Die Kritiker: «Der Zürich-Krimi - Borcherts Fall»

Christian Kohlund und Katrin Bauerfeind ermitteln sich einen in Zürich, in gestelzter Fernsehfilmästhetik und altbackener Dramaturgie.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Christian Kohlund als Thomas Borchert
Katrin Bauerfeind als Dominique Kuster
Robert Hunger-Bühler als Reto Zanger
Leslie Malton als Charlotte Duplessis
Richard van Weyden als Matthias Duplessis
Felix Kramer als Hauptmann Furrer
Dominik Weber als Max Friedländer

Hinter der Kamera:
Produktion: Graf Filmproduktion, Hugofilm Productions und MIA Film
Drehbuch: Verena Kurth
Regie: Matthias Steurer
Kamera: Michael Boxrucke
Produzent: Klaus Graf
Deutsche Fernsehfilme scheinen ein Faible für alte Männer mit Bart zu haben, die in langen schwarzen Mänteln mit gutmütigem Blick durch graue und triste Städte flanieren, und sich an einer alten Schuld abarbeiten.

Genau so ein Typ ist jedenfalls Thomas Borchert (Christian Kohlund), der erst vor wenigen Tagen aus Frankfurt in seine Zürcher Heimat zurückgezogen ist. Borchert ist Anwalt und hatte viele Jahre lang krumme Geschäfte in Südamerika gemacht, mit denen er steinreich geworden ist, aber eben auf dem Rücken armer Lateinamerikaner. Erst vor kurzem kam der Sinneswandel – und tief in ihm schlummert jene alte Schuld, die er nun wieder gut machen will.

Die Gelegenheit bietet sich, als eine Asiatin beim Gemüsediebstahl auf dem Wochenmarkt erwischt wird. Borchert will die Situation zwar dadurch entschärfen, dass er anbietet, den Schaden aus eigener Tasche zu begleichen. Aber die Geschädigten bestehen darauf, die Frau anzuzeigen – und Borchert gleich mit, nachdem er den Marktverkäufer etwas unsanft angefasst hat.

Die Asiatin landet bald in den Schlagzeilen. Allerdings aus anderen Gründen: Sie war Kindermädchen bei einer reichen Schweizer Familie, deren (asiatischstämmiger) Adoptivsohn vor kurzem entführt wurde. Was der Zuschauer weiß: In der Eröffnung bringt sie den Jungen in eine Hütte in einem Schrebergarten.

Borchert will die Frau jedenfalls anwaltlich vertreten – was schwierig wird, weil er noch nicht im Zürcher Anwaltsregister steht. Sein alter Freund Reto will den vollkommen unprofitablen Fall nicht annehmen, vermittelt ihm aber seine Tochter, die Anwältin Dominique Kuster (Katrin Bauerfeind), mit der sich Borchert nun bekabbeln muss.

Bauerfeind kann das ganz gut, was hier von ihr verlangt wird: Laut aufseufzen, wenn Borchert etwas macht, was ihrer Figur nicht passt. Oder betrappst in die Luft zu gucken, wenn sie sich Sorgen macht. Auch Hauptdarsteller Christian Kohlund beschränkt sich auf ein überschaubares Repertoire an Gesichtsausdrücken, hauptsächlich „gutmütig“ und „konsterniert“. Und der Rest des Ensembles flüchtet sich ohnehin in allerhand Übertreibungen: in völlig überkandidelt gespielte schockierte Blicke, lautes Gepolter und ein süffisantes Aufsagen der zu Weisheiten erhobenen Kalendersprüche, aus denen die meisten Dialogpassagen des Drehbuchs bestehen.

„Weil irgendjemand es tun muss“, grummelt Borchert, und zitiert hin und wieder die einfacheren Passagen von Dürrenmatt: „Man kann die Wahrheit nicht ins Feuer werfen. Sie ist das Feuer.“ Uiuiui.

Aber nicht nur die Dialoge fallen eher einfach strukturiert aus. Gleiches gilt für Figurenführung und den dramaturgischen Aufbau. Das Gegensatzpaar „grummelig, aber gutmütig“ soll als sinnvoller Dualismus ausreichen, Menschenhandel und eine vage gehaltene Ausbeutung der Dritten Welt als Faktor, der im «Zürich-Krimi» die Figuren in die Guten und die Bösen trennt (ambivalente Charaktere gibt es nicht), und eine gestelzte Fernsehfilmästhetik, die schockierte Gesichter fast so theatralisch wie die «Lindenstraße» in Close-Ups einrahmt, befeuert, was die Dramaturgie an Einfachheit und Vorhersehbarkeit aufgestellt hat. Alles wirkt so seelenlos durchschnittlich, dass man schreien möchte. Oder schleunigst „us’gschafft“ werden aus diesem tristen Krimi-Zürich.

Das Erste zeigt «Der Zürich-Krimi – Borcherts Fall» am Donnerstag, den 28. April um 20.15 Uhr.
26.04.2016 12:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/85186