Die USA sind jetzt auch Papst. Zumindest im Serienformat. Das kommt allerdings weniger anmaßend daher als man glauben sollte, denn «The Young Pope» ist ein satirisch-kritischer, aber auch schön-poetischer Blick auf den Vatikan.
Schon die internationale Blutinfusion sorgt für sehr viel Frische in dieser Serienlandschaft. Elke Walthelm, Programmchefin von Sky Deutschland, zeigt sich jedenfalls zuversichtlich, was das Projekt angeht: „Wir sind stolz darauf «The Young Pope», die erste von Oscar-Preisträger Paulo Sorrentino geschaffene und inszenierte Serie auf Sky zu präsentieren. Top besetzt mit Jude Law, Diane Keaton und vielen anderen europäischen Stars markiert sie einen von vielen bald folgenden Meilensteinen der exklusiven Eigenproduktionen von Sky.“ Sollten diese mit ähnlichen Ambitionen auf den Spuren des jungen Papstes wandeln, darf der gewillte Zuschauer auf eine interessante Zukunft gespannt sein.
Skeptiker und Feinde scheinen sich schon in diesen frühen Tagen seines Amtes zu bilden. An vorderster Front dieser Antagonisten steht Kardinal Voiello (Silvio Orlando), der ständig mit drei Handys unterwegs ist und unkeusche Gedanken einer Statue gegenüber hegt. Dieser sieht vor allem seine eigene Vision für die katholische Kirche und für den Vatikan in Gefahr. Lenny ist aber nicht nur der jüngste Papst in der Kirchengeschichte, er ist auch der erste Amerikaner, der das hohe Kirchenamt bekleidet. Leichen finden sich dennoch in seinem Keller, allerdings ist eine davon noch quicklebendig: Lennys ehemaliger Mentor, Kardinal Michael Spencer (James Cromwell) fühlt sich von seinem einstigen Protegé um sein Lebenswerk betrogen, denn er hatte selbst Ambitionen, Papst zu werden.
Der Unterschied: Regisseure wie Kubrick und Schriftsteller wie Salinger verabscheuten das Licht der Öffentlichkeit. Lenny möchte jedoch Anonymität als Branding nutzen, um seinen eigenen Narzissmus zu pflegen. Jude Law ist im Grunde genau der Richtige, um diese Art Machtgier, Eitelkeit, aber auch Verletzlichkeit und offensichtliche Unsicherheit zu transportieren. Es ist eine Performance und eine Figur voller Widersprüche. Papst Pius XIII. bleibt für den fiktionalen Vatikan, der hier präsentiert wird, für seine Gefolgschaft und den Zuschauer undurchschaubar. Einige Aspekte seiner Persönlichkeit sind durchaus reizvoll: Seine Jugendlichkeit, seine Aversion gegen die Prominenz, die das Papstamt mit sich bringt, seine Punk Rock-Attitüde, wenn es um kirchliche Bürokratie geht. Andere Charakteristika sind wiederum besorgniserregend: Seine Abneigung gegen freundschaftliche Kontakte und menschliche Nähe, seine Homophobie und sein schier unstillbarer Ehrgeiz. Eigenschaften, die ihn gelegentlich mehr wie einen Diktator aussehen lassen als wie ein liebevoller Kirchenvater. Leicht zu durchschauen ist die Figur wahrlich nicht. Aber gerade das macht sie so reizvoll
Das spiegelt sich auch in der Inszenierungsweise wieder: «The Young Pope» ist eine Serie, die langsam erzählt ist, poetisch anmutet, durch ruhige Dialoge, aber auch viel Wortwitz geprägt ist. Szenen, die fast widersprüchlich inszeniert scheinen, wenn kunstvolle Kamerafahrten, Musik und Einstellungen gelegentlich willkürlich, aber gleichzeitig gezielt eingestreut wirken. Man muss solche Dinge genießen können, oder zumindest bereit dafür sein, um Gefallen an der Serie zu finden. Das Drama mag stellenweise sogar mit Symbolismus überladen wirken, wer aber Sorrentinos Arbeit kennt, weiß, dass er so etwas nicht ohne Intention oder Ironie einsetzt. Er ist jemand, der eine klare Vision für seine Arbeit hat und der weiß, was er ausdrücken möchte, auch wenn der Zuschauer es manchmal nicht weiß. In dieser Hinsicht ist «The Young Pope» sogar noch zugänglicher und Plot-lastiger als seine anderen Werke, Protagonist (vielleicht sogar Antiheld) und Antagonisten sind klarer definiert. Trotzdem wird es zunächst schwer fallen eine klare Handlungsstruktur herauszukristallisieren. Aber das macht die Arbeit des italienischen Regisseurs in einer amerikanischen, deutschen und französischen Produktion umso interessanter.
Schon «La Grande Bellezza - Die große Schönheit» und «Ewige Jugend» warteten mit Figuren auf, die über Leben, Liebe, Kunst, Schönheit, Alter und Jugend philosophierten, gekleidet in wunderschöne Bilder. Nicht unbedingt ein Stoff für die breite Masse, die «Game of Thrones» regelmäßig liefert, aber dennoch ein interessantes Zusammentreffen eines gefeierten Arthouse-Regisseurs und einem TV-Sender, der immer wieder versucht, einen Mittelweg zwischen Kunst und Publikumserfolg zu finden und dabei erfreulicherweise den deutschen Sender Sky an die Hand nimmt.