Im dritten Teil unserer Reihe über Sportfilm-Favoriten stellen wir eine Jerry-Bruckheimer-Produktion vor, die in den USA ein großer Hit wurde, hierzulande dagegen unverdienterweise unterging: «Gegen jede Regel»!
Trotz meines Sportmuffel-Daseins verschlinge ich Sportfilme – und kenne daher eine Vielzahl an Produktionen, welche die naheliegenden Themen des Sportsgeistes, der Fairness und des mannschaftlichen Zusammenhalts über das Spielfeld hinaus denken, um (historische) Problemthemen anzuschneiden. Doch in meinen Augen hat bis dato kein Sportfilm die Dynamik eben dieses Subgenres erfolgreicher mit dem harschen Thema Rassismus verquickt als «Gegen jede Regel». Denn die Jerry-Bruckheimer-Produktion vereint amüsantes Tempo mit messerscharfer Dramatik. Gewiss, es benötigt nicht einmal größere Genrekenntnisse, um zu erahnen, dass es gut ausgeht – der Film nimmt nämlich die vermeintlichen dramaturgischen Kernfragen vorweg. «Gegen jede Regel» eröffnet Jahre nach der eigentlichen Handlung auf einer Beerdigung, zeigt die Titans friedvoll vereint und ein Kommentar aus dem Off macht klar, dass es sich dabei um eine erfolgreiche Ausnahmemannschaft handelt. Dadurch verlagert sich der narrative Antrieb von „Werden sie es schaffen, alle Komplikationen zu beseitigen?“, eine Frage, die das Publikum mühelos von allein beantworten kann, hin zum „Wie schaffen es die Titans, ein Erfolgsteam zu werden?“. Durch diese spitzere Plot-Antriebsfeder kann Regisseur Boaz Yakin die Erfolge auf dem Spielfeld und im Trainingslager mit gesundem Pathos zelebrieren, ohne dadurch den Biss aus den rauen Szenen zu nehmen, die den Rassismus der 70er-Jahre nachzeichnen – beide Aspekte dieses Films wirken nun als Bestätigung des Weges, den die Titans zusammen gegangen sind. Und nicht weiter als angenehme respektive grausige Stationen eines noch zurückzulegenden narrativen Pfades. Zudem wirkt «Gegen jede Regel» nie zahnlos, oder das Problem beschönigend, obwohl der Rassismus-Aspekt nie als dramaturgische Keule dient. Regisseur Boaz Yakin und Drehbuchautor Gregory Allen Howard machen stattdessen die Schwere einer hasserfüllten Wortwahl und den Wert eines simplen Händeschüttelns spürbar.
Selbstredend ist dieser so schlichte, erzählerische Trick der Rahmenhandlung nicht allein dafür verantwortlich, dass «Gegen jede Regel» ein Kleinod des Sportfilms darstellt. Es ist auch die fesche, aber bodenständige Inszenierung Yakins. Kurz gefasst: Man merkt diesem Film an, dass er eine ungewöhnlich kostengünstige Zusammenarbeit von Jerry Bruckheimer Films und Walt Disney Pictures darstellt. Yakin fängt die Sport- und Trainingssequenzen in schnellen Bildern ein, mit dynamischer Kameraführung und feschem Schnitttempo, gleichwohl verzichtet er dabei auf den Bombast anderer großer Football-Filme geschweige denn weiterer Disney/Bruckheimer-Zusammenarbeiten. Die braun-orange-farbene, erdige Ästhetik, die auf jeglichen Pomp verzichtet, zieht sich auch durch die ebenfalls sehr flott gefilmten Szenen abseits des Football-Zirkus durch, was «Gegen jede Regel» einen hohen Adrenalinpegel verleiht und verhindert, dass er in zwei stilistische Hälften (Sportszenen gegen Story-Grundgerüst) zerfällt.
Will Patton wiederum beweist sich in «Gegen jede Regel» als großartige zweite Geige: Der «Falling Skies»-Mime, dem über weite Teile seiner Leinwandkarriere nennenswerte Hauptrollen versagt blieben, punktet durch ein markantes Zusammenspiel mit Washington – ihm ist durch einen schroffen Gestus anzumerken, dass Coach Yoast schon gerne eine wichtigere Position einnehmen würde, gleichwohl tritt Patton sanft genug auf, um als kollegialer Assistenztrainer glaubwürdig zu sein. Dies ist auch dem Dialogbuch zu verdanken, das den Spagat zwischen inspirierend-aufmunternd und dramatisch spielend meistert. Die Wortgefechte zwischen den kooperierenden, aber sehr unterschiedlich tickenden Trainern sind raffiniert, das Geplänkel innerhalb des Teams glaubwürdig, zugleich aber amüsant-überhöht und die obligatorischen bewegenden Ansprachen lassen den gekünstelten Pathos missen, der diesen Sportfilm-Aspekt zum Klischee werden ließ. Doppelmoral wird in «Gegen jede Regel» derweil beiläufig, aber mit scharfer Feder geschrieben, abgebildet, wodurch dem filmischen Thema Dienst geleistet wird, ohne das Publikum zu aggressiv darauf hinzuweisen.