Der international gefeierte Regisseur Hou Hsiao-Hsien beeindruckt in seinem Martial-Arts Film weniger mit krachender Action, dafür mehr mit poetischen Bildern auf. Langsame Kinokost, die nicht jeden Kampfkunst-Fan begeistern wird.
Als 10jähriges Mädchen wurde Nie Yinniang (Shu) von einer Nonne namens Jiaxin (Sheu-Fang-yi) entführt und zu einer unbarmherzigen Auftragsmörderin ausgebildet. Inmitten des Zerfalls der Tang Dynastie, eine chinesische Kaiserdynastie, die von 618 bis zum Jahr 907 reichte, bewegt sie sich fast lautlos durch die Landschaft, um mit starrer Miene und tödlicher Präzision politische Funktionäre und Beamte umzubringen. Dies geht so lange gut, bis eine erneute Zielperson, ein Vater in der Anwesenheit seines jungen Sohnes, letztendlich doch eine emotionale Reaktion in ihr auslösen und sie es nicht übers Herz bringt, den Auftrag auszuführen. Die Bestrafung folgt auf dem Fuße, denn um auch ihr letztes Quäntchen Mitleid und Menschlichkeit auszulöschen, sendet ihre Lehrerin Jiaxin sie auf den Weg, ihren Cousin Tian Ji’an (Chang Chen) zu töten. Diesem war Yinniang schon in jungen Jahren als Ehefrau versprochen. Wie nicht anders zu erwarten, zögert die Killern, auch wenn sie sich ohne Probleme auf das Privatgrundstück des jungen Gouverneurs einer der machtvollsten Provinzen in China namens Weibo schleichen kann. Dieser hat mittlerweile eine andere Frau geheiratet und Yinniang beobachtet das idyllische Eheleben aus dem Schatten und hinter Vorhängen, verübt gelegentlich kleine Attentate, geht aber nie den letzten Schritt und bleibt damit fast eine passive Heldin. Yinniang ist nicht die einzige Gefahr, mit der sich Tian Jinan auseinandersetzen muss. In seiner politischen Laufbahn hat er sich schon einige Feinde gemacht und der Frieden im Land, scheint bald auseinander zu brechen.
Auch wenn der Plot atemlose Martial-Arts Kämpfe en masse verspricht, sollte der Action- und Kampfkunst-Fan vorsichtig sein. Die Kraft von «The Assassin» liegt in den stillen, vorsichtig gestalteten Bildern, für die Hsiao-Hsien bekannt ist. Nur gelegentlich brechen Gewalt und elegante, kämpferische Bewegungen in die vermeintliche Idylle hinein. Die Action inszeniert der Regisseur fast beiläufig, was für den ein oder anderen Zuschauer befremdlich und enttäuschend wirken mag, allerdings verleiht er ihr gleichzeitig auch eine Frische, die man in dieser Form selten sehen wird: In Zusammenarbeit mit seinem Stamm-Kameramann Ping Bin Lee beobachtet Hsiao-Hsien, und als Folge auch das Publikum, die Aktionen in nahen und unglaublich schnellen Close-Ups, dann wieder in einer konventionellen Totalen, und gelegentlich ist man hier nur stiller Beobachter, der die Kämpfe aus der Ferne durch einen Dickicht aus Bäumen observiert. Auch wenn dieser Aspekt fast in jeder Hinsicht abgedämpft erscheint, sind diese Kämpfe exzellent choreographiert. Dennoch bleibt Gewalt in diesem Film eine Notwendigkeit, ein letztes Mittel, ist niemals exzessiv oder um seiner Selbst willen vorhanden und wird nicht rein als Bespaßungsmittel fürs Publikum eingesetzt.
Die Hauptprotagonistin ist ebenfalls kein typisches Abziehbild einer modernen Actionheroine, die mit jedem Auftrag einen coolen Spruch über die Lippen zaubert. Vielmehr strahlt sie eine undurchsichtig, mystische und ruhige Präzision aus, mit der sie ihrem Tagesgeschäft nachgeht. Ihre Motivation bleibt ein großes Fragezeichen in einem Film, der möglicherweise mehrere Male gesehen werden muss, um ihn schlussendlich zu enträtseln. In einem Werk, das mehr auf Stimmung und Atmosphäre setzt als auf die Überdramatisierung seines Shakespeare-ähnlichen Plots, stellt dies durchaus eine Herausforderung für den Zuschauer dar. Hinzu kommt, dass Hsiao-Hsien seine größtenteils digital gedrehten, wunderschönen und farbenprächtigen Bilder in ein kompaktes und fast schon anti-cineastisches 1,33:1 - Format verpackt während er nur selten auf das breitere und der Kinoleinwand angemessenere 1,85:1-Format hinüberwechselt, das er mit dem klassischen 35mm-Filmmaterial gedreht hat. Mit diesen erzählerischen und gelegentlich geheimnisvollen Stilmitteln zeichnet er weniger ein historisch akkurates Bild einer vergangen chinesischen Ära - schon allein die fantastischen Elemente, die er fast ebenso beiläufig wie die Action einführt, sprechen dagegen - vielmehr lässt er chinesische Poesie, Mythen und Legenden auf der Leinwand auferstehen.