Julia Jentsch und «Stromberg»-Star Bjarne Mädel zeigen sich im Abtreibungsdrama «24 Wochen» von einer sehr zerbrechlichen Seite.
Astrid (Julia Jentsch) und Markus (Bjarne Mädel) stehen mit beiden Beinen fest im Leben. Astrid lebt und liebt ihren Beruf als Kabarettistin, ihr Mann und Manager Markus unterstützt sie besonnen und liebevoll. Doch als die beiden ihr zweites Kind erwarten, wird ihr Leben aus der Bahn geworfen: Bei einer Routineuntersuchung erfahren sie, dass das Baby schwer krank ist. Die Diagnose trifft sie wie das blinde Schicksal, das sie auf sich nehmen müssen. Gemeinsam wollen sie lernen, damit umzugehen. Doch während Heilungspläne, Ratschläge und Prognosen auf sie niederprasseln, stößt ihre Beziehung an ihre Grenzen. Die Suche nach der richtigen Antwort stellt alles in Frage: die Beziehung, den Wunsch nach einem Kind, ein Leben nach Plan. Je mehr Zeit vergeht, desto klarer erkennen sie, dass nichts und niemand ihnen die Entscheidung abnehmen kann, die eine Entscheidung über Tod und Leben ist.
Um «24 Wochen» so authentisch wie möglich zu inszenieren, greift Anne Zohra Berrached auf einen Kniff zurück, der im deutschen Kino bereits von Andreas Dresen gewählt wurde. Wie schon in dessen herbem Krebsdrama «Halt auf freier Strecke», besetzt auch Berrached wichtige Nebenfiguren mit Nicht-Schauspielern. Ärzte oder Seelsorger sind tatsächlich in ihrem Beruf tätig; wenn die von einer aufopferungsvollen Julia Jentsch («Da muss Mann durch») gespielte Astrid im Gespräch mit ihren Doktoren immer wieder den Faden verliert, dann spiegelt das nur die Hilflosigkeit wieder, der sich Menschen in so einer Position ausgesetzt sehen. In solchen Momenten baut auch das Drehbuch (Anne Zohra Berrached, Carl Gerber) auf Improvisation. Die Darsteller erhielten vorab lediglich Textfetzen, sodass die Charaktere in Aufklärungsgesprächen so mit der Krankheitsthematik konfrontiert wurden, wie es Betroffenen tatsächlich widerfährt. Dem aus «Stromberg» bekannten Bjarne Mädel spielt diese Art der Inszenierung sichtbar in die Hände. Der ohnehin schon bärenstark aufspielende Darsteller läuft zur Hochform auf, wenn er sich nicht an die starren Vorgaben eines Skripts halten muss. Gemeinsam mit seiner Filmpartnerin Julia Jentsch unterstreicht er, wie zermürbend die Geschehnisse für seine Figur sind und rührt mitunter tatsächlich zu Tränen, bloß, wenn sein Markus ausspricht, woran er und seine Freundin lange Zeit nicht einmal denken wollen.
Ohne eine Handvoll kleinerer, ein wenig zu plakativer Szenen kommt «24 Wochen» trotz der minimalistischen Inszenierung dann aber doch nicht aus. Vor allem die Momente im Krankenhaus verlaufen fast zu schematisch, sodass sie sich mit der Individualität der vorausgegangenen eineinhalb Stunden beißen. Wenn der verzweifelte Markus im Krankenausgang die Feierlichkeiten ob eines neugeborenen Kindes mitbekommt, dann kratzt Anne Zohra Berrached an Symboliken, die es gar nicht bräuchte, um die Dramatik der Szenerie zu unterstreichen. Gleichsam spielt uns das Leben mitunter solch herbe Streiche, dass derartigen Momenten mit viel Gutwillen eine noch authentischere Erzählweise angedichtet werden kann. Schlussendlich geht es den Machern aber darum, über ein Thema zu sprechen, das üblicherweise im Verborgenen stattfindet. Wenn Astrid in einem Interview die Prozentzahl der Frauen erwähnt, die sich in Deutschland für einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund der Behinderung ihres Kindes entscheiden, gewinnt «24 Wochen» plötzlich noch ein gutes Stück mehr an Bedeutung. Vielleicht mag man den Mut der Regisseurin auf den ersten Blick befremdlich finden. Doch eines will Anne Zohra Berrached gewiss nicht: mit ihrem Film Frauen die Entscheidung abnehmen. Vielmehr appelliert sie an das Umfeld. Denn das sollte es sich niemals anmaßen, die ohnehin kaum mit gutem Gewissen fällbare Entscheidung zu verteufeln.