Mann, is' dat 'ne Wurst!

Sexistische Werbung gehört nicht verboten, sondern diskutiert, meint unser Kolumnist. Aktuelles Beispiel: Atze Schröders widerlicher Wiesenhof-Spot.

Es gibt Werbespots, die sind so widerwärtig, dass ich den Sender wechsle. Zum Beispiel, wenn Vera Int-Veen in einem ekelhaft schmierigen Ton von Blähungen zu sprechen beginnt. Oder der dümmliche Du-darfst-Spot, in dem Frauen nur als hirnlose und lustbetonte Subjekte auftreten dürfen, und der so krachend durch den Bechdel-Test fällt wie kaum ein anderer der bundesdeutschen Werbegeschichte. Oder wenn Atze Schröder über seine riesige Wurst philosophiert.

Riesige Wurst, get it? Zwanzig Zentimeter lang ist das Ding, hö-hö-hö. Kein Wunder, dass zu Atzes Grillpartys immer so viele Frauen kommen, boah-ho-ho-ho. So ein Teil, danach müssen Gina und Lisa erst einmal in die Traumatherapie, ti-hi-hi.

Der letzte Satz hat diesen Spot ob aktueller Ereignisse freilich in die Kontroverse geführt. In diesem einen spezifischen Punkt ist die jedoch nur insofern angebracht, als dass der Werbefilm schon vor einem Jahr gedreht worden war und nie hätte veröffentlicht werden dürfen – wie Atze Schröder selbst zugibt und gleichzeitig Wiedergutmachung ankündigt.

Das macht das Gesamtkunstwerk freilich nicht erträglicher. Man muss es sich mehrmals ansehen, um zu glauben, dass dieser ekelhaft misogyne Vortrag, dieses lächerliche Proll-Gehabe, dieser vermutlich im Testosteroninfarkt entstandene Phallus-Fail aus diesem Jahrtausend stammt – und nicht aus den Fünfzigern, in denen dieser sexistische Quatsch noch einen gesellschaftlichen Platz hatte.

Es ist ja nicht so, als würde durch die vulgären Ausführungen der Kunstfigur Atze Schröder irgendetwas entlarvt werden. Im Gegenteil: Dieser frauenfeindliche schwanzgesteuerte Blödsinn wird zelebriert. Männer sind halt so. Und wenn sie um den Grill herumstehen, dürfen sie auch noch so sein. Kaum glimmt die Holzkohle, schon sind mehrere Jahrhunderte zivilisatorischer Errungenschaften dahin. Mann, is‘ dat ‘ne Wurst!

Wenn Wiesenhof diesen Spot vor dem Hintergrund entwickelte (oder entwickeln ließ), dass sich seine potentiellen Kunden mit der widerlichen Litanei von Atze Schröders kaum verklausuliertem Penis-Vortrag identifizieren sollen, graut mir vor der nächsten Grillparty, beziehungsweise vor dem Bild, das Wiesenhof von den Käufern seiner Ware hat. Ich glaube, wenn auf dem nächsten Grill in meiner Nähe ein Bruzzler liegt, gehe ich wieder. Am Schluss wird mir dessen Verzehr noch als ein Statement gegen die sexuelle Selbstbestimmung ausgelegt.

Bundesjustizminister Maas sagt schon angesichts weit weniger brachial sexistischer Werbung am liebsten: Verbieten. Doch was aus den Augen ist, ist eben nur aus dem Sinn und nicht aus der Realität. Ist Werbung auch ein Spiegelbild der Realität, ist der Sexismus in ihr wenigstens sichtbar – und, wie an dieser Stelle, diskutierbar.
01.07.2016 12:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/86522