Trotz abschreckender Beispiele aus der Vergangenheit und des noch immer großen Publikumszuspruchs für die Bohlen-Formate versuchen sich die Kölner nun sonntagabends mit weitgehender Seriosität. Ob das klappt? Der große Kick fehlte dem Neustart zu Beginn jedenfalls noch.
Noch vor einiger Zeit reichte bereits eine Dauerrotation von «Navy CIS», um am ansonsten vollständig Spielfilm-dominierten Sonntagabend eine echte Exoten-Rolle einzunehmen. Doch mit dem Erstarken von Streaming-Diensten wie Netflix und Amazon Prime und der damit einhergehenden Schwächung für fiktionale Kost haben sich zuerst VOX und kürzlich auch Sat.1 vom ungeschriebenen, aber unterschwellig in der Fernsehbranche doch omnipräsenten Gesetz losgesagt, dass Shows am letzten Tag der Woche nicht funktionieren können - mit zum Teil beachtlichen Erfolgen. Im Wissen um die seit je her überwiegend miesen Film-Quoten und die Eigendynamiken des Marktes, sobald ein Akteur mit einem neuen Konzept Überraschungserfolge feiert, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch RTL nachzieht. Ob allerdings «It Takes 2» für die erhoffte Initialzündung sorgen wird, bleibt nach Sichtung der ersten Folge fraglich.
Schon das grundsätzliche Konzept der Sendung ist im Hinblick auf eine möglichst rasche Publikumserschließung erwähnenswert: Die erste Folge begnügte sich nämlich damit, neun Prominente nacheinander singen zu lassen und diese dann auf drei Mentoren (Christina Stürmer, Gil Ofarim und Jazz-Sänger Tom Gaebel) aufzuteilen. Zu den Mentoren treten noch drei weitere Musiker (Conchita Wurst, Alvaro Soler und Angelo Kelly) hinzu, die über die Gesangskünste der Stars urteilen - was allerdings die Mentoren anschließend ebenfalls machen, nur um das «The Voice»-Element ergänzt, dass sie die Auftritte nicht sehen und lediglich anhand der Stimme urteilen müssen. Ist jetzt nicht völlig reizlos, diese Idee, doch letztlich hätte die Auftaktfolge auch sehr gut ohne die Jury funktioniert. Warum es sie dennoch gibt? Weil sie ab der zweiten Folge als sachliche Beurteilungsinstanz fungieren wird, die Punkte vergibt, während sich die drei Mentoren darum kümmern werden, dass ihre Schützlinge möglichst gut wegkommen.
Wer will mich? Rebecca Simoneit-Barum, Dave Davis und Kolja Kleeberg warten mit Moderator Daniel Hartwich auf die Entscheidung der Mentoren.
Lobend zu erwähnen ist dagegen neben dem gewohnt guten Daniel Hartwich auch dessen Co-Moderatorin Julia Krüger (Foto). Mit «Klub» (RTL II) und ihren Joiz-Tätigkeiten hat sie angesichts ihrer noch jungen 26 Lebensjahren schon eine recht respektable Vita vorzuweisen und wusste auch bei ihrem ersten Einsatz auf der großen Show-Bühne zu überzeugen. Auch wenn sie noch ein wenig in der Mentoren-Lounge versteckt wurde, machte sie an Hartwichs Seite gleich auf Anhieb einen erheblich besseren Job als Sylvie Meis, die neben ihm auch nach sechs Jahren noch immer eher wie die 15-jährige Praktikantin wirkt, die "was mit Medien machen" und "erste Moderationserfahrungen sammeln" möchte. Sollte «Let's Dance» also sein Publikum in diesem Jahr doch mal erlösen wollen, Krüger wäre eine gute Alternative - ehrlicherweise aber auch nicht die einzige.
Unterm Strich bietet «It Takes 2» seinem Publikum gute und durchaus ansehnliche Unterhaltung, weiß sein Potenzial aber in Folge eins noch nicht vollständig zu entfalten - was im Hinblick auf den Publikumserfolg ein Problem darstellen könnte. Fast spannender als die Auftaktfolge dürfte die Sendung der kommenden Woche werden, in der das beim Auftakt noch etwas in der Luft hängende Jury- und Mentoren-Prinzip so richtig zur Entfaltung kommen sollte. Für RTL wäre ein Erfolg des Formats enorm wichtig: Einerseits, um nach dem noch immer nicht vollständig abgeklungenen «Rising Star»-Flop endlich einmal unter Beweis zu stellen, dass Gesangscastings bei den Kölnern auch ohne Dieter Bohlen funktionieren. Andererseits aber auch, um auch am Sonntagabend ein wenig Licht neben all dem Schatten der letzten Jahre sehen zu können. Und nicht zuletzt auch, um Sonja Zietlow nicht allzu viele Anlässe zu geben, ihren allgegenwärtigen Moderationskollegen in den kommenden 13 «Ich bin ein Star»-Folgen mit dem Flop seines neuesten Projekts aufzuziehen.