Mit Amy Schumer bekommen alle ihr Fett weg

Amy Schumer ist teil einer neuen weiblichen Comedy-Generation. Mit dem Film «Trainwreck» konnte sie internationale Erfolge feiern und mit «Inside Amy Schumer» kreiert sie regelmäßig virale Hits.

Sie ist sicher nicht die erste Komödiantin, die sich offen mit Sexualität bzw. Promiskuität, Alkoholkonsum und Partys, mit ihren eigenen Körpermaßen, die eben nicht Modelmaßen entsprechen, und einer gewissen Misogynie in der Gesellschaft und vor allem auch in der Mediengesellschaft beschäftigt. Und sie wird sicher nicht die Letzte sein. Tatsächlich handelt sich bei Amy Schumer um einen Teil einer neuen, weiblichen Comedy-Generation, die auf den Spuren von Darstellerinnen wie Goldie Horn, Carol Burnett und Lucille Ball (die sie alle als ihre Haupteinflüsse nennt), und Komödiantinnen wie Joanne Rivers wandelt. Frauen, die nicht nur darauf achteten, eine Rolle zu besetzen, sondern sich auch als Autorinnen und Produzentinnen hart ihre eigenen Nischen schufen und erkämpften. Für alle Fans der Comedy Ikone der 70er und 80er Jahre Goldie Hawn: Schumer arbeitet mit ihr momentan an einer neuen Komödie.

Eine weibliche Comedy-Generation betritt die Bühne des 21. Jahrhundert


Was diese Frauen in den letzten 40 bis 50 Jahren nur vereinzelt im Film- und Fernsehgeschäft geschafft haben, passiert seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts immer häufiger: Tina Fey, Amy Poehler, Kirsten Wiig, Sarah Silverman oder Mindy Kaling sind Comedy-Damen, die als Autorinnen und Produzentinnen, Darstellerinnen und Stand Up-Komödiantinnen, verschiedene Aspekte des Comedy-Bereichs bedienen. Tina Fey nahm mit «30 Rock» das Biotop-Sketch-Comedy und das Zusammenspiel zwischen Corporate America und Medienpolitik aufs Korn und zeigt nun mit «Unbreakable Kimmy Schmidt» ein buntes und vielfältiges New York aus dem Blickwinkel einer unerbittlich optimistischen Hauptfigur. Amy Poehler, zusammen mit Tina Fey eine «Saturday Night Live»-Veteranin, konnte mit «Parks and Recreation» ebenso eine Comedy produzieren, die absolut frei von jeglichen Zynismus ist, aber dennoch unglaublich witzig und spaßig daher kommt. Sarah Silverman wird als Komödiantin gern in eine schmutzige Ecke gestellt, weil sie schmutzige Worte benutzt. Dennoch steckt viel Kluges und Subversives hinter ihrer Comedy und mittlerweile konnte sie sich eine erfolgreiche Schauspielkarriere vor allem im Indie-Film-Bereich aufbauen. Chelsea Handler gewann viel Aufmerksamkeit mit «Chelsea Lately» und moderiert mittlerweile die erste Netflix-Show im Late Night-Bereich namens «Chelsea». Samantha Bea, ehemals Korrespondentin bei «The Daily Show», darf sich nun mit ihrer eigenen Sendung namens «Full Frontal» bei TBS mit scharfzüngiger Politsatire austoben. Und das ist nur die Spitze des Eisberges.

Komödienhit «Dating Queen»

Die Komödie, die Amy Schumer selbst schrieb und bei der Erfolgsregisseur Judd Apatow Regie führte, war 2015 mit einem geschätzten Budget von etwa 30 Millionen Dollar und einem Einspielergebnis von etwa 110 Millionen Dollar ein durchaus veritabler Komödienerfolg. Auch die Kritiker konnte die ungewöhnliche Liebeskomödie weitestgehend überzeugen. Der Film bekam eine eine Golden Globe - Nominierung in der Kategorie beste Comedy or Musical und Amy Schumer selbst wurde in der Kategorie beste Schauspieler in einer Komödie nominiert.
Amy Schumer betritt damit einen Pfad, den schon andere sehr prominente Comedy-Darstellerinnen, -Autorinnen und -Produzentinnen geebnet haben, und hilft mit, diesen zu einer Straße und in Folgejahren vielleicht sogar zu einer Autobahn auszubauen. Einfach einordnen kann man sie jedenfalls nicht. Aber warum sollte man auch. Nicht jede Komödiantin hat nur eine Nische zu erfüllen, was natürlich eine Beschreibung in einem Artikel umso schwieriger macht. Im Film «Dating Queen», der sie auch international bekannt machen sollte, spielt sie die Journalistin eines oberflächlichen Magazins, die gerne trinkt, Partys feiert und mit vielen Männern schläft, aber ich nicht clever genug ist, um zu wissen, was „Ärzte ohne Grenzen“ ist. In der typisch, etwas konservativ angehauchten Welt eines Judd Apatow ist das kein Lebensstil, den man über lange Zeit aufrecht erhalten sollte. So verliebt sie sich in einen gutherzigen Sportler-Arzt und bringt ihr Leben wieder in Ordnung. Das ist im Grunde eine knuffige Geschlechter-Rollenumkehr, doch obwohl Schumer auch das Drehbuch geschrieben, fasst der Film schwerlich ihre humoristische Persönlichkeit zusammen.

Tragödie plus Zeit ergeben erste Schritte auf der Stand Up Bühne


Sie ist kein "Über Nacht"-Erfolg, der aus einem Vakuum entstanden ist. Geboren wurde die Komödiantin in Manhattan, New York. Ihre Eltern, Sarah und Gordon Schumer besaßen ein Geschäft für Babymöbel. Ihre jüngere Schwester Kim, selbst Autorin und Produzentin, ist Amys langjährige Kollaborateurin. Ihr Bruder Jason Stein ist ein Chicagoer Musiker. Der demokratische Senator Chuck Schumer ist ein Cousin zweiten Grades ihres Vaters. Ein gewisser Hang zu künstlerischen und prominenten Unternehmungen scheint in der Familie Schumer also verankert zu sein. Tragik war allerdings auch nicht weit entfernt. Zwar war ihr Vater mit seinem Geschäft extrem erfolgreich, ging aber bankrott. Später wurde er mit "Multiple Sklerose" diagnostiziert, als Amy selbst gerade neun Jahre alt war. Drei Jahre später ließen sich die Eltern scheiden. Komödie und Tragödie sind selten weit voneinander entfernt beziehungsweise kann Tragödie und Schmerz auch ein wahrhaftiger Ausgangspunkt für Komödie sein. Zunächst sollte aber eine schauspielerische Ausbildung an der Towson Universität außerhalb von Baltimore kommen, wo sie Theater studierte. Eine kleine Rolle als Teenager mit Brustkrebs in einem Off-Broadway Stück folgte.

Ihren ersten Auftritt als Stand-Up-Comedian hatte sie 2003 mit 22 im "Old Gotham Comedy Club" in New York City. Blut wurde geleckt und es folgten die üblichen Stationen: Elf Jahre quer durch das Land touren und verschiedene Comedy-Clubs im ganzen Land abgrasen. Gastauftritte in Sendungen wie «30 Rock», «Curb Your Enthusiasm» und «Girls». Es ist aber auch so etwas wie eine Faustregel in amerikanischen Stand Up-Kreisen, dass man ungefähr zehn Jahre Übung und Erfahrung benötigt, um ein wirklich guter Comedian zu werden. 10 Jahre voller kleinerer und größerer Clubs, Fünf-Minuten-Auftritten, gelegentlich auch länger. Hinzu kommen auch gern mal Auftritte, die von Comedy Clubs abgesagt werden. Insbesondere zu Beginn jeder Karriere steht oftmals der Alptraum eines jeden Komikers, nämlich ein Publikum, das nicht lachen möchte. Wer das alles durchsteht und sich anschließend noch immer nicht von der Bühne fern halten kann, hat vielen Leuten schon einen Schritt voraus. Allerdings heißt, ein guter Stand-Up zu sein, nicht automatisch, dass man auch kommerziell erfolgreich ist. Für manche Komiker klappt es, für viele Komiker klappt es nicht. Für Schumer hat es geklappt. An welchen Punkt das genau geschehen ist, ist schwer abzuschätzen. Deutlich ist aber (vielleicht nicht für alle, die ihre Comedy nicht mögen), dass Schumer Talent besitzt und hart für ihre Karriere gearbeitet hat.

Volle Persönlichkeits-Entfaltung in Comedy Centrals «Inside Amy Schumer»


Vor allem scheint es aber mit ihrer eigenen Comedy Central Show «Inside Amy Schumer» zusammenzuhängen. Denn tatsächlich handelt es sich um eine Sendung, die wohl am besten die Facetten ihrer Persönlichkeit einfängt und zwischen hyperbolischer Sketch-Comedy und Interview-Sequenzen hin- und her wechselt. Beim Letzteren handelt es sich um ein Segment namens „Amy goes deep“ wo sie sich mal mit einer 106-jährige Dame unterhält, dann mit einem Mädchen mit Down Syndrom, mit einem Ex-Polizisten oder mit einem Herrn mit einem sehr großen Penis. Wer Interviews kennt, die von Komödianten geführt werden, sei es von Jon Stewart oder Marc Maron bei seinem Podcast, weiß, dass diese selten Berührungsängste haben und sich oft durch überraschend tiefer gehenden Einsichten, aber auch viel Humor auszeichnen. Charakteristika, die auch Amy Schumer in ihren besten Momenten mit sich bringt.

Kritikerliebling und Preise-Abräumer «Inside Amy Schumer»

Neben Kritikern und einem Nischenpublikum bei Comedy Central lieben auch die Fernseh- und Comedy-Jurys die freche Sketch-Comedy: «Inside Amy Schumer» konnte schon in verschiedensten Kategorien diverse Prime Time Emmys einkassieren. Außerdem gewann die Sendung im letzten Jahr den prestigeträchtigen Peabody Award.
Trotz guten bis sehr guten Kritiken fallen die Quoten ihrer Show ständig und lagen in den letzten Jahren zwischen durchschnittlich 500.000 bis zu einer Millionen Zuschauer. Der Dreh- und Angelpunkt sind die Sketche. Und viele von diesen werden zu viralen Videos, die immerhin viel mehr Zuschauer erreichen, wie es bei Late-Night- und Sketch Comedy-Sendungen heutzutage oftmals der Fall ist. Besonders erfolgreich in dieser Hinsicht war ein Sketch, in dem Amy Schumer, Tina Fey, Patricia Arquette die Tatsache feiern, dass Julia Lois Dreyfus den letzten Tag hinter sich hat, an dem sie in den Augen der medialen Öffentlichkeit noch begehrenswert ist. „Fuckable“ ist das unfeine Wort, das in diesem Zusammenhang immer wieder fällt. In einem anderen viralen Sketch singt eine Boyband ein Ständchen über innere Schönheit, die kein Make-Up benötigt. Als Amy Schumer sich jedoch abschminkt, stellt besagte Band jedoch fest, dass besagte innere Schönheit doch nicht so viel zählt. Folglich können sie die Komödiantin gar nicht schnell genug wieder mit Make-Up zukleistern. Bei der besonders legendären dritten Episode der dritten Staffel handelt es sich um eine Parodie des Klassikers «Die zwölf Geschworenen». Hier diskutieren Schauspieler wie Jeff Goldblum, Paul Giamatti und Komödianten wie Kumail Nanjiani angestrengt, ob Schumer noch attraktiv genug fürs TV ist. Alles konsequent in Schwarz-Weiß gehalten.

Ja, es geht oftmals um ein bestimmtes Frauenbild in den Medien aus einer weiblichen Perspektive. Und auch wenn nicht alle Gags ein Treffer sind, die Konzepte sind immer hochinteressant, was weitaus mehr ist, als viele andere Sketchshows von sich behaupten können. Schumer teilt allerdings nicht nur in eine Richtung aus: In einem anderem Sketch spielt Schumer eine Schauspielerin, die sich in einer Late-Night-Show sexuell suggestiv auf einem Sessel rekelt, mit dem Moderator flirtet und alles brühwarm auftischt, was ihr Publikum hören möchte. Eigentlich sei sie ganz auf dem Teppich geblieben und in Wirklichkeit ein Nerd. Zwei Publikumsgäste fühlen sich so sehr davon angesprochen, dass die Erleichterung und Glückseligkeit auf dem Fuße folgt, und zwar auf möglichst derbe Art und Weise. Ihre Comedy beschreibt Ansprüche, die Männer an Frauen haben, aber auch Frauen an Männer: In der Parodie der 80er Jahre Komödie «L.I.S.A. - Der helle Wahnsinn» (Originaltitel: «Weird Science») wollen sich drei Frauen - Amy Schumer selbst und die Schauspielerinnen Amber Tamblyn, America Ferrera - ihren Traummann an einem Computer erschaffen. Sie richten so viele widersprüchliche Wünsche an das Gerät, so dass letztendlich eine grotesk-entstellte Matschfigur dabei herauskommt, die kaum überlebensfähig ist.

Aber auch die Fan-Kultur bekommt ihr Fett weg: Amy Schumer gespielt von Amy Schumer möchte sich einen Kaffee bestellen. Einer ihrer Fans tritt an sie heran und möchte ein Foto mit ihr machen. Schumer lehnt höflich ab, der Fan ist sofort eingeschnappt. Schumer möchte niemanden verletzen, erlaubt das Foto doch schließlich. Immer mehr Menschen und Fans kommen auf sie zu, wollen persönliche Nachrichten für ihre Handy-Mailbox aufzeichnen, eine Dame möchte sogar ein Stück von Schumers Bein abbeißen. Sicher, es lässt sich leicht bei so etwas sagen: "Hey! Sie hätte ja keine berühmte Komödiantin werden müssen, wenn Sie solche Dinge nicht vertragen kann!" Dennoch helfen diese Sketche, neue Perspektiven einzunehmen. Sogenannte Prominente sind sicherlich narzisstisch veranlagt wie jeder andere Mensch auch, vielleicht sogar noch mehr. Aber sie sind trotzdem keine Spielpuppen oder Actionfiguren.

«Inside Amy Schumer» ist sogar ziemlich großartig darin, diese gesellschaftlichen und promi-kulturellen Widersprüche im Social-Media-Zeitalter immer wieder aufs Neue zu erforschen. Denn Comedy, zumindest gute Comedy, darf und soll durchaus doof und witzig sein, kann aber auch unseren Alltag und gesellschaftliche Konstruktionen dekonstruieren. Es gibt viele, die das an Amy Schumer mögen, sowohl Männer als auch Frauen. Es gibt viele, die das nicht mögen, sowohl Männer als auch Frauen. Und das ist okay. Denn nur die langweiligsten Comedians sind universell beliebt.

Comedy Central Deutschland strahlt «Inside Amy Schumer» ab dem 16. Oktober immer sonntags um 22 Uhr aus.
13.10.2016 13:00 Uhr  •  Stefan Turiak Kurz-URL: qmde.de/88699