Christian Richter erinnert an all die Fernsehmomente, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 323: «Celebrity Deathmatch hits Germany» - Die teuerste und brutalste Sendung von MTV, in der die größten deutschen Stars elendig verreckten.
«Celebrity Deathmatch hits Germany» wurde am 21. Juni 2001 auf MTV geboren und bildete die deutsche Variante der beliebten amerikanischen Serie, die in ihrem Heimatland bereits seit 1998 für viel Aufsehen gesorgt hatte. Schließlich traten darin Prominente in einem Boxring zu einem unerbittlichen und brutalen Kampf an, bei dem die abgerissenen Körperteile nur so umher flogen und das Blut literweise spritzte. Möglich war dies, weil in den Sequenzen die Stars nicht selbst, sondern ihre Abbilder als animierte Knetfiguren aufeinander losgingen.
Schon ein Jahr nach ihrer US-Premiere fanden die Knet-Animationen ihren Weg nach Deutschland, wo sie mit Untertiteln versehen am späten Abend bei MTV Germany zu sehen waren und sich ebenfalls in kürzester Zeit großer Beliebtheit erfreuten. Das war insofern wichtig, als dass sich der Kanal seit Jahren einen vergleichbar erbarmungslosen Zweikampf mit dem Konkurrenten Viva, um die Vorherrschaft auf dem deutschen Musikfernsehmarkt lieferte und schon seit Jahren stetig unterlag. Um auch in Deutschland endlich die weltweite Führung durchzusetzen, ordnete die damalige Geschäftsführerin Christiane zu Salm eine stärkere Orientierung des Programms am deutschen Markt an sowie eine Fokussierung auf ein reiferes Publikum, für das Viva zu bunt und flippig war.
Aus beiden parallelen Entwicklungen wuchs dann die naheliegende Idee, dass das deutsche MTV ein eigenes «Celebrity Deathmatch» brauche, in dem anstelle amerikanischer Promis heimische Stars gegeneinander kämpfen würden. Dafür holte man sich vom Mutterkonzern die offizielle Erlaubnis für die erste lokale Adaption des Konzepts und bezog sogar die Puppen aus den Original-Studios, die diese zuvor anhand von zugesandten Foto und Videomaterial modelliert hatten. Mit der Umsetzung dieses ambitionierten Vorhabens wurde das Stuttgarter Unternehmen „Film Bilder“ von Andy Kaiser beauftragt, der zugleich die Rolle des Regisseurs übernahm. Dort traf man in Abstimmung mit den Verantwortlichen von MTV ebenso die Entscheidung, welche deutschen Personen für die blutigen Schlachten geeignet waren. "Es sind Stars, die wir ausnahmslos sympathisch finden, die gut ins MTV-Programm passen und von denen wir sicher sein konnten, dass sie auch nach der einjährigen Produktionszeit noch wichtig sind", erklärte dazu Elmar Giglinger, Programmchef von MTV Deutschland, im Tagesspiegel. Letztlich fiel die Wahl unter anderem auf folgende Konstellationen:
Um jeglichen juristischen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, versicherte Giglinger vorab, dass es in den Auseinandersetzungen „keine Tiefschläge geben“ werde. Stattdessen wären sie als ironische Überspitzungen zu verstehen, weswegen die Duellanten auch mit den typischen Waffen ihrer Branche antreten würden. Dementsprechend ließ der DJ Sven Väth einen Bombenhagel aus Ecstasy-Pillen auf Westbam niederregnen, zerquetschte Harald Schmidt seinen Widersacher Stefan Raab mit seinem großen Gehirn, schlug Harald Juhnke auf Udo Lindenberg mit einer Schnapsflasche ein, bekam Xavier Naidoo sein Weihrauchfass von Thomas D in den Hals gesteckt und überfuhr Michael Schumacher seinen Gegner mit einem dornenbestückten Go-Kart. Wo also das amerikanische Original trotz seiner Derbheit mit unterschwelligem Humor glänzte, suhlte sich der deutsche Abklatsch in den plattesten und abgedroschensten Klischees.
Dass sich Sabrina Setlur und Anke Engelke wiederum keifend in einem großen Schlammbad raufen mussten und sich gegenseitig ihre Brüste abrissen, hatte wenig mit ihren jeweiligen Persönlichkeiten zu tun, als vielmehr mit der schlichten Tatsache, dass sie die einzigen Frauen im deutschen Feld waren. Zu diesem Sexismus passte ebenso die Ankündigung des Kommentators: „Die beiden Kontrahentinnen wollen beweisen, was Wissenschaftler für unmöglich halten, dass schöne Frauen Qualität liefern können.“ Im Umkehrschluss nahm das Team während der Dreharbeiten aus Angst vor Fanprotesten Abstand von der ursprünglich geplanten Kastration von Campino und verpasst ihm deshalb doch keine buchstäbliche tote Hose. So kann Emanzipation auch verstanden werden.
Zu dieser schwachen Qualität trugen zusätzlich ein paar Änderungen am Format bei, die aus finanziellen und organisatorischen Gründen nötig waren. Dazu gehörte zuerst der Austausch des kultigen Kommentatoren-Duos Johnny Gomez und Nick Diamond durch den blassen Harry Huber, der anscheinend weniger amerikanisch und mehr deutschtümelnd wirken sollte. Fataler erwies sich die Entscheidung, die Begegnungen auf anderthalb Minuten zu verkürzen, wodurch es überhaupt nicht möglich war, eine halbwegs sinnvolle Dramaturgie aufzubauen. Zum Vergleich, in der Vorlage dauerten die Kämpfe in der Regel sieben Minuten.
Angesichts dieses Aufwands war es nötig, dass die Show möglichst viel Aufmerksamkeit in der Presse erzeugte. Wohl deshalb entschied man sich neben all den Film-, Fernseh- und Musikstars mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer auch zwei amtierende Politiker gegeneinander antreten zu lassen. Auf diese Weise konnte man sich abseits der Jugendpresse einiger Berichte gewiss sein, gab es doch zwei Jahre zuvor bereits eine breite öffentliche Diskussion, um den Auftritt einer Handpuppe in der Gestalt von Schröder in der Erotikshow «Peep!». Diese war mit Brustpiercings und Sado-Maso-Klamotten versehen, berichtete über das angebliche Sexleben des Kanzlers und brachte dadurch die müßige Frage nach der Grenze von Satire erneut auf. Und davor sorgte die RTL-Serie «Wie war ich, Doris?» für einen ähnlichen Rummel, in der Gerhard Schröders Ehe-Alltag zum Gegenstand einer Sitcom erhoben wurde.
Der erhoffte Impuls verpuffte angesichts dieser Mängel schnell und konnte MTV nicht den benötigten Vortrieb bescheren. Das lag nicht zuletzt daran, dass man sich entschied, sämtliche deutsche Ausgaben im Rahmen einer Sonderprogrammierung innerhalb einer Stunde zu versenden. Danach versteckten sich die kurzen Clips zwischen den weiterhin laufenden regulären Ausstrahlungen, verschwanden aber dort recht schnell wieder. In den USA wurde die Produktion von den Vorfällen in Deutschland ungestört noch bis ins Jahr 2002 fortgesetzt, bevor sie einer verstärkten Konzentration auf Reality-Reihen vorerst zum Opfer fiel. Allerdings erwies sie sich als derart populär, dass sie zwischen den Jahren 2006 und 2008 eine Wiederbelebung für zwei weitere Staffeln erfuhr. Dies sollte jedoch nicht ihr letztes Lebenszeichen sein, da im Zuge einer erneuten Rückbesinnung auf frühere Hits das amerikanische MTV im April 2015 ankündigte, abermals neue Folgen herstellen zu lassen. Planungen für weitere deutsche Varianten waren indessen nie damit verbunden.