Die Kritiker: «Die letzten Gigolos»

Kreuzfahrt ab 60: Zwei Herren unterhalten mit ihrem Mundwerk und ihren Tanzschritten alleinstehende Frauen.

Filmfacts «Die letzten Gigolos»

  • Regie: Stephan Bergmann
  • Drehbuch: Stephan Bergmann
  • Kamera: Janis Mazuch
  • Musik: The Embassadors
  • Schnitt: Gesa Marten, Martin Kayser Landwehr
  • Ton: Peter Rösner
Die melancholische, diskret über das Älterwerden und Techtelmechtel im Lebensherbst sinnierende Antwort auf «Verrückt nach Meer»: Der in Graz geborene, in Aachen wohnende Regisseur Stephan Bergmann («Zeche is nich – Sieben Blicke auf das Ruhrgebiet») hat sich mit einem Dokumentarfilm-Team an Bord der MS Deutschland begeben und begleitet dort zwei Herren um die 70, die von Beruf gewissermaßen Gentleman-Gigolos sind. Peter Nemel und Heinz Löffelbein werden angeheuert, um mit ihrer Höflichkeit, ihrem Tanztalent und ihrer förmlichen, einfühlsamen sowie humorvollen Art alleinstehende Kreuzfahrt-Besucherinnen jenseits der 60 zu unterhalten. Primäres Ziel ist es, die zahlungskräftigen Damen bei Laune zu halten und so zu Stammgästen des Veranstalters zu machen, und das gelingt den graumelierten Weltmännern mit harmlosen Flirts, vorsichtig tiefer gehenden Gesprächen über das Leben und Befinden ihrer Urlaubsbekanntschaften und kleinen Standard-Tanzeinlagen.

Aber wo sich alte Jungfern und verwitwete Frauen mit prall gefüllten Handtaschen plötzlich mit Eloquenz (im Falle von Peter) oder bemerkenswerten Tanzkünsten (im Falle von Heinz) konfrontiert sehen, da drängen sich natürlich die Themen Liebe im Alter, Romantik nach dem Tod des jahrelangen Lebenspartners, das Spiel zwischen Flirt zwecks Kurzweil und allmählich auftauchenden, echten Gefühlen und natürlich Sexualität auf. Bergmann begleitet diese Einsichten (und teils auch Selbstflunkereien) in elegischen, ruhigen Bildern: Er lässt exemplarische Situationen lange ausspielen, garniert diese mit kurzen Off-Interviewsegmenten und erzeugt durch seine gemächliche Schnittarbeit eine melancholische, ruhige Stimmung. So muss es sich wohl auf den Klischee-Kreuzfahrtschiffen Marke «Traumschiff» anfühlen, auf denen der Altersschnitt hoch ist und statt AIDA-Mallorca-Partygebrülle ein zurückhaltender Gestus irgendwo zwischen Kavalierschule und Piefigkeit vorherrscht.

Obwohl Bergmann stellenweise darauf setzt, komische Verhaltens-Selbsteinschätzung-Scheren in den Film einzupflegen, so nimmt er die von ihm gezeigten Individuen spürbar ernst. «Die letzten Gigolos» ist kein Dokumentarfilm, bei dem die Crew voran prescht und aufwühlt, sondern zurückhaltend beobachtet. So fühlt man sich als Zuschauer wie ein neugierig beobachtendes, unauffälliges Mäuslein, das sich halt an Bord des (mittlerweile insolventen) Luxusdampfers verirrt hat. Dem entsprechend sind keine aufrüttelnden Erkenntnisse zu erwarten, als Porträt eines Mikrokosmos wirkt dieser Dokumentarfilm seiner etwas glatten Dramaturgie zum Trotz aber authentisch.

«Die letzten Gigolos» ist am Montag, den 23. Mai 2016, ab 23.55 Uhr zu sehen.
22.05.2016 13:24 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/85737