Das war 2016: Kam Amazon Netflix auf die Fersen?

Neben dem Streaming-Riesen Netflix versucht auch Amazon Wurzeln in der Video-on-Demand-Branche zu schlagen. Um Aufsehen zu erregen und der Konkurrenz zu zeigen, mit wem sie es zu tun hat, setzt Amazon ebenfalls auf Eigenproduktionen.

Seit Jahren setzt Amazon auf das neue Konzept der "Pilot"-Season: Das Unternehmen produziert zu Beginn nur eine Folge einer Serie. Anhand der Kundenbewertungen und dem Echo aus dem Netz kann Amazon dann die Spreu vom Weizen trennen und beliebte Sendungsformate weiterführen.

Mit «Mad Dogs» veröffentlichte Amazon am 4. März im Endeffekt eine alternative Version der erstmals 2011 erschienenen gleichnamigen auf BSkyB ausgestrahlten TV-Serie. In der zehn Folgen langen Miniserie dreht sich alles um vier College-Freunde, die durch eine Einladung in das wunderschöne Belize in eine Serie von Verbrechen verstrickt werden. Auch wenn die Serie zwischendurch etwas hängt, ist sie nicht schlecht - aber auch kein Überflieger.

Die zweite Staffel der Drama-Krimiserie «Bosch» wurde am 7. April veröffentlicht. «Bosch» basiert auf den Romanen des Autors Michael Connelly und erzählt die Geschichte eines L.A.P.D.-Detective im Morddezernat. Wer Krimis liebt, die besonders auf die Psychologie der Fälle eingehen, jedoch auf die ein oder andere actionreiche Szene mit Schusswechseln verzichten kann, der wird in «Bosch» eine Serie finden, die ihm gefällt.

Am 17. Juni veröffentlichte das US-Unternehmen die Pilotfolge von «The Interestings», die auf dem Roman des Autors Meg Wolitzer basiert. Die Serie soll das Leben und die Beziehungen einer Gruppe von Jugendlichen, in einem Zeitraum von 30 Jahren, darstellen. Kennengelernt haben sich die Freunde, voller Erwartungen in die Zukunft, auf einem Feriencamp für Künstler. Die Hauptzeitebenen der Serie sind die Jahre 1974 und 1995, aber zwischendurch werden auch andere Jahre angeschnitten. Wie sollte es auch anders sein: Zunächst gehen die Freunde durch gute Zeiten, dann fällt die Clique auseinander.

Ebenfalls am 17. Juni erschien «The Last Tycoon». Die Idee für den Pilot kommt ursprünglich von F. Scott Fitzgeralds letztem Roman. Zentrale Rolle spielt der Filmemacher Monroe Stahr, ein bekannter Name im Hollywood der 30er Jahre. Durch seinen großen Erfolg droht ihm jedoch der Kontrollverlust über sein Imperium. Er gerät in Konflikt mit seinem alten Mentor, was zu einer Feindschaft zwischen den beiden führt. Die damalige Welthauptstadt Berlin (bis zu 4,5 Millionen Einwohner) steht schon unter dem Nazi-Regime, weshalb der Import-Stopp der Filme Stahr unter Druck setzt. Da hat Monroes Film, über eine Frau die zusammen mit ihrem jüdischen Gatten zu Ruhm und Glück gelangt, nichts zu suchen.

Von «The Tick» gibt es seit dem 19. August eine Pilotfolge. In der Welt von Arthur Everest gehören Superhelden und deren Kämpfe zum Alltag. 1996 verlor der Buchhalter mit geistigen Problemen bei einem Kampf zwischen Superhelden und Superschurken seinen Vater. Nun glaubt er, dass dieser Held seine Heimatstadt in Besitz genommen hat. Mit dem Superhelden Tick schließt Everest ein Bündnis – aber gibt es diesen Mann wirklich oder bildet sich das der Buchhalter nur ein?

Am 23. September 2016 hat Amazon die dritte Staffel von «Transparent» veröffentlicht. Familie, Identität, Sex und Liebe sind zentrale Themen dieser Runde. In der aktuellen Staffel der Serie beginnen die Familienmitglieder zunehmend ihre eigenen Wege einzuschlagen, obwohl sie sich, durch die dunklen Seiten ihrer Familiengeschichte, eigentlich gegenseitig am Nächsten sind. Die Serie zeichnet sich durch tiefgründige Dialoge und liebevolles Storytelling ab. Bereits eine vierte Staffel wurde seitens Amazon angekündigt.

«Crisis in Six Scenes» wurde am 30. September erstmals in den USA ausgestrahlt. Der allseits bekannte Filmemacher Woody Allen versucht sich hierbei an einer Serie. Das sechs Folgen lange Werk ist zwar eine Serie, aber man kann das Format durchaus als einen langen Woody-Allen-Film sehen. Wir reisen zurück in die 60er Jahre: Vietnam, Hippies und eine Jugend, die sich gegen die spießige Elterngeneration auflehnt. Sid Munsinger (Woody Allen) und seine Frau Kay (Elaine May) führen ein geregeltes Leben, bis Lennie Dale (Miley Cyrus) auftaucht. Dale ist eine vom FBI gesuchte Vaterlandsverräterin, die Unterschlupf sucht. Kay ist begeistert von der Kommunistin, Sid aber denkt nur daran wie er, dadurch das er der Kommunistin hilft, im Gefängnis landet. Problem bei dieser Serie: zu lange Dialoge, und eine sehr konstruiert wirkende Situation.

Blieben in dem Jahr dann noch zwei große Starts – und die sollten für ordentlich Wirbel sorgen. «The Grand Tour» verblüffte zunächst mit einem wahnsinnigen Opener – und begeisterte Menschen in insgesamt 200 Ländern. Die Autoshow war die erste, die fast auf der ganzen Welt verfügbar war, erst Mitte Dezember launchte Amazon sein Video-Angebot dann in 200 Ländern. Die Kritiker waren von der Autoshow relativ angetan, nicht zuletzt, weil sich viel vom alten «Top Gear» darin wieder findet. Weil Amazon wohl mehr Geld für die Produktion zur Verfügung stellt, wirken die neuen Folgen sogar noch etwas epischer.

Und dann wäre da noch die Anwalts-Serie «Goliath», die nicht zuletzt deshalb für Aufsehen sorgte, weil kein Geringerer als David E. Kelley kreativ verantwortlich zeichnet. Die Serie erzählt von einem Top-Juristen, der allerdings mehr und mehr dem Suff verfallen ist. Mehrheitlich zeigten die Daumen der Kritiker nach oben; dabei würde das Format vor allem dann überzeugen, wenn es sich direkt um die komplexe Situation der Hauptfigur drehe.

Ist Amazon ein ernst zunehmender Konkurrent?
Obwohl Amazon in den vergangenen zwölf Monaten große Summen in die Eigenproduktionen investierte, konnte man an die Quantität und Qualität von Netflix nicht heranrücken. Das ehemalige DVD-Versandunternehmen feuert inzwischen Hits im Monatstakt ab. Im September kamen «Luke Cage», «Easy» und «Narcos» auf dem Markt, im Oktober folgten neue Folgen von «The Ranch» und seit November gibt es «The Crown» und «Gilmore Girls». Im Dezember gab es noch die zweite Runde von «Fuller House» zu sehen.

Und bei Amazon? Die Kritiken der meisten Serien sind recht mau. Das Großprojekt «Crisis in Six Screnes» wurde zum Rohrkrepierer und einen ähnlichen Hype wie «The Man in the High Castle» im vergangenen Jahr gab es zumindest im Fiction-Bereich nicht. Im Bereich der Lizenzfilme und -serien ist der Katalog das Shopping-Haus deutlich besser aufgestellt – wenn auch teilweise gegen Extra-Gebühren.
27.12.2016 13:36 Uhr  •  Kaj Schmidt Kurz-URL: qmde.de/90005