunze erklärt Quotenmeter.de, weshalb sich die Einführung des Synchrongütesiegels hinausgezögert hat und wieso es weniger Kriterien berücksichtigt als vorübergehend erwartet.

Zur Person: Tobias Kunze

  • Seit 2008 Geschäftsführer der Berliner Synchronschmiede RC Production
  • Seit 2015 zudem im Vorstand von Synchronverband e.V. – Die Gilde
Wieso kam es zur Verzögerung der Einführung – schon Anfang 2016 sah es kurz so aus, als würde das Siegel bald etabliert …
Mit der Einführung des Kodex haben wir bewusst eine Qualitätsdebatte in der Synchronbranche angestoßen. Dieser Prozess hat Jahre gedauert. Das Gütesiegel ist der zweite Schritt und ging dagegen aus unserer Sicht als Verein vergleichsweise schnell. Es lag auch an den unterschiedlichen Herangehensweisen innerhalb der Gilde. Es stand ein großer Erwartungsdruck dahinter, was sich in sehr ambitionierten Richtlinien niedergeschlagen hat. Es sollte eine Jury geben und Vergaberichtlinien, die sich auch auf künstlerische und handwerkliche Maßstäbe beziehen. Das haben wir letztlich alles gekippt, um das Gütesiegel leichter umsetzbar zu machen.

Welche Hürden gab es konkret?
Es gab zunächst intern viele Hürden zu nehmen – jeder innerhalb der Gilde fühlte sich vom Gütesiegel angesprochen und wollte sichergehen, dass er mit seinen Anforderungen keineswegs übergangen wird. Darum dauerte die Erstellung des Richtlinienkatalogs zunächst sehr lange. Ebenso lange dauerte es, diesen wieder auf eine umsetzbare Form zu stutzen. Wie gesagt, wir sind ein Verein und keine Behörde. Alle Mitglieder arbeiten in der Synchronbranche und engagieren sich quasi nebenbei in der Gilde. Wir haben deshalb auch die Idee einer jede Synchro begutachtenden Jury wieder gekippt, was den kreativen Aspekt einer Synchro etwas aus der Gleichung nimmt.

Es gab zunächst intern viele Hürden zu nehmen – jeder innerhalb der Gilde fühlte sich vom Gütesiegel angesprochen und wollte sichergehen, dass er mit seinen Anforderungen keineswegs übergangen wird.
Tobias Kunze
Also solche Fragen wie „Wie gut passt ein Sprecher auf eine Figur?“, „Wurde die Sprecherkontinuität auf einem bereits bekannten Schauspieler beibehalten?“ oder auch „Wie einfallsreich wurden Übersetzungen getätigt?“
Quasi. Da wir in der Gilde an uns selbst hohe Ansprüche stellen, werden unsere qualitativen Mindestanforderungen erfüllt. Doch wir wollten für das Gütesiegel letzten Endes einen neutralen Anforderungskatalog, der sich nach erkennbaren Maßstäben richtet, wo es ein klares „trifft zu“ oder „trifft nicht zu“ gibt. Darum wurde, auch wenn wir zunächst mit einer Jury den kreativen Charakter bewerten wollten, letztlich beschlossen, dass das Gütesiegel an die Synchros geht, die unserem Qualitäts-Kodex entsprechen. Kreative Aspekte zu bewerten, würde nur zu Debatten führen, weshalb der eine Film das Siegel erhalten hat, der andere aber nicht.

Mal würden Sie vielleicht das Beibehalten der Sprecherkontinuität bevorzugen, während die Jury eine Umbesetzung in einer Nebenrolle für genial hält. Andere Male wäre es umgekehrt. Wir würden hier Geschmackssachen bewerten – das ist nicht der Sinn, der uns beim Gütesiegel vorschwebt. Es soll eher so sein, wie beim Bioland-Siegel – da muss man nach gewissen Standards arbeiten, um es zu erhalten.

Die Verleiher, die ja auch erst überzeugt werden mussten, haben Sie nun aber hinter sich stehen?
Einige Verleiher beziehungsweise Sender sind schon mit im Boot. Mit denen konnten wir klären, dass wir das Gütesiegel mit in die von uns verantwortete Dubbing Card aufnehmen können und dürfen. Das war der einfachste Weg zu einem Kompromiss – im Gespräch war auch, es auf dem DVD-Cover oder -Rücken abzudrucken. Das ist nun zunächst nicht der Fall. Aber wir hoffen, dass unsere Arbeit durch die Einführung des Gütesiegels mehr Aufmerksamkeit erhält und wir diese später nutzen können, um das Gütesiegel auch prominenter platzieren zu können. Das muss sich noch entwickeln.

Das Gütesiegel verfolgt zwei Ziele. Es soll einerseits Menschen aus der Branche signalisieren, welche Synchros sich von den eilig erstellten Billigsynchros abheben. Andererseits soll es sich auch an Filmliebhaber richten, die, so unser langfristiges Ziel, anhand des Gütesiegels abwägen, ob sie sich einen Film in der synchronisierten Fassung im Kino anschauen wollen.
Tobias Kunze
Dadurch, dass das Gütesiegel zunächst nur in der Dubbing Card zu sehen ist, richtet es sich vorerst ja eher an Interessierte innerhalb der Branche – damit diese sehen, welche Synchros nach den technischen und arbeitsrechtlichen Standards der Gilde entstanden sind. Für das normale Publikum ist diese Platzierung ja erstmal wenig hilfreich …
Das Gütesiegel verfolgt zwei Ziele. Es soll einerseits Menschen aus der Branche signalisieren, welche Synchros sich von den eilig erstellten Billigsynchros abheben. Andererseits soll es sich auch an Filmliebhaber richten, die, so unser langfristiges Ziel, anhand des Gütesiegels abwägen, ob sie sich einen Film in der synchronisierten Fassung im Kino anschauen wollen. Letzteres ist aber noch ein weiter Weg. Diesen Stellenwert werden wir uns noch erkämpfen müssen.

Wird das Gütesiegel auch rückwirkend vergeben?
Das ist noch nicht ganz klar. Fest steht, dass wir ab diesem Jahr das Gütesiegel verwenden, um Synchros zu kennzeichnen, die von Mitgliedern der Gilde nach unseren Regeln entstanden sind. Bei neuen Filmen und Serien erstellen wir ja die Dubbing Card, und haben somit Einfluss darauf. Wenn ältere Filme erneut veröffentlicht werden, steht das außerhalb unserer Macht. Wenn sich das Gütesiegel als Marke und Qualitätsmerkmal durchgesetzt hat, hoffen wir natürlich, dass die Verleiher bei Wiederveröffentlichungen Interesse daran haben, auf uns zuzukommen – dann könnten wir darüber nachdenken, auch Produktionen von vor 2017 das Siegel zu verleihen.

Vielen Dank für das Gespräch.
17.01.2017 12:18 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/90608