«Ghostbusters»: Viel Hass, wenig dahinter

Glaubt man den dümmlichsten Ecken des Internets, so hat eine böse Feministinnenverschwörung «Ghostbusters 3» zerstört und durch ein dummes Remake ersetzt. Doch wer ist bitte so blöd, das zu glauben?

Die Vorgeschichte


Filmfacts zum «Ghostbusters»-Remake

  • Regie: Paul Feig
  • Produktion: Ivan Reitman, Amy Pascal
  • Drehbuch: Katie Dippold, Paul Feig
  • Darsteller: Melissa McCarthy, Kristen Wiig, Kate McKinnon, Leslie Jones, Charles Dance, Michael Kenneth Williams, Chris Hemsworth
  • Musik: Theodore Shapiro
  • Kamera: Robert Yeoman
  • Schnitt: Melissa Bretherton, Brent White
Es ist eine Frage, die einige Filmfans neutral-neugierig stellen, andere angesichts des nahenden Starts der «Ghostbusters»-Neuauflage mit himmelklagendem Unterton: „Wieso gibt es eigentlich kein «Ghostbusters 3»?“ Die Antwort liegt, entgegen der Aussagen manch schlecht informierter Aggressoren, nicht in einer „feministischen Verschwörung“. Sondern hinter den Kulissen Hollywoods. Nach dem immensen Erfolg, den das «Ghostbusters»-Original 1984 genoss, kam es fünf Jahre später zu einer Fortsetzung. Hauptdarsteller Bill Murray zeigte sich mit dem Ergebnis jedoch äußerst unzufrieden, weshalb er vorerst nicht daran interessiert war, ein drittes Mal in den Geisterjäger-Overall zu schlüpfen.

Auch die Kritikerresonanz fiel seinerzeit bestenfalls durchwachsen aus, so dass die «Ghostbusters»-Filmreihe eine kreative Zwangspause verordnet bekam. In den darauffolgenden Jahrzehnten war es insbesondere Murrays Leinwandkollege Dan Aykroyd, der die Flamme der Leidenschaft für dieses Franchise nährte. Aykroyd, der eine wahre Begeisterung für Paranormales mitbringt und am Skript der ersten beiden Filmen mitwirkte, hatte unter anderem die Idee, in einem dritten Teil die Ghostbusters in die Hölle zu schicken, um eine dämonische Version von Manhattan zu säubern. Ein solches Konzept schrie jedoch nach einem immensen Budget, weshalb das Studio keine Risiken eingehen wollte – wie in Form großer Casting-Änderungen.

Angesichts von Murrays Desinteresse fiel es jedoch schwer aus, nicht am Ensemble zu rütteln. Über die Jahre hinweg wurde viel über den Umfang, den Murrays Part einnehmen könnte, sollte oder müsste, debattiert – erschwerend kam hinzu, dass Co-Star und Co-Autor Harold Ramis mit Murray seit «Und täglich grüßt das Murmeltier» im Clinch lag. So verstrich die Zeit, während die Darsteller immer älter wurden und Murray somit immer mehr Gründe fand, abzulehnen. Eines seiner berühmtesten Zitate zur Idee eines «Ghostbusters 3»: „Wer will schon einen Haufen alter Säcke sehen, der Geistern hinterher rennt?“

Nach Ramis‘ Tod im Jahr 2014 ließ Sony Pictures dennoch nicht locker: Das Studio wollte unbedingt das Franchise wiederbeleben. Sei es durch einen Film nach dem Motto „Die verbliebenen Ghostbusters rekrutieren eine neue Generation“ oder durch ein geradliniges Remake. Und hier kommt «Brautalarm»-Regisseur Paul Feig ins Spiel: Dieser schlug vor, stattdessen die Grundidee zu nehmen und sie völlig neu zu erzählen – mit Figuren, die nicht ans Original angelehnt sind. Und die von Frauen gespielt werden.

Die Hater


Das «Ghostbusters»-Remake auf Filmbewertungsportalen

  • Rottentomatoes-Userwertung: 58% der Nutzer mochten ihn
  • IMDb-Userwertung (gesamt): 5,4/10
  • IMDb-Userwertung (Männliche Nutzer): 4,7/10
  • Metascore-Userwertung: 2,7/10
Stand: 28. Juli 2016
Das Internet gleicht zuweilen einem Tollhaus. Dass sich in den digitalen Diskussionen zu einem Filmtrailer diverse Pöbeleien auffinden lassen, ist daher keineswegs bemerkenswert. Ein Grundsatz an ungehobeltem Verhalten ist quasi vorauszusetzen. Im Falle von «Ghostbusters» nahm dieser digitale Hass jedoch außergewöhnliche Ausmaße an. So ist der Trailer zur Big-Budget-Komödie die am negativsten bewertete Filmvorschau in der Geschichte YouTubes – im Gesamt-Flop-Ranking des Videoportals liegt der Clip aktuell auf Rang zehn. Damit ist er unter anderem vermeintlich schlechter als Micki Minajs umstrittener Videoclip «Stupid Hoe» oder «The Gummy Bear Song». Zum Vergleich: Der Trailer zum wenig populären «Fantastic Four»-Reboot hat nicht einmal ein Zwanzigstel der Downvotes, die «Ghostbusters» erhielt.

Und nicht nur in dieser Form äußerte sich die Wut über Paul Feigs Castingentscheidung: Wenn «Ghostbusters» im Netz thematisiert wird, sind die abfälligen Kommentare nicht fern, und selbst wenn die Hater es immer wieder abstreiten, so sind diese zumeist sexistisch motiviert. Frauen könnten nicht lustig sein, die Darstellerinnen seien eh alle „hässliche Kampflesben“ und was soll eigentlich diese „scheiss glecihberechitgung“[sic!]?

Sony-Pictures-Chairman Tom Rothman reagiert zwiegespalten auf den Online-Hass, den «Ghostbusters» erntet. Einerseits sinnierte er gegenüber 'The Hollywood Reporter' vor Filmstart über die Verantwortung, mit «Ghostbusters» zur Gleichberechtigung beizutragen: „Ich denke in meiner Funktion als jemand, der die Mediengestaltung und so auch unsere Kultur beeinflusst, schon lange darüber nach: [...] Haben wir abseits der Unterhaltung weitere soziale Verantwortungen? Nun, wir sind hier, um Entertainment zu liefern, nicht Moralität. Dennoch: Wenn du Gutes in der Welt schaffen kannst, ist das besser, als es sein zu lassen.“ Andererseits lacht Rothman über die Web-Hater: „Die sind das Beste, was uns je passiert ist. […] Dank ihnen sind wir Teil des nationalen Diskurses. Können gern noch mehr Hater dummes Zeug verzapfen?“ Auch nach US-Filmstart riss die Flut an Hasskommentaren nicht ab – Kritiker, die den Film positiv bewertet haben, wurden als „feige“ oder „Verräter“ oder als „Hure“ beschimpft, während Schauspielerin Leslie Jones bei Twitter dermaßen heftig angegangen wurde, dass Twitter einen der Wortführer sperren ließ.

Regisseur Paul Feig indes ist schon im Herbst 2015 der Geduldsfaden gerissen. Nach anfänglichen Versuchen, bei Twitter mit harschen, kritischen Usern ins Gespräch zu finden, gab er letztlich auf. So antwortete er auf den Vorwurf „uns allen damit zu drohen, unser Geschlecht zu vertauschen“, dass der betroffene User „ermüdend“ sei. Einige weitere entnervte Tweets später resignierte Feig endgültig und schrieb. „Fickt euch doch. Gute Nacht.“

Die Gegenstimmen


Das «Ghostbusters»-Remake auf Filmbewertungsportalen

  • IMDb-Userwertung (Weibliche Nutzer): 7,9/10
  • Rottentomatoes-Kritikerwertung: 73% positive Kritiken
  • Allmovie.com-Userwertung: 3,5/5
  • Letterboxd-Userwertung: 3,2/5
  • Metascore: 60/100
Stand: 28. Juli 2016
Während manche Männer mit einem Zuviel an Freizeit über das „Weiber-«Ghostbusters»“ herziehen, wird das Remake im Internet ebenso sehr gefeiert. Nicht ausschließlich aufgrund der Besetzung, doch sie spielt durchaus eine Rolle. So schreibt Erin Ramsey bei Medium.com: „Es ist eine Sache, sein Leben zu leben, und zu wissen, dass einem etwas fehlt, und es plötzlich zu finden. Es ist etwas ganz Anderes, plötzlich etwas zu finden, von dem man nicht wusste, dass man sein Leben lang darauf wartet. Als ich sieben Jahre alt war, damals 1992, habe ich die Schulhoflogik nie hinterfragt. Natürlich durfte ich nicht einen Ghostbuster oder Teenage Mutant Ninja Turtle spielen, weil es keine weiblichen Exemplare davon gibt. So einfach ist das. Nun, 2016, ist sie da, da oben auf der Leinwand, 40 Fuß groß und rettet die Welt, und sieht dabei genauso aus, wie es Männer tun, wenn sie das erledigen.“

Die von den Hatern propagierte Sichtweise, der Film würde sich Frauen anbiedern und Männer links liegen lassen, widerlegen derweil Kritiker wie Drew McWeeny von HitFix, der sich in seiner Kritik sogar die Mühe macht, zu erklären, weshalb die Trailer so viel schlechter sind als der eigentliche Film: „Feig ist vor allem an Humor interessiert, der sich aus dem Verhalten heraus generiert, und das ist, ganz ehrlich, sogar ganz im Sinne der «Ghostbusters»-Tradition. Viele der lustigsten Zeilen des Films sind nur lustig, wenn man sie im Kontext sieht, und auch dann nur, wenn man sich auf die Figuren und ihre Beziehung untereinander einlässt.“ Was auf diese Erklärung folgt, ist ein nahezu glühendes Lob: Nur kleinere Haarspaltereien bringen dem Film in McWeenys Augen eine 1- ein.

Anthony Lane merkt im New Yorker derweil an: „Nichts in diesem Film ist so miserabel oder dermaßen schaurig wie die Schar an Hassern, die online stürmte, sobald der Film angekündigt wurde, und ihm verboten hat, zu existieren.“ In Referenz an «Sein Mädchen für besondere Fälle», der 1940 gestarteten Leinwandadaption eines erfolgreichen Theaterstücks, erinnert er daran, dass die Idee, Männerrollen in filmischen Neuaufgüssen mit Frauen zu besetzen, nicht neu ist, wohl aber zu tollen Ergebnissen führen kann. So auch bei «Ghostbusters»: Ihm sei das Reboot beim Versuch, eine Ikonografie zu erschaffen, zwar nicht selbstständig genug, im Vergleich zum Original würden sich die Frauen dennoch „sehr gut schlagen“.

Und die jüngsten Kinofans könnten sich um all diese Debatten nicht weniger scheren: Laut Mattels erstem Zwischenbericht läuft das neue «Ghostbusters»-Merchandising weit über den Erwartungen und verkauft sich bei Jungs und Mädchen gleichermaßen. Die gute, unverdorbene Jugend. Hoffentlich bleiben diese Kids möglichst lange den Kommentarsektionen zahlreicher Webseiten fern.

Mehr über den Film und die Online-Debatte um ihn herum gibt es auch demnächst bei Quotenmeter.FM
28.07.2016 14:34 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/87112