Sie hauchten bereits der «Tanz der Teufel»-Reihe neues Leben ein, jetzt legen Regisseur Fede Alvarez und Produzent Sam Raimi mit dem hochspannenden Horrorthriller «Don't Breathe» eine weitere Genreperle nach.
In einem Jahr, das uns bereits Genreperlen wie «The Neon Demon», «Conjuring 2» oder «Lights Out» beschert hat, muss das eingangs getätigte Lob schon etwas heißen. Doch das Autoren-Team aus Fede Alvarez himself und Rodo Sayagues, das auch das Skript zu «Evil Dead» verfasste, hat sich für diesen fiesen kleinen Schocker etwas ganz Besonderes überlegt. Aus der für Genreverhältnisse fast harmlosen Prämisse um eine Gruppe von Twens, die ins Haus eines blinden Mannes einbricht, um dessen Hab und Gut aus dem Tresor zu stehlen, kreieren die Schreiber einen unvorhersehbaren Adrenalinkick, angesiedelt irgendwo zwischen «Lights Out», «Das Schweigen der Lämmer» und White-Trash-Dramen wie «Winter’s Bone». Diesen skurrilen Genremix zu stemmen, ist schließlich die Aufgabe des Casts. Und der hat es nicht nur auf dem Papier in sich, sondern verhilft diesem kühn inszenierten Thriller zu einer Menschlichkeit, die das Thema eigentlich gar nicht zulässt. Schon direkt nach einer perfide inszenierten Eröffnungssequenz, die darüber hinaus überdeutlich die bereits in «Evil Dead» etablierte Handschrift von Alvarez‘ trägt, befasst sich «Don’t Breathe» lange mit den drei Hauptfiguren; Jane Levy (spielte Mia in «Evil Dead»), Dylan Minnette («Gänsehaut») und Daniel Zovatto («It Follows») schlüpfen in die Rollen von Mittzwanzigern, die, angesiedelt am Rande der Gesellschaft, nichts mehr zu verlieren haben. Wenn die von Jane Levy aufopferungsvoll verkörperte Rocky durchklingen lässt, den geplanten Raub bei einem ehemaligen Kriegsveteran nur deshalb begehen zu wollen, um gemeinsam mit ihrer Schwester endlich ihre drogenabhängigen Eltern verlassen zu können, wohnt «Don’t Breathe» eine Tragik inne, die schon den Einbruch beim blinden Opfer in gewisser Weise relativiert. Was jedoch weder Zuschauer, noch die Clique ahnt: Dieser Raubzug könnte die letzte Tat ihres Lebens sein.
Doch anstatt einfach die Situation auszunutzen, dass das irgendwann zum Antagonist werdende Opfer seinen Figuren das Licht ausknipst (wir erinnern uns: Im Reich der Dunkelheit ist der Blinde der König!), lässt das Drehbuch seinen Protagonisten ordentlich Spielraum. Wer kann, der wehrt sich mit allen erdenklichen Mitteln und ist obendrein mit einem weitaus höheren IQ gesegnet, als es für eine handelsübliche Horrorfilmfigur, erst recht, wenn diese noch zu der Kategorie „Jugendlich“ zählt, normalerweise vorgesehen ist. Auf der Flucht vor ihrem Peiniger die Treppe nach oben rennen? In «Don’t Breathe» ist das kein Klischee. Hier muss es so sein, denn Fede Alvarez zieht die Schlinge um den Hals seiner Figuren immer weiter zu. Wenn der blinde Mann schließlich auch noch Fenster und Türen vernagelt und es im wahrsten Sinne des Wortes kein Entkommen mehr gibt, fragt man sich das erste Mal seit vielen Filmen des Genres wirklich: Wie sollen die Figuren hier heraus kommen? Die Ausgangslage bleibt dabei stets so authentisch, dass der alles umwerfende Twist umso tiefer in die Magengrube trifft. Es ist lange her, dass man in einem Popcorn-Schocker eine solch abgrundtief böse Figur wie die des blinden Mannes zu Gesicht bekam. So verlässt sich «Don’t Breathe» auf eine eigentlich so simple Idee und holt in seiner auf den Punkt gebrachten Spielzeit von nicht einmal neunzig Minuten das Non plus Ultra adrenalinpeitschender Thrillerunterhaltung aus der Situation heraus. Dank mehrdimensional geschriebener Figuren und einer nur allzu beklemmenden Inszenierung mit viel Identifikationspotenzial erweist sich die neueste Zusammenarbeit von Fede Alvarez und Sam Raimi als nächster großer Coup des Genres. Das offene Ende, durch welches das Grauen kein Ende findet, rundet das Filmerlebnis auf perfide Weise ab.