35 Jahre «Löwenzahn»: Verdienter Hit für Jung und Alt

Peter Lustig, Latzhose, Fritz Fuchs, Keks & Bauwagen – seit 35 Jahren entführt die Sendung Löwenzahn Kinder wie Erwachsene in eine Welt der Neugierde und des unstillbaren Wissensdurstes. Ganz in der Tradition der Reihe, wollen wir dem heute mal genauer auf den Grund gehen.

Die wunderschöne Transformation der Pusteblume


Löwenzahn ist ein Phänomen im deutschen TV - doch dabei hatte es gar nicht so rund angefangen: 1979 startete die Serie «Pusteblume» mit einem gewissen Peter Lustig (der auch wirklich schon immer so hieß) im ZDF. Wegen Streitigkeiten zwischen Sender und Produktionsfirma war jedoch nach 20 Episoden schon wieder Schluss. Die restlichen beiden Ausgaben wurden nicht mehr gesendet, gibt es aber immerhin auf DVD zu bewundern.

1981 hatte man dann einen neuen Dreh gefunden: Lustig zog von Bayern aus in einen Bauwagen nach Berlin und präsentierte von nun an von dort aus regelmäßig neue und spannende Abenteuer in rund um die Welt des Wissens.

Der liebe Onkel


Und es wurde eine lange Erfolgsgeschichte – 25 Staffeln und insgesamt 203 Episoden war Peter Lustig der Mann, der den deutschen Kindern die Welt erklärte.

Und Lustig deckte ein schier unglaubliches Spektrum ab: Mit kindlicher Neugierde, einem Schuss Naivität und einer feinen Nase für die Bedürfnisse seiner meist jungen Zuschauer führte sein Weg ihn auf Baustellen, in Fabriken oder in die Natur - er lernte Brot backen, schöpfte Papier oder ging auf Schatzsuche. Neue Episoden waren immer überraschend, neu, spannend und lehrreich. Ein Mix, den Lustig in den ganzen Jahren wie kein Zweiter zu präsentieren vermochte.

Erst 2005 ging der beliebte Kauz in Rente. 11 Jahre später, Anfang 2016 starb Lustig mit 78 Jahren im Kreise seiner Familie. Seine Serie «Löwenzahn» stellt sicher, dass man ihn nie vergessen wird.

Die Kontroverse


Einziger Makel der langen Erfolgsgeschichte von Lustig und «Löwenzahn» war ein Interview, dass der Moderator 2002 der Stuttgarter Zeitung gegeben hatte. In diesem Interview hatte er erwähnt, wie schwer es sei, mit Kindern vor der Kamera zu arbeiten – der Tenor seiner Aussagen war eindeutig, dass er gerne den Kindern die Welt erkläre, es aber eben für schwierig halte, diese in die Dreharbeiten zu integrieren. Die Bild am Sonntag roch damals natürlich sofort Lunte, ignorierte den sympathisch-ironischen Unterton der Äußerungen Lustigs und titelte mit der üblichen bollerigen Gleichgültigkeit: Peter Lustig – ich kann Kinder nicht leiden.

Diese aus dem Zusammenhang gerissene Umdeutung seiner Worte war fortan nie mehr ganz aus dem Bewusstsein der Menschen zu tilgen gewesen. Noch bis zu seinem Tod waren Nebensätze wie „der Mann, der Kinder eigentlich nie mochte“ Bestandteil vieler Reportagen. Ein trauriges Zeugnis für die Macht der Presse und die Verantwortungslosigkeit einiger Medienvertreter.

Dabei wäre es grundsätzlich nicht einmal schlimm gewesen, hätte Lustig diese Meinung wirklich vertreten. Ein guter Koch muss ja auch nicht zwingend gerne Kontakt mit Restaurantgästen haben. Ebenso wenig muss ein guter Autor freudestrahlend auf jeden Leser reagieren. Doch Lustig machte sich oft die Mühe, diese Darstellung aus innerer Überzeugung zu dementieren – die Tatsache, dass es dennoch nie richtig gelang, ist das eigentlich traurige daran.

Schluss mit Lustig, schlau wie der Fuchs


Mit seinem Abschied hatte das ZDF 2006 in jedem Fall ein Problem – das Format war derart eng mit seiner Hauptfigur verwachsen, dass eine Umbesetzung eigentlich unvorstellbar schien. Doch wie heißt es immer so schön: Jeder ist ersetzbar. Letztlich gehört eine Prise Glück und ein stabiles Grundgerüst dazu, um ein Format auch nach dem Austausch der Hauptfigur fortführen zu können.

Guido Hammesfahr, zum damaligen Zeitpunkt 37 Jahre und von Beruf Schauspieler, wurde ausgewählt, das Erbe anzutreten. Hammesfahr hatte bis dahin primär in Krimis («Tatort», «Alarm für Cobra 11») und der Comedyshow «Ladykracher» an der Seite von Anke Engelke gewirkt. Da sein Name im Gegensatz zu dem von Lustig (den man durchaus immer für einen Künstlernamen hatte halten können) offenbar zu sperrig erschien, schuf man die Kunstfigur Fritz Fuchs.

An seine Seite stellte man mit Herrn Paschulke, gespielt von Helmut Krauss, die einzige Figur, die «Löwenzahn» über die ganzen Jahre als Nachbar begleitet hatte und erhielt dem Foramt somit ein wenig Nostalgie. Außerdem zog Fuchs standesgemäß in den verwaisten Bauwagen und brachte noch seinen Hund Keks mit an Bord. Weitere Nebenfiguren wurden über die Jahre eingeführt und auch Gastrollen mit prominenteren Gesichtern besetzt. Hierzu gehörten über die Jahre Piet Klocke, Hans Werner Olm, Ralf Schmitz, Bernhard Hoëcker oder Tom Gerhardt.

Neben vielen frischen Ideen, Ansätzen und einer großen Themenvielfalt versuchte man sich auch immer wieder an bereits aus der Lustig-Ära bekannten Inhalten, frischte diese dem Zeitgeist entsprechend auf und variierte sie leicht um daraus neue Abenteuer für Fritz Fuchs zu stricken. In einer Episode überließ man der Kioskbesitzerin Yasemin (die regelmäßig auftaucht) die Hauptrolle an der Seite von Keks, da Fuchs gerade im Krankenhaus lag.

Zu einem ganz besonderen Moment kam es in der Episode Zeitreise in Bärstadt, als Peter Lustig zu seinem ehemaligen Bauwagen zurückkehrte, auf seinen Nachfolger traf und auch mit Nachbar Paschulke einige Worte wechselte. Am Ende durfte man dann neben dem Abschiedsspruch von Fritz Fuchs auch den von Peter Lustig hören, den er als Moderator selbst über 25 Jahre gesagt hatte.

Inzwischen hat auch Fritz Fuchs bereits zehn Staffeln und 145 Episoden auf dem Buckel – die insgesamt 36. Staffel startet im September mit neuen Folgen. Peter Lustig hat mit knapp 70 Jahren nach 25 Jahren und 203 Episoden bei «Löwenzahn» aufgehört – sollte Hammersfahr, der aktuell 47 Jahre jung ist, ebenfalls so lange durchhalten, käme er hypothetisch auf rund 500 Episoden. Wir würden das Jahr 2039 und Löwenzahn den 58. Geburtstag feiern. Klingt nach Science Fiction? Mag sein. Aber sicher nicht schlecht: Zumindest wäre auf diese Weise auch für die folgenden Generationen von Kindern und Eltern eine wunderbare Serie noch lange in der Lage, Werte zu vermitteln, die heutzutage in vielen Programmen gar nicht mehr vorkommen.

TV ist nicht genug


Übrigens: Wie es heutzutage üblich ist, versuchte sich die Reihe 2011 gar an einem Kinofilm. In diesem zum 30. Geburtstag der Reihe produzierten Film mit dem sinnigen Titel «Löwenzahn - Das Kinoabenteuer» widmete man sich zur Abwechslung einmal nicht den lehrreichen Inhalten der Serie, sondern präsentierte ein actionreiches Abenteuer rund um eine Schatzsuche. Neben Hammesfahr und Krauss tauchten unter anderem auch Ruby O. Fee («Bibi und Tina: Voll verhext») und Dominique Horwitz auf.

Den Produzenten und Beteiligten sei der Ausflug absolut gegönnt, man muss jedoch ehrlicherweise attestieren, dass die Reihe mit dieser atemlosen Aneinanderreihung von Verfolgungsjagden die Seele der Serie weitestgehend verfehlte. 95.000 Zuschauer in den deutschen Kinos waren zudem kein wirklich großer Erfolg. Schwamm drüber: «Löwenzahn» gehört ins TV, im Kino ist keine Wiederholung notwendig.

Die Zukunft des Bauwagens


Und eben dort, in der Beschaulichkeit des Kinderfernsehens, ist noch lange kein Ende abzusehen. Warum auch? Die Nachfrage nach charmanten, sensiblen, lehrreichen und herausfordernden Inhalten für Kinder und Jugendliche ist groß. Und «Löwenzahn» ist mit dieser Mischung genau das immer geblieben: Deutsches Kinder-Qualitäts-TV.

So bleibt nur noch, es wahlweise mit Peter Lustig („Abschalten!“) oder Fritz Fuchs („Ich weiß ja nicht was ihr macht, aber Keks und ich, wir drehen noch ne Runde!“) zu halten. Doch egal mit welcher Floskel oder welchem Moderator: Tassen hoch - auf die nächsten 35 Jahre Löwenzahn.

Die 36. Staffel von Löwenzahn startet im Herbst im ZDF.
23.06.2016 11:47 Uhr  •  Björn Sülter Kurz-URL: qmde.de/86285