Ken Duken kämpft als Rächer der Enterbten des Berliner Kiez. Als Altenpfleger und Boxer wehrt er sich durch die gierige Gentrifizierung seines geliebten Traditionsviertels.
«Tempel» ist die erste eigenproduzierte Dramaserie von ZDFneo. Die Serie umfasst „nur“ sechs Episoden mit jeweils 30 Minuten. Autorin Connie Lubek hat bisher an der Spielfilm-Reihe «Einfach Rosa» und den Curd-Rock-Romanen «Anleitung zum Entlieben» sowie «Entlieben für Fortgeschrittene» geschrieben. Das Milieu-Gangsterdrama «Tempel» ist also ein signifikanter Richtungswechsel für sie. Und dieser gelingt ihr sogar relativ gut. Natürlich hat die ZDFneo-Serie auch soapige Elemente: Teenager-Tochter Juni ist von ihrem Freund schwanger und weiß nicht, wie ihre Zukunft aussehen kann. Sandra, die sich von ihrem Ehemann vernachlässigt fühlt, seit sie im Rollstuhl sitzt, bandelt mit Kiez-Kleincasanova Mehmet an. Und Mark Tempel selbst hat viel für eine Prostituierte übrig, mit der er des Öfteren zusammenarbeitet.
Ken Dukens physische Präsenz lassen ihn als Boxer überzeugend wirken. Gleichzeitig ist sein Spiel von Sensibilität geprägt, die für seine Rolle als Altenpfleger bestens geeignet ist. Die Serie ist dabei allerdings nicht frei von Boxer- und Milieu-Klischees, die sich vor allem gerne in dem Poser-Verhalten der Berliner-Gangsterszene widerspiegelt, so beispielsweise wenn ein „böser Oberboss“ mit fetten Auto und schicken Anzug Charles Darwin zitiert, um seine kriminellen Bauvorhaben zu rechtfertigen und sich dabei besonders schlau fühlt. Das gehört im Grunde zum Genre-Vokabular, muss allerdings auch von Darstellern entsprechend verkauft werden. Dies geschieht hier allerdings nur bedingt und ist oftmals schauspielerisch zu durchwachsen, um wirklich bedrohlich zu sein. Solche Unausgewogenheiten umschifft das Drehbuch allerdings mit treffenden, lakonischen und schwarzen Humor.
Gleichzeitig baut «Tempel» ein stimmiges und atmosphärisch dichtes Kiez-Bild auf, in der verschiedenste, bunte Charaktere aufeinandertreffen. Auch wenn die sozialen Probleme offensichtlich fiktional wirken, treffen sie dennoch den Nerv der Zeit. Hinzu kommt eine Sentimentalität, die vielleicht kitschig wirken kann, aber dennoch zum Genre passt und an vielen Stellen verdient und emotional ansprechend ist. «Tempel» ist die Geschichte der Außenseiter, Underdogs, Ausgestoßenen, Rocker, Prostituierten und Kleinkriminelle, die sich gegen… naja, größere Kriminelle wehren, was in seiner Sentimentalität irgendwie schon wieder niedlich, aber auch reizvoll ist. Trotz dieser Mankos - die eigentlich keine wirklichen Mankos sind, wenn man dieser Art von Unterhaltung offen gegenüber tritt - ist die Serie atmosphärisch dicht inszeniert. Philipp Leinemann, der bei den sechs Episoden Regie geführt hat, besitzt ein talentiertes und solides, fachmännisches Händchen für diese Art der Inszenierung, kann sowohl emotionale Szenen als auch Actionszenen (nicht immer im deutschen Fernsehen oder sogar im Kino gegeben) dramatisch und spannend darstellen. Die für eine Dramaserie ungewöhnlich kurzen Episoden, die jeweils im Doppelpack gezeigt werden, sorgen für eine spannende, kurzweilige und dichte Erzählung.