Der neue «Wilsberg»: Die 51. macht die Sache rund

Die Kritiker: In „Mord und Beton“ wird keinesfalls nur Zement angerührt. Stattdessen sticht die Episode deutlich heraus, was auch an der Arbeit eines ganz großen Regisseurs liegt.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Leonard Lansink als Georg Wilsberg, Oliver Korittke als Ekki Talkötter, Ina Paule Klink als Alexandra Holtkamp, Ritta Russek als Kommissarin Springer, Roland Jankovsky als Overbeck, Tim Wilde als Oliver Maaß, Michael Stange als Nico Kaminke, Christoph M. Orth als Lobland, Volker Büdts als Tom Riese
Hinter der Kamera:
Musik: Fabian Römer, Steffen Kaltschmid
Kamera: Uwe Schäfer
Buch: Sandra Lüpkes und Jürgen Kehrer
Regie: Hansjörg Thurn
Produktion: Warner Bros.
51 Folgen hat die ZDF-Krimireihe «Wilsberg» nun mehr auf dem Buckel. Von allen ZDF-Samstagsermittlern ist er der größte Quotengarant. Einer, der nicht bei der Polizei arbeitet. Einer, der deshalb anders agiert als viele andere, die sonst samstags um 20.15 Uhr auf Mörderjagd gehen. Hauptdarsteller Leonard Lansink ist derweil einer, der auch offen und ehrlich zugibt, dass es unter den schon gezeigten Episoden auch welche gibt, die letztlich nicht ganz so prickelnd geworden sind (auch wenn man das mit Blick auf die konstant herausragenden Quoten der Re-Runs bei ZDFneo eigentlich gar nicht glauben mag).

Nun also Fall 51, für den sich Jürgen Kehrer, der Erfinder der Reihe, gemeinsam mit Sandra Lüpkes hingesetzt hat, um das Buch zu schreiben. So viel kann vorne weg gesagt werden. Dieser «Wilsberg» ist der beste der vergangenen zwei Jahre – mindestens. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei ein ziemlich geschickter Kniff, der jedem – und «Wilsberg»-Fans im Besonderen, größten Spaß bereiten dürfte. Der kauzige Ermittler muss sich in feinen Zwirn samt Krawatte packen. Warum? Er ermittelt dieses Mal beim Baulöwen Michael Lobland herum. Der hat all das, was Wilsberg nicht hat: schickes Auto, Smartphone und Geld, das investiert werden muss. Lobland will am alten Industriehafen ein luxuriöses Wohn- und Büroviertel errichten. Dafür hat er die Rückendeckung der Stadtentwicklerin Scharper. Allerdings steht Lobland bei seinem Vorhaben, das Gebiet aufzuwerten, eine Gruppe militanter Aktivisten im Weg. Das erinnert in Grundzügen an die große Aufregung rund um das Projekt „Stuttgart 21“ vor einigen Jahren.

Die Aktivisten verschanzen sich in einer Lagerhalle – die wird jedoch nach einem Drogenfund geräumt. Wenig später steht das Gebäude jedoch in Flammen, und der allseits beliebte Ekki muss samt einer Aktivistin von Wilsberg und einem Assistenten Loblands aus dem Feuer gerettet werden. Man sieht: Auf die erste Leicht muss der Zuschauer diesmal etwas warten. Es trifft letztlich Tom, den Assistenten Loblands. Und schnell bilden sich zwei Fronten. Während Lobland natürlich die Aktivisten für das Unglücklich und den Tod verantwortlich macht, sieht die Gruppierung im Baulöwen den Schuldigen. Er solle die Drogen untergeschoben und die Halle quasi „warm abgerissen“ haben.

Um zu verdeutlichen, wie schnell dieser Fall erzählt: Nur Minuten später gibt es noch eine Entführung und noch einen weiteren Toten. Wer «Wilsberg» sonst aus eher gemütlichen Einsätzen kennt, dem stockt hier manchmal schon der Atem. Geglückt ist den Machern hier etwas ganz Außergewöhnliches, was wohl am Regisseur fest zu machen ist. Für «Wilsberg» arbeitete diesmal ein großer seiner Zunft: Hansjörg Thurn, bekannt aus großen Film-Events wie der «Wanderhure». Ganz in diesem Stile gibt er in den ersten 20 Minuten dermaßen Vollgas, das der ZDF-Zuschauer, der sonst die «Rosenheim-Cops» ermitteln lässt, schwindlig werden könnte.

Ihm gelingt es in Folge aber, das Tempo so zu drosseln, dass einerseits Zeit zum Durchatmen ist, andererseits aber kein wirklicher Abfall der Handlungsdichte stattfindet. Kurzum: Ein ganz schmaler Grat, der in einer Vielzahl von Filmen eher misslingt. Thun spielt dabei aber das derart geschickt geschriebene Buch in die Karten. Die Autoren haben dermaßen geschickte Verwebungen zwischen Polizei, dem mächtigen Baulöwen und dem Anliegen der Aktivisten erdacht, dass Überraschungen garantiert – aber nie abgedroschen – sind.

Einziges Manko: Dass «Wilsberg» in Frauen tendenziell eher ein Rätsel sieht, wird an der ein oder anderen Stelle etwas zu deutlich gemacht. Das ist sicher eine Frage des persönlichen Humors. Und ganz sicher muss man sich als Macher in solchen Punkten auch den Richtlinien des ZDF anpassen, das in keinem seiner Krimis das humorige ganz außen vorlassen möchte. Auch wenn es im Fall von „Mord und Beton“ gar nicht so schlecht gewesen wäre, in diesem Punkt eine wirkliche Konsequenz walten zu lassen.

Sei’s so drum: Der neue «Wilsberg» ist Pflicht für Jedermann, gleichzeitig aber auch eine sehr hoch gelegte Messlatte für Fall Nummer 52. Daran darf man dann aber auch gerne scheitern.
14.04.2016 09:12 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/84933