Der neue Polizeiruf versucht den 70er Jahre- Verschwörungsthriller wieder auferstehen zu lassen und ist damit zumindest teilweise sogar erfolgreich.
Da arbeitet nämlich Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt), der sie einst verhaftet und im Zeugenstand gegen sie ausgesagt hat. Zwar stellt sie ihn zunächst lautstark zur Rede, aber wie sich letztendlich herausstellt, hat sie alles andere als Rache im Sinn: Seit ihrer nicht sehr klug kalkulierten Aussage über Steuerhinterzieher und deren Verschwörungsnetzwerk im Fernsehen, fühlt sich Frau Wendt von allem und jedem verfolgt. Einzig und allein Meuffels traut sie noch über den Weg. Der Kommissar versucht die scheinbar unter Verfolgungswahn leidende zu beruhigen und ist zunächst wenig von ihrer Geschichte überzeugt. Erst nachdem er mit ansehen muss, wie sie bei einem vermeintlichen Unfall tödlich verletzt wird, kommt bei ihm der Verdacht auf, dass an der ganzen Sache doch etwas faul sein könnte. Meuffels nimmt die Ermittlungen auf, jedoch gegen den Willen seiner Kollegen und Vorgesetzten, die für ihn auf dem Weg zur Wahrheit sogar noch mehr Hürden aufzustellen scheinen. Es dauert nicht lange, bis auch er in Paranoia abdriftet.
Das amerikanische Kino der 70er Jahre wird gerne als ein goldenes Zeitalter gesehen. Das liegt zum einem daran, dass Meisterregisseure wie Steven Spielberg, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Sidney Lumet u.v.m. ihre Anfänge zu dieser Zeit fanden und große kritische sowie kommerzielle Erfolge feierten. Zum anderem war das Kino nach dem Mordanschlag auf Präsident Kennedy, dem Vietnam-Krieg und der Watergate-Affäre eines, das Geheimdiensten, Regierungsinstitutionen und der Gesellschaft allgemein extrem misstrauisch und kritisch gegenüber stand. So musste Al Pacino in «Serpico» in den eigenen Reihen ermitteln, Robert Redford floh in «Die drei Tage des Condors» vor seinen eigenen CIA-Arbeitgebern, außerdem deckte Redford mit Dustin Hoffman als Journalisten-Duo Bob Woodward und Carl Bernstein in «Die Unbestechlichen» die Watergate-Affäre auf.
In die gleiche Kerbe möchte scheinbar dieser neue «Polizeiruf 110: Sumpfgebiete» schlagen. Die Drehbuchautoren Holger Karsten Schmidt und Volker Einrauch sowie die Regisseurin Hermine Huntgeburth orientieren sich sehr deutlich an diesem Kino, ohne sich dabei zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Insbesondere Francis Ford Coppolas «Der Dialog», in dem ein Abhörspezialist selbst in einen Strudel aus Paranoia abdriftet, scheint hier Pate zu stehen. Nichts anderes passiert nämlich unserem Kommissar Meuffels, der sich im Verlauf der Handlung sogar von seinen eigenen Kollegen verfolgt sieht. Der Beobachter wird zum Beobachteten - Ein Motiv, das sich durch den Plot des gesamten Krimi zieht, allerdings letztendlich in seinen philosophischen, absurden Dimensionen und Implikationen kaum erforscht wird und einem recht konventionellem Verschwörungsplot weichen muss.
Dieser ist durchaus effektiv und unterhaltsam inszeniert, wenn auch gelegentlich etwas vorhersehbar. Ohne großes Tamtam kann Regisseurin Huntgeburth kleine Spannungsmomenten erzeugen: So direkt zu Beginn, wenn Meuffels mit seinen Münchener Kollegen die Wohnung eines Verdächtigen verwanzen muss und dieser gerade im Begriff ist, nach Hause zu kommen. Das ist zwar nicht spektakulär, aber man kann auch ganz unspektakulär Spannung erzeugen. Regisseurin Huntgeburth und Kameramann Diethard Prengel präsentieren - ebenfalls dem 70er Jahre Thriller angemessen - ihren Film in verwaschenen, herbstlichen Bildern, die Handlung wird mit einem stimmungsvollen und zurückhaltendem jazzigen Soundtrack von Christine Aufderhaar unterlegt.