Die Kritiker: «Emma nach Mitternacht: Der Wolf und die sieben Geiseln»

Die nächste Krimireihe im Ersten. Diesmal mit Katja Riemann in tragender Rolle.

Cast und Crew

  • Regie: Torsten C. Fischer
  • Darsteller: Katja Riemann, Ben Becker, Karoline Eichhorn, Andreas Schmidt, Mechthild Großmann
  • Drehbuch: Wolfgang Stauch
  • Kamera: Jürgen Carle
  • Schnitt: Martina Butz-Kofer
  • Szenenbild: . Klaus Peter Platten
  • Kostüm: Thomas J. Hinzen
Irgendjemand beim Südwestrundfunk hatte wohl beim letzten Kreativ-Meeting die hoffentlich nur koffeininduzierte Erleuchtung, dass vielleicht mal wieder eine Krimi-Serie fällig ist, es gibt ja so wenige im deutschen Fernsehen. Und am besten gleich noch mit Allzweckwaffe Katja Riemann, so völlig gegen den Strich gebürstet, als unkonventionelle, unabhängige, kratzbürstige Alpha-Frau. Gesagt, getan. Die ARD war bei der Abnahme dann auch so unglaublich begeistert, dass man den Sendetermin der Auftaktfolge vor lauter Jubel gleich mal um über ein halbes Jahr verschob. Doch jetzt ist es soweit, die Spannung entweicht in kurzen Luftstößen, wird das Krimi-Genre neu geschrieben oder handelt es sich etwa doch wieder nur um handelsübliche TV-Soße?

Okay, Sarkasmus beiseite, worum geht’s? Emma Meyer (Katja Riemann) kommt gerade aus Marrakesch und steht jetzt in einem Radiosender in Mannheim. Sie stellt sich als Seelenklempnerin für die Sendung „Die Nachtpsychologin“ vor, doch Chef Benno will eigentlich nur eine bessere Telefonistin. Emma ist das natürlich gar nicht Recht, bleibt aber und muss bei dieser Gelegenheit feststellen, dass die momentane Moderatorin Elisabeth Gira ein gehöriges Alkoholproblem hat. Plötzlich wird ein Anrufer (Ben Becker) durchgestellt, der behauptet dass er gerade eine Tankstelle belagert und sieben Menschen als Geiseln genommen hat. Zuviel für die angeschlagene Moderatorin, kein Problem für Super-Emma. Sie übernimmt nicht nur die Sendung, sondern fährt auch gleich vor Ort, wo die Polizei lauter Fragezeichen im Raum schweben sieht, denn der Mann stellt keine Forderungen. Wer ist er? Warum besteht er drauf ins Radio zu kommen? Die toughe Psychologin im lässigen Schlamperlook beschließt aufs Ganze zu gehen und begibt sich ins Innere des Gebäudes….

«Der Wolf und die sieben Geiseln» ist zumindest auf formaler Ebene relativ gelungen, man merkt Torsten C. Fischers Regie an, dass er Erfahrung mit größeren Projekten wie «Romy» hat - die mitternächtliche Atmosphäre wird in stimmungsvollen Bildern eingefangen, lediglich die Sequenzen im Inneren der Tanke hätte man einen Tick kreativer gestalten können.

Macht aber nichts, das Krimichen hat andere, wesentlich größere Probleme. Dass der Plot wirkt wie aus zig US-Thrillern der 90er-Jahre zusammengesteckt, kann man verzeihen, schlimm ist nur, dass zu keiner Zeit echte Dringlichkeit vermittelt wird. Man ahnt, alleine schon aufgrund des betulichen Anfangs, dass der Thrill wohl nicht allzu groß ausfallen wird und richtig: Es kommen wie erwartet alle Geiseln frei, einzig und allein ein Hund muss sein Leben lassen. Da kann sich Ben Becker, der hier mal wieder wirkt wie der frisch auferstandene Philip Seymour Hofmann, noch so Mühe geben, man glaubt nie wirklich, dass der Mann größeren Schaden anrichten wird. Das liegt auch an Katja Riemann, die hier einmal mehr die unkonventionelle, völlig unabhängige, kratzbürstige Alpha-Frau mit Ich-komm-gerade-aus-dem-Bett-Frisur mimt, deren Ich-hab-alles-im-Griff-Haltung (kürzer: Riemann spielt Riemann) so dermaßen überbetont wird, dass man sich nach nicht allzu langer Laufzeit wünscht, Ben Becker möge als erstes ihr die Knarre in den Rachen schieben.

Die Paarung Riemann/Becker verdeutlicht auch prima unterschiedliche Schauspielqualitäten: Becker hält mit einer fein nuancierten Darstellung, die zwischen sympathisch, brandgefährlich und Mitleid erregend gekonnt die Parameter wechselt, die Show im Alleingang am Laufen, Riemann reizt besonders mit einem Overacting-Ausbruch in den etwas konfusen Schlussminuten zum herzhaften Lachen.

Apropos Schlussminuten: Anstatt einen Schlussstrich zu ziehen und den Abspann laufen zu lassen, muss natürlich - ist ja gerade (wieder) modern - ein Cliffhanger reinpurzeln, der davor viel zu beiläufig in einer kurzen Szene vorbereitet wurde und deswegen nur ein Schulterzucken auslöst. Offenbar haben die Macher das Prinzip Cliffhanger nicht komplett verinnerlicht. Macht aber nix, so wirklich weitergucken würde man auch ohne nur wollen, wenn gerade alle anderen Möglichkeiten zum Freizeitvertreib explodiert wären.

«Emma nach Mitternacht – Der Wolf und die sieben Geiseln» ist am Mittwoch, den 18. Mai 2016, ab 20.15 Uhr in der ARD zu sehen.
17.05.2016 08:25 Uhr  •  Thorsten Hanisch Kurz-URL: qmde.de/85606