Wenn aus Daddlern professionelle Spieler werden: Folgt nun der nächste Schritt für den ESport?

Deutsche Sender interessieren sich immer mehr für die Boom-Sportart schlechthin. Diesen Sommer wagt ProSieben Maxx ein zehnteiliges Experiment und überträgt die «ELeague». Experte Matthias Remmert, der durch das Format führt, hat uns die Welt von „Counter Strike: Global Offensive“ erklärt und sagt auch, wieso Deutschland Vorreiter in diesem Bereich ist.

Sie füllen weltweit die Hallen: EGaming ist ohne Frage und statistisch belegbar auf dem Vormarsch. Tausende, oft sogar Zehntausende schauen den professionellen Daddlern, oder Spielern, um es höflicher zu formulieren, direkt vor Ort zu. Diesen Trend hat inzwischen auch das Fernsehen erkannt. Sport1 etwa nimmt seit Monaten ESport-Nachrichten in sein Angebot auf, Sky übertrug zuletzt (wenn auch noch ohne messbare Zuschauerzahlen) das Finale der Virtuellen Bundesliga und auch Männersender ProSieben Maxx wagt sich aufs Terrain des Elektronischen Sports. Immer am späten Mittwochabend, meist gegen Mitternacht, sollen nun zehn Mal Duelle der «ELeague – Counter-Strike: Global Offensive» gezeigt werden. 24 internationale Mannschaften treten darin über zehn Wochen gegeneinander an. Mit dabei ist auch ein deutsches Team aus der Berliner Profi-Schmiede mousesports.

„ESport-Veranstaltungen begeistern ein junges, männliches Publikum weltweit. Diesen Hype möchten wir auch auf ProSieben Maxx übertragen“, erklärt ein Sendersprecher gegenüber Quotenmeter.de. Für ProSieben Maxx führt Experte Matthias Remmert durch die knapp einstündigen Sendungen. Er erklärte im Gespräch mit unserer Redaktion: „CS:GO ist ein Taktik-Shooter, bei dem fünf Spieler im Team gegen fünf andere Spieler antreten. Am Anfang mag das Spielgeschehen für einen Laien noch etwas chaotisch aussehen, aber man erkennt sehr schnell, wann eine Runde zu Ende ist und was dahintersteckt.“

Das Spielprinzip ist in der Tat nicht ganz einfach zu erklären. Kurz gesagt: Die zwei Teams werden während der Runden zwei Fraktionen zugeordnet: Einer mit Bombe (die Terroristen) oder ohne Bombe (Counter-Terroristen). Auf dem Spielfeld gibt es zwei Bombenplätze (Spots) und für jede Fraktion einen Startpunkt. Die Terroristen-Spieler nehmen es sich während jeder Runde als Ziel, einen dieser Spots zu erobern und dort die Bombe zu legen. Sollte ihnen dies gelingen, haben die CT-Spieler wenige Sekunden Zeit, um den Spot zurückzuerobern und die Bombe zu entschärfen. Zum Start einer jeden Runde verfügen die Spieler über eine Pistole und ein Messer. Zusätzlich können sie sich für Ingame-Währung weitere Ausrüstung wie Waffen, Rauch-, Blend-, Splitter-, Köder- oder Brandgranaten, Rüstung, Helm oder Bombenentschärfungs-Kits leisten.

Die „LCS“ wird wöchentlich in einem Studio in Berlin, Adlershof produziert. Ein solch stationärer Ligabetrieb bringt viele Vorteile mit sich. In League of Legends beobachten wir zum Beispiel, dass die zehn Teams vor Ort in Berlin inzwischen Trainingshäuser haben und sich die europäische Szene dadurch professionalisierte.
ESport-Experte Matthias Remmert
Für die EGames-Branche ist die «ELeague» etwas ganz Besonderes. Das weiß auch Matthias Remmert. Die große Neuerung sei das Konzept einer regulären CS:CO-Liga, die in einem Studio ausgetragen wird. Ein Schritt in die absolut richtige Richtung, wie er im Gespräch mit Quotenmeter.de verrät. „In einem anderen ESport-Titel, „League of Legends“, existiert bereits eine solche Liga. Die „LCS“ wird wöchentlich in einem Studio in Berlin, Adlershof produziert. Ein solch stationärer Ligabetrieb bringt viele Vorteile mit sich“, sagt Remmert. Bei “League of Legends“ sei deshalb eine klare Professionalisierung der Szene zu beobachten. Die zehn teilnehmenden Teams hätten inzwischen vor Ort in Berlin richtige Trainingshäuser errichtet. Das sei aber nur einer der vielen Vorteile einer solchen Produktion. „Im starken Kontrast zu diesem Konzept aus “League of Legends“ stand bis vor kurzem die CS:GO-Szene: CS:GO-Teams treten meist nur bei Wochenend-Events „offline“ gegeneinander an. Die meisten Liga-Matches werden über das Internet ausgetragen - ohne Publikum vor Ort, ohne Nähe zu den Spielern und ihren Emotionen. Die «ELeague» ändert das nun und wir sind euphorisch, beim Setzen dieses Meilensteins dabei zu sein.“

Dass dieser Meilenstein nun ausgerechnet in Amerika gesetzt wird, ist übrigens gar nicht so typisch für den elektronischen Sport. Die Amerikaner waren da nämlich keineswegs allzu innovativ unterwegs. „Mit den Events der ESL kann man sogar Deutschland als Vorreiter in Sachen ESport-Events bezeichnen. Im vergangenen Jahr wurden in der Frankfurter Commerzbank-Arena, in der Kölner LANXESS Arena und in der Berliner Mercedes Benz-Arena Spektakel auf die Beine gestellt, die unglaublich viele Massen angezogen haben. Auch in diesem Jahr werden Köln und Frankfurt wieder Anlaufpunkte für diese „ESL One“-Events“, erklärt Remmert.

Entsprechend könne man sagen, berichtet der Experte, dass sich die ESport-Szene hierzulande prächtig entwickelt. „Die letzten Europameisterschaften in den ESport-Titeln ‚StarCraft II‘ und ‚Heroes of the Storm‘ wurden vor wenigen Tagen von deutschen Spielern gewonnen, namentlich Tobias ‚ShoWTimE‘ Sieber in SC2 und das Team ‚mYinsanity‘ rund um den deutschen ESport-Veteranen Dennis ‚HasuObs‘ Schneider in HotS.“, berichtet Remmert und führt fort: „In League of Legends erreichte der deutsche Spieler Maurice ‚Amazing‘ Stückenschneider im letzten Herbst das WM-Halbfinale mit seinem Team ‚Origen‘. Last but not least sind wir auch in CS:GO relevant: Der deutsche Spieler Fatih ‚gob b‘ Dayik und sein Kollege Nikola ‚LEGIJA‘ Ninic wurden vom US-amerikanischen Team ‚NRG‘, bei dem der NBA-Star Shaquille O’Neal Mitinhaber ist, verpflichtet und sind nun in Übersee aktiv.“ Ab der dritten Spielwoche sollen sie in der «ELeague» mitmischen – und mit ‚mousesports‘ ist ohnehin ein weiteres Team aus Deutschland am Start.

Die LCS – ein Vorreiter in Sachen ESport


Beschränkt man sich mal rein auf das Wirtschaftliche und geht somit etwas weg von der Emotionalität der (Groß-)Events, dann zeigt sich ein relativ ähnliches Bild. Indikator dafür ist die Austragung der LCS, der Vorreiterliga überhaupt, in Deutschland. Hierzulande ist auch das Unternehmen ESL ansässig, der weltweit größte Organisator für ESport-Events. Dessen Mehrheitsanteile wurden im vergangenen Jahr von einer Firma namens MTG für beeindruckende 78 Millionen Euro gekauft. „In Deutschland finden jedes Jahr mindestens zwei riesige StadionEvents statt, auf die viele andere Länder, inklusive der USA, neidisch sein dürfen“, meint Remmert. Und selbst die reale Sportszene ist auf diesen aufkommenden Hype schon aufmerksam geworden. „In Deutschland gibt es die ersten wichtigen Fußballvereine, die auf das Phänomen aufmerksam werden – das Engagement des FC Schalke 04 ist ein riesiger Schritt und für den ESport weltweit ein weiterer Meilenstein“, freut sich Remmert.

Nordamerika aber sei vor allem aus finanzieller Sicht ein äußerst wichtiger Markt für den ESport, dem der Experte ein großes Potential attestiert. Und wie die LCS ein Vorreiter für den ESport allgemein ist, so sind es die 24 Mannschaften nun, die den ESport in der «ELeague» attraktiv machen sollen. „Das deutsche Team ‚mousesports‘ zählt natürlich zu den Protagonisten für die Sendung und ebenso werden wir einen Fokus auf die Akteure rund um den Publikumsliebling gob b bei NRG legen. Schließlich ist es im ESport, genauso wie beim traditionellen Sport, wichtig, emotionale Bindungen der Zuschauer zu den Akteuren zu ermöglichen und zu fördern. Es muss Sympathien geben und auch Antagonisten bereiten uns Spaß, wenn wir die Liga verfolgen,“ erklärt Remmert. Das sei letztlich im Fussball oder auch bei CS: CO so. „Nur deswegen fiebert man doch mit“, sagt der Experte. „In der Core-Szene werden diese Geschichten bereits erzählt und wir werden unser Bestes geben, sie für die Zuschauer im TV passend aufzubereiten“, verspricht er.

E-Sport ist ein Phänomen, das momentan aus gutem Grund die Welt erobert. Zum einen ist E-Sport ein Medium, das keine Grenzen kennt – das ist die wichtigste Erkenntnis für die Eltern der heutigen Jugend. Startet man ein Match in CS:GO oder League of Legends, so taucht man ein in ein soziales Erlebnis mit Menschen aus aller Welt. Man spricht mit diesen Menschen, man lernt, mit ihnen zu interagieren.
«ELeague»-Moderator Matthias Remmert
Remmert selbst ist 30 Jahre alt, hat den Spitznamen Knochen und wird das Gesicht des ESports von ProSiebenMaxx. Woche für Woche soll er Unterstützung von wechselnden Experten bekommen. Ihm aber in der Materie das Wasser zu reichen, dürfte für jeden schwer werden. Remmert lebt den ESport und kennt sich aus wie kein anderer. Er selbst ist seit 15 Jahren in der Szene aktiv. ESport ist ein Phänomen, das momentan aus gutem Grund die Welt erobert. „Zum einen ist ESport ein Medium, das keine Grenzen kennt – das ist die wichtigste Erkenntnis für die Eltern der heutigen Jugend. Startet man ein Match in CS:GO oder League of Legends, so taucht man ein in ein soziales Erlebnis mit Menschen aus aller Welt. Man spricht mit diesen Menschen, man lernt, mit ihnen zu interagieren. Möchte man gewinnen, so muss man es auch schaffen, seine Mitstreiter zu motivieren, Empathie zu empfinden. Ganz zu schweigen davon, dass man sie auch verstehen muss – so lernt man aus eigenem Interesse auch Englisch oder andere Sprachen“, beschreibt Remmert im Gespräch mit Quotenmeter.de seine eigene Faszination der Welt der Videospiele.

Gleichzeitig, und das ist Remmert wichtig zu betonen, biete der ESport die Chancen, an seine persönlichen Grenzen zu stoßen. „Kein ESport-Titel ist irgendwann zu Ende gespielt. Es gibt immer etwas, das man am eigenen Spielstil optimieren kann.“ Klingt also ein bisschen wie beim realen Sport. Das sieht auch der Experte so, geht es doch auch im virtuellen Spiel darum, seine physischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. „Man muss für Reaktionsstärke sein Muskelgedächtnis trainieren. Man muss für Konstanz und Intelligenz im Spiel einen gesunden Lebensstil führen. Es gibt immer jemanden, der besser ist als man selbst und es gibt immer einen Grund, weiterzumachen und seinem Ziel entgegenzuarbeiten. Nur sehr wenige ESportler können am Ende von sich behaupten, der Michael Jordan ihrer Disziplin zu sein.“
01.06.2016 17:57 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/85900