«Crisis in Six Scenes»: Woody Allens kommunistisches Manifest

Die erste Serie des großen Filmemachers Woody Allen, und dann auch noch das Thema Kommunismus. Ob das gutgeht, erfahrt ihr in unserem Review.

Cast & Crew

  • Darsteller: Woody Allen, Miley Cyrus, Elaine May, Rachel Brosnahan, John Magaro
  • Drehbuch, Regie, Idee: Woody Allen
  • Produzentin: Helen Robin
  • Produktion: Amazon Studios
Zuerst einmal wird auf die Uhr geguckt: Rund 140 Minuten dauert «Crisis in Six Scenes», rechnet man alle sechs Folgen der neuen Woody-Allen-Serie zusammen. Das sind 40 bis 50 Minuten mehr als der Regie-Altmeister üblicherweise für seine Kinofilme ansetzt. Woody Allen ist einer der wenigen Filmemacher, die noch auf prägnant erzählte Geschichten setzen können: Man erlaubt es sich, auch mal nur 90 Minuten zu erzählen.

«Crisis in Six Scenes» kann man durchaus als Film sehen, eigentlich nur aufgeteilt in sechs Kapitel. Würden sie zusammengefügt, würde es niemand merken. Insofern sprechen wir also von einem sehr langen Woody-Allen-Film. Und das wiederum merkt man leider an vielen Szenen, in vielen Dialogen, durch viele langatmige Sequenzen. 40 Minuten weniger hätten der Amazon-Serie gutgetan. Sie ist nicht Allens bestes Werk, noch nicht mal eines der guten. Was vielleicht daran liegen kann, dass Allen aus seiner Idee eigentlich gar keine Serie machen wollte. Hat er auch nicht, irgendwie. Aber dafür eben einen zu langen Film.

Die Serie spielt in den 60er Jahren, zur Zeit der Hippies und der revoltierenden Jugend in den USA. Vietnam wird zum Horror des amerikanischen Militärs. Wir lernen Sid Munsinger (Woody Allen) kennen, einen semi-erfolgreichen Autor semi-philosophischer Novellen, die so schlecht sind, dass selbst sein Frisör ihn kritisiert. Aber Munsinger kann von den Einnahmen leben, recht gut sogar. Seine Frau Kay (Elaine May) verdient sich etwas als Haustherapeutin dazu, oder vielmehr als stille Zuhörerin. Denn viel mehr als küchenpsychologische Ratschläge gibt sie ihren Patienten nicht auf den Weg. Das beschauliche Leben der Munsingers ändert sich, als eines Nachts Lennie Dale (Miley Cyrus) in ihr Haus einbricht.

Dale ist eine vom FBI gesuchte Vaterlandsverräterin, die Unterschlupf sucht. Und während Sid sein geregeltes Leben durch die überzeugte Kommunistin in Gefahr sieht, ist Kay begeistert von den neuen Einsichten Lennies, die schließlich einziehen darf – vorübergehend natürlich nur. Doch der Aufenthalt dauert immer länger. Während Kay immer mehr in die Theorien von Marx und Lenin eintaucht und zu einer Wohlfühl-Kommunistin wird, gerät Sid immer paranoider: In jedem Diner und bei jeder Autofahrt vermutet er Undercover-Agenten und Mikrofone, die ihn ins Gefängnis bringen sollen.

Diese komödiantische Prämisse wird in der Serie kaum gut ausgespielt, selten regen die Szenen zum Schmunzeln an. Dies mag daran liegen, dass die Konstellation Woody Allen-Miley Cyrus zu konstruiert und blödsinnig wirkt, um authentisch zu sein. Dies mag am Drehbuch liegen, das zu ausufernd wirkt und jede gute Idee in einem Dialogschwall erstickt. Stichwort Filmlänge. Eine Episode von «Crisis in Six Scenes» spielt zehn Minuten lang im Schlafzimmer der Munsingers, die darüber diskutieren, ob nun im Haus jemand eingebrochen sei oder nicht.

Oft wirken Dialoge in Woody-Allen-Filmen intelligent und spitzfindig, oft regen sie zum Nachdenken an. Daraus ziehen die Meisterwerke des Regisseurs einen Teil ihrer Kraft. Hier fehlt all das. Die Gespräche wirken beliebig, weil es die Themen teilweise sind. Das eigentlich tiefgreifende Thema des Systems, in dem wir leben wollen, wird nur oberflächlich abgekanzelt. Eine böse Bemerkung von Lennie hier, ein Mao-Zitat da.

«Crisis in Six Scenes» war ein Experiment für Woody Allen, der noch nie zuvor Serien gemacht hat. Das Experiment ist gescheitert.
02.10.2016 16:15 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/88462