In der Verfilmung der Rathergate-Affäre zeigt uns Regisseur James Vanderbilt, was passiert, wenn sich das Publikum ausnahmsweise mal nicht von den Medien einlullen lässt.
New York, September 2004. Mary Mapes (Cate Blanchett) wird als Produzentin von „60 Minutes“, des erfolgreichsten TV-Nachrichtenmagazins des Landes, allseits respektiert und geschätzt. Während sie im Beruf erfolgreich ist, führt sie privat ein glückliches Leben mit ihrer Familie. Doch als ihrem Team mitten im Präsidentschaftswahlkampf „Bush vs. Kerry“ brisante Informationen über Dokumente aus den 1970er Jahren zugespielt werden, die belegen sollen, dass George W. Bush sich mit Hilfe seiner Familie vor einem Militäreinsatz im Vietnamkrieg gedrückt hat, gerät ihr Leben aus den Fugen. Mapes und der angesehene CBS-Anchorman Dan Rather (Robert Redford) enthüllen die Informationen im Rahmen eines investigativen Berichtes in „60 Minutes“. Die Meldung schlägt ein wie eine Bombe. Doch innerhalb kürzester Zeit steht plötzlich nicht mehr Bushs Militärakte im Zentrum des Skandals. Es sind Mapes, Rather und ihr Team, die unter schärfsten Attacken von Medien und Öffentlichkeit ihre Story und deren Recherche verteidigen müssen. Während Dan Rather, Marys langjähriger Kollege und väterlicher Freund, vollstes Vertrauen in seine Produzentin hat, bringen die Angriffe Mary an ihre persönlichen Grenzen, als sich auch ihr Vater und selbst ihr eigener Sender gegen sie wenden. Es beginnt ein Kampf um persönliche und journalistische Integrität und Unabhängigkeit.
Es ist äußerst angenehm, Cate Blanchett («Carol») in «Der Moment der Wahrheit» endlich mal wieder in einer Rolle zu sehen, die ihr keine am Rande zum Overacting befindliche Attitüde entlockt, sondern stattdessen einzig und allein auf Subtilität und innere Kraft baut. Blanchett legt Mary Mapes zu Beginn als toughe Reporterin an, die für eine gute Story vielleicht nicht gleich über Leichen gehen würde, jedoch mit so viel Ernst und Eifer bei der Sache ist, dass eine Anstellung beim beliebtesten Nachrichtenmagazin der USA das Minimum an karrierebedingtem Verdienst darstellt. Mapes erledigt ihren Job mit gewissenhaftem Ehrgeiz. Doch mit der skandalträchtigen Story um George Bushs Fernbleiben beim Militärdienst droht Mapes Professionalität ins Wanken zu geraten. So sind es weniger die das Geschehen in der ersten Hälfte auf spannende Art und Weise dominierenden Recherchearbeiten, durch die «Der Moment der Wahrheit» sein Alleinstellungsmerkmal erhält. Zugegeben: Die Zusammensetzung des Teams und die Art und Weise, wie sich dieses nach und nach das notwendige Material beschafft, mit Zeugen spricht und die Sendung bis ins kleinste Detail plant, trägt zwar auch zur enormen Kurzweil des Filmes bei, ist für sich genommen aber nicht besonders originell, sondern entspricht hauptsächlich der hier vorherrschenden Genrekonformität. So richtig spannend wird es erst mit Beginn der zweiten Hälfte. Dann nämlich, wenn die Sendung über die weltweiten TV-Geräte geflimmert ist.
Was nach der Ausstrahlung der Enthüllungsstory in den USA passiert ist, besäße innerhalb des Films fast schon den Wert eines Twists, trüge das Marketing für den Film nicht von vornherein gewisse Dinge an den Zuschauer heran. Würde man doch gerade angesichts der schon damals äußerst streitbaren Person George W. Bush vermuten, dass ein Großteil der US-amerikanischen Bevölkerung eine den Politiker in ein äußerst schlechtes Licht rückende Story die dafür zuständigen Journalisten wie Helden verehrt, so trat genau das Gegenteil ein. Plötzlich übernamhem Skeptiker die Oberhand. Und es sollte ihnen gelingen, Zweifel zu streuen, die den vermeintlichen Skandal unabhängig der politischen Gesinnung öffentlich infrage stellen würden. Es ist nicht nur auf der einen Seite äußerst spannend, diesen öffentlich ausgetragenen Wechsel von Euphorie in Skepsis zu erleben. Auch die Wahrnehmung in Bezug auf die Figuren ändert sich spürbar. Zwar wird James Vanderbilts Skript nicht müde, Mary Mapes unbedingten Willen, die Wahrheit aufzudecken, zu betonen. Doch je mehr die Story voranschreitet, desto weniger eindeutig ist die Unbefangenheit ihrer Person. Schließlich liegt es am Zuschauer, sich zu überlegen, ob er Marys Äußerungen nun Glauben schenkt, oder hinter ihrer Story den gezielten Versuch vermutet, George Bush zu schaden.
«Der Moment der Wahrheit» ist als zweiter, auf wahren Ereignissen beruhender Journalistenthriller in diesem Jahr nicht ganz so stark wie «Spotlight», was vor allem an der mangelnden, emotionalen Distanz liegt. Doch der sehr interessante Erzählschwerpunkt, die punktgenaue Schauspielleistung von Hauptdarstellerin Cate Blanchett und die kurzweilig-spannende Inszenierung machen aus James Vanderbilts Aufbereitung der Rathergate-Affäre immer noch einen äußerst starken Film.