'Ich denke, dass manche Leute sagen werden: Der Bourani passt da nicht drauf'

Quotenmeter.de sprach mit den zwei wichtigsten Stimmen des Disney-Animationsfilms «Vaiana»: Lina Larissa Strahl alias Vaiana und Andreas Bourani alias Halbgott Maui.

Andreas Bourani: 'Ich möchte nichts unter Zwang machen'


Zur Person: Andreas Bourani

  • Im November 1983 in Augsburg geboren
  • Nahm am ZDF-Gesangswettbewerb «Die Deutsche Stimme 2003» teil
  • Veröffentlichte 2011 das mit Gold prämierte Album "Staub & Fantasie"
  • Holte 2014 mit dem Album "Hey" 3-fach Platin
  • Die Single "Auf uns" wurde im selben Jahr zum ARD-WM-Song und ein Megahit
  • Synchronisierte bereits in «Baymax – Riesiges Robowabohu» und «Hotel Transsilvanien 2»
Haben Sie sich für den Part beworben oder wurden Sie angefragt?
Es war tatsächlich so, dass ich angefragt wurde. Ich hatte ja schon in «Baymax» die Ehre, für Disney zu synchronisieren. Und da habe mich wohl nicht so schlecht angestellt, also dachten die: „ Es ist wohl keine so doofe Idee, den Bourani noch einmal anzurufen“. Das fand ich natürlich super! (lacht) Dann sollte es dieses Mal nicht wieder eine Nebenrolle, sondern sogleich die männliche Hauptrolle sein! Das fand ich natürlich super. Ich kannte da schon den Trailer und wusste also ungefähr, worum es geht – entsprechend war ich auf die Rolle gespannt. Dann ist mir auch erst so richtig bewusst geworden: „Ui, als deutsche Stimme Dwayne 'The Rock' Johnson auszufüllen … das wird schwierig!“ Der Mann bringt ungefähr 40kg Muskelmasse mehr mit als ich!

Und, erwies es sich tatsächlich als Problem, Dwayne Johnson stimmlich fürs deutsche Publikum zu ersetzen?
Zwischen uns bestehen natürlich Unterschiede: Mit seinem großen, durchtrainierten Körper bringt er ganz andere Resonanzräume ans Mikrofon. Wer so einen riesigen Brustkorb hat und eh ein Berg von einem Kerl ist, bei dem schwingt der Ton anders. Überhaupt hat er eine tiefere Stimme als ich. Das macht viel aus, wenn man zwischen beiden Sprachversionen switcht – diese Differenzen ändern schon die Wirkung der Figur. Und für ihn war sicher das Spielen die einfachere Herausforderung, für mich hingegen das Singen. (lacht) Aber ich habe mich für diese Herausforderung entsprechend vorbereitet: Ich habe mir einen Coach geholt, der mir Ratschläge gegeben hat, wie man der Figur nur durch seine Stimme verschiedene Charakterzüge einhauchen kann. Er hat mich auch vorbereitet, was in Actionszenen anders zu beachten gilt als in den ruhigeren Momenten.

Ich habe mir einen Coach geholt, der mir Ratschläge gegeben hat, wie man der Figur nur durch seine Stimme verschiedene Charakterzüge einhauchen kann. Er hat mich auch vorbereitet, was in Actionszenen anders zu beachten gilt als in den ruhigeren Momenten.
Andreas Bourani über seine Vorbereitungen
Dauerte es lange, die richtige Stimme für die Figur zu finden?
Ja, durchaus. Und ich denke, dass noch immer manche Leute sagen werden: „Der Bourani passt da nicht drauf.“ Johnson hat eine ganz andere Stimmfarbe als ich und die Figur erweckt daher bei ihm einen etwas anderen Eindruck. Er bringt eine fülligere stimme mit, bei ihm kommt Maui vielleicht auch etwas stärker rüber. Bei mir klingt er hingegen jugendlicher – das muss man mögen. Da werden sich die Geschmäcker streiten.

Wie viele Tage standen Sie für den Film im Studio?
Vier oder fünf Tage für die gesprochenen Stellen, dann noch an einem anderen Tag zwei bis drei Stunden fürs Singen.

Ich möchte nichts unter Zwang machen – in die Zukunft wirkende Knebelverträge sind deshalb so oder so nicht meins.
Andreas Bourani
In den USA wird es bei vielen Studios ja allmählich Usus, dass Leute prophylaktisch auch an mögliche Fortsetzungen gebunden werden. Wie sieht es bei der Synchronfassung aus, haben Sie im Vertrag die Klausel stehen, dass Sie für weitere Maui-Auftritte oder mehr von Fred aus «Baymax» zurückkehren müssen?
Ob es mehr von Maui zu sehen geben wird, weiß ich nicht, und selbst wenn ich es wüsste, dürfte ich das jetzt natürlich nicht verraten. (lacht) Aber in meinem spezifischen Fall: Ich schrecke generell vor Verträgen mit solchen Optionen zurück. Ich genieße meine Entscheidungsfreiheit als Künstler und will nicht durch Abmachungen mögliche Situationen kreieren wie: Ich bin in 5 Jahren abgetaucht, um während einer Medienauszeit mich selbst in Indien zu finden oder bei einer Wandertour eine für mich neue musikalische Sprache zu entwickeln. Und dann kommt der Anruf: „Ja, hallo, Disney hier, flieg sofort nach Deutschland, du musst mal eben Maui für einen Kurzfilm einsprechen!“ Wenn ich angefragt werde und in der Situation bin, so etwas machen zu wollen und zu können – klar, voll gerne. Doch ich möchte nichts unter Zwang machen – in die Zukunft wirkende Knebelverträge sind deshalb so oder so nicht meins.

Mir scheint, dass Sie seit der WM 2014 bewusst dagegen steuern, die „Auf uns“ -Welle zu reiten. Gehören Synchronrollen wie diese mit zu dieser Taktik?
Ja, stimmt schon, dass ich das mache. Nach „Auf uns“ habe ich bewusst „Auf anderen Wegen“ als Single veröffentlicht, also eine ganz anders geartete Ballade. Dieses Jahr bekam ich zur EM Tausende von Anfragen, doch einen EM-Song zu schreiben oder irgendwo mit „Auf uns“ aufzutreten. Das habe ich alles abgelehnt, weil ich finde: Das war der Song zur WM 2014. Das war eine besondere, für meine Karriere entscheidende Zeit. Aber ich will mich weiterentwickeln und stets nach vorne gehen, statt dieser Vergangenheit hinterherzujagen. Und solche Synchronrollen helfen mir ebenfalls dabei, nicht auf diesen einen Song reduziert zu werden.

Haben Sie durch die Synchronrollen, die Sie angenommen haben, Lust am Schauspiel gefunden?
Ach, ich weiß nicht. Ich habe schon mehrere Angebote bekommen, die jedoch immer ausgeschlagen. Denn ich habe großen Respekt vor der Schauspielkunst, das ist ein großes und schweres künstlerisches Fach – da will ich nicht mal eben eine Rolle übernehmen, die ich nur wegen meiner Bekanntheit angeboten bekomme. Zudem: Ich würde sehr gerne einen Schurken spielen – bekomme aber immer so nette Typen vorgeschlagen. Das reizt mich nicht.

Wenn ich ins Schauspiel gehe, dann erfinde ich mich da gerne als Schurken neu.
Andreas Bourani
Wieso?
Ich finde das einfach viel spannender. Selbst wenn das bedeutet, nur noch Schurken zu spielen. Es ist für mich einfach aufregender, in eine Figur zu schlüpfen, die ganz anders ist als ich selbst. Es ist, wie ich finde, als Künstler reizvoller, sich immer neu zu erfinden – und wenn ich ins Schauspiel gehe, dann erfinde ich mich da gerne als Schurken neu.

Das Publikum denkt ja leider nicht immer so. Es gibt ja schon gerne die Forderung: „Nichts ändern, ich mag meine Unterhaltung so, wie ich sie kenne.“
Dann hat das Publikum halt Pech. (lacht schulternzuckend)

Besten Dank für das Gespräch.
Auf der nächsten Seite: Unser Gespräch mit Vaiana-Sprecherin Lina Larissa Strahl.

Lina Larissa Strahl: 'Ich werde schon ein bisschen gebrandmarkt durch die vier «Bibi & Tina»-Filme'


Zur Person: Lina Larissa Strahl

  • Dezember 1997 in der Nähe von Hannover geboren
  • Anfang 2013 gewann sie den KiKA-Gesangswettbewerb «Dein Lied»
  • Im Sommer 2013 feierte sie ihr Kinodebüt mit der Rolle der Hexe Bibi in «Bibi & Tina – Der Film»
  • Es folgten zwei Fortsetzungen, Anfang 2017 kommt Teil 4
  • Im Mai 2016 veröffentlichte sie ihr Pop-Album "Official"
Wie kam das Casting zustande?
So weit ich weiß, wurde ich den Verantwortlichen vorgeschlagen. Daraufhin haben sie sich angeschaut und angehört, was ich bisher so gemacht habe und ich wurde zum Casting eingeladen. Da wurde ich dann ziemlich nervös, schließlich ist die Hauptrolle in einem Disney-Film zu sprechen eine ziemlich große Sache. Und … dann haben sie mich trotz meiner Nervosität genommen. Ursprünglich sollte ich auch die Singstimme für Vaiana übernehmen – das hat leider zeitlich einfach nicht mehr geklappt. Einerseits finde ich das richtig schade, ich hätte das sehr gern gemacht. Andererseits haben sie eine Sängerin gefunden, die das richtig, richtig schön macht. Bin da hin und hergerissen.

Hast du dich mehr über die Einladung zum Casting gefreut oder darüber, die Rolle wirklich zu bekommen?
Ui … Das ging alles so schnell, und es war eine richtig stressige Zeit – ich war auf Tour, es fanden die Dreharbeiten zum vierten «Bibi & Tina»-Film statt und zwischendurch halt «Vaiana». Das konnte ich alles gar nicht richtig verarbeiten. Die Freude kommt jetzt erst, wo ich mit allem fertig bin und mich darauf freuen kann, dass er bald startet.

Gab es eine besonders schwierige Stelle beim Synchronisieren oder ein Wort, bei dem es einfach gehakt hat?
Ohja: Das Wort „retten“. „Re-tten“? „Ret-ten?“ „Rättn?“ Siehst du, schon mach ich mich verrückt, wie es ausgesprochen wird … Ich spreche das wohl mit einem zu nordischen Beiklang aus – dabei komme ich aus der Region Hannover, die doch für ihr gepflegtes Hochdeutsch gelobt wird! (lacht) Wir haben so, so viel Zeit dafür gebraucht, das Wort einzusprechen – und es hat einfach nicht geklappt. Wir haben das dann versucht, durch Trickserei im Schnitt gerade zu biegen.

Hat sich dadurch, dass du jetzt erstmals einen Film synchronisiert hast, dein Gehör für Synchronisationen geändert?
Ja, aber ich muss sagen, dass es schon vorher angefangen hat, sich zu verändern: Ich mache viele Filmabende mit Freunden, und früher haben wir nie darauf geachtet, welche Stimmen in den deutschen Versionen vorkommen. Nur ab und zu haben wir mal den Film gestoppt, weil uns eine Stimme bekannt vorkam und wir unbedingt wissen wollten, woher. Mittlerweile können wir kaum noch einen Film gucken, ohne dass das ausartet: „Hey, das ist doch die Stimme von Leonardo DiCaprio! Die kommt ja überall vor … Mal gucken, wo noch …“

Schauspielerinnen und Schauspieler, die lange dieselbe Rolle gespielt haben, haben es ja mitunter schwer, aus deren Schatten zu trennen. Und mir scheint, noch schwerer ist es, wenn sie mit ihrer großen Rolle ein jüngeres Publikum ansprechen – das hat ja zudem Probleme, zwischen Rolle und echter Person zu trennen. Nach drei, bald vier «Bibi & Tina»-Filmen – gehst du da an «Vaiana» auch mit dem Gedanken heran: „So kann ich mich langsam von Bibi lösen!“
Klar. Ich werde schon ein bisschen gebrandmarkt durch die vier «Bibi & Tina»-Filme, und ich möchte gern zeigen, dass ich mehr kann als nur die aufgeweckte, junge Hexe. Wobei ich vom Publikum nicht so stark auf Bibi reduziert werde. Wenn ich auf der Straße angesprochen werde, dann differenzieren die Leute vielleicht so ab neun Jahren, dass ich nicht Bibi bin. Manchmal haben die Kids nicht sofort meinen wahren Namen parat, aber die sind immer voll nett: „Hey, du spielst doch Bibi … Du bist die …“ Und dann gehe ich auf sie zu: „Ja, hey, ich bin die Lina.“ Viele kennen mich aber durch meine eigene Musik eben doch als mich selbst. Nur die ganz jungen Mädchen kommen zu mir angerannt und glauben, ich sei wirklich Bibi. Und das kann ich denen nicht übel nehmen.

Wenn ich es richtig mitbekommen habe, war ursprünglich geplant, dass die «Bibi & Tina»-Reihe mit dem dritten Film endet?
Genau, eigentlich sollte nach drei Filmen Schluss sein. Aber dann hatte Detlev Buck aus politischen Gründen den dringenden Wunsch, sehr wohl noch einen vierten Teil zu drehen – der soll aber dann wirklich der letzte Film der Reihe sein. Und Detlev hat sozusagen zum Finale ein wirklich interessantes Drehbuch geschrieben, mit sehr vielen politischen Botschaften, die er kindgerecht vermittelt. Es wird ein Film gegen die Angst vor dem Fremden. Das ist ein schöner Abschied von der Reihe – nächstes Jahr werde ich ja schon 20, und dann muss ja auch mal Schluss sein. (lacht) Ich habe die Filme alle sehr gerne gemacht, und ich habe vieles durch sie gelernt, aber die junge Hexe kauft man mir sicher nicht mehr lange ab. (lacht)

Ich halte mich eigentlich für einen sehr lieben Menschen, aber gerade daher wäre es toll, mal in die Haut eines richtigen Biests zu schlüpfen.
Lina Larissa Strahl
Hast du eine Traumrolle, mit der du den nächsten Karriereschritt gehen willst?
Mal eine Schurkin spielen, wäre cool. Oder so eine gehörige Zicke. Ich halte mich eigentlich für einen sehr lieben Menschen, aber gerade daher wäre es toll, mal in die Haut eines richtigen Biests zu schlüpfen. Ich würde auch gern in einem Historienfilm mitspielen, das reizt mich sehr. Allein schon vom Produktionstechnischen her – der ganze Aufwand für Kostüme und Requisiten, und dass es ganz andere Themen sind als in Filmen über die Gegenwart. Und da mir «Vaiana» so toll gefallen hat, könnte ich mir auch vorstellen, mehr zu synchronisieren. Aber ich freue mich auch erstmal, wenn ich es nach der ganzen Promoarbeit zu «Bibi & Tina – Tohuwabohu total» vorübergehend ruhiger angehen kann – 2015/16 war doch viel zu voll, weshalb ich mich nicht genug um meine Freunde kümmern konnte.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

«Vaiana» ist ab dem 22. Dezember 2016 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
19.12.2016 17:52 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/90058