«The Night Manager»: Schnitzeljagd mit Dr. House

In seiner ersten großen Rolle nach «Dr. House» wechselt Hugh Laurie die Seiten – und wird zum „schlimmsten Mann der Welt“. Er kämpft gegen einen Mann, der interessanter daherkommt als James Bond.

Cast & Crew

  • Idee: John le Carré (Buchvorlage)
  • Darsteller: Tom Hiddleston, Hugh Laurie, Olivia Colman, David Harewood, Tom Hollander, Elizabeth Debicki
  • Regie: Susanne Bier
  • Produzent: Rob Bullock
  • Produktion: The Ink Factory, BBC, AMC
Nach den ersten Folgen von «The Night Manager» fragt man sich, was dieser Serie eigentlich überhaupt fehlt. Sie scheint fast perfekt, im positiven Sinne. Sie hat extrem viel Abwechslung, Komplexität, Sex & Crime, tolle Darsteller, grandiose Schauplätze. Freuen wir uns also darüber, dass «The Night Manager» sehr, sehr gelungenes Fernsehen ist. Bei der BBC in Großbritannien wurde das Format zum Quotenhit, mit einem Rekordergebnis zum Finale und mit Millionen von Zuschauern, die gebannt den Ausgang der Geschichte verfolgen wollten. Genau das ist aber der Haken: «The Night Manager» ist nur eine Miniserie, leider.

Die Story basiert auf einem Roman des britischen Autors John le Carré, der spezialisiert ist auf Spionage- und Geheimdienst-Geschichten. Seit über 20 Jahren ist keiner seiner Texte mehr im TV verfilmt worden. Wir lernen Jonathan Pine kennen, er ist der titelgebende Nachtmanager eines Luxushotels in Kairo, Ägypten. Es ist Frühling 2011, der Arabische Frühling tobt, der Tahir-Platz ein Zeichen der erhofften friedlichen Revolution. Präsident Mubarak tritt zurück. Für Pine sind es unruhige, gefährliche Zeiten. Im Hintergrund wird eine Zerschlagung des Aufstands geplant: Dem Hotelmanager werden Dokumente zugespielt, die Gewehrlieferungen an die Konterrevolutionäre belegen. Strippenzieher ist ein gewisser Richard Roper, Waffenhändler aus London – und der vermeintlich „schlimmste Mann der Welt“, wie Aussagen von Zeugen belegen.

Pine spielt die Dokumente dem britischen Außenministerium zu, dort geraten sie in die richtigen Hände: Die Geheimdienstmitarbeiterin Angela Burr nimmt sich der Sache an, sie will Roper schon seit Jahren hinter Gittern bringen. Und irgendwann findet sich dieser mitten in einer streng geheimen Operation wieder, die in die innersten Kreise um Richard Roper führt. Pine soll und muss Ropers tödliches Netzwerk infiltieren. Plötzlich steht auch sein eigenes Leben auf dem Spiel.

Der bessere Bond?


Tom Hiddleston als Jonathan Pine wäre der perfekte Bond, ein zweiter Daniel Craig. Mit seiner charakterlichen Tiefenschärfe – ein bisschen selbstironisch, ein bisschen mysteriös, ein bisschen böse – ist er vielleicht sogar der bessere Bond, auf jeden Fall der interessantere. Und Hugh Laurie? Er spielt den besten „schlimmsten Mann der Welt“, den man sich vorstellen kann. Einvernehmend, und sympathisch auf der einen, grausam und unberechenbar auf der anderen Seite. Es ist die beste Rolle, die Laurie nach seinem großen langjährigen Erfolg mit «Dr. House» auswählen konnte. Denn die Erinnerungen an den schrulligen Arzt legt man als Zuschauer von «The Night Manager» schnellstens ab.

Dieses Katz-und-Maus-Spiel im Stile von Bond ist es, was diese Serie ab der ersten Sekunde so abwechslungsreich macht. Allein in den ersten drei Folgen geht es an vier zentrale Handlungsschauplätze: Neben Kairo sind es Zürich, Nordirland, Mallorca. Die Spielorte werden in grandiosen Kamerabildern eingefangen und emotionalisieren den Zuschauer: aufregend, kalt, rau und gemütlich, purer Sonnenschein. Das Großartige ist, dass sich gleichzeitig der Charakter des Nachtmanagers Pine stark verändert, als würden die Schauplätze auf ihn abfärben. Am Anfang erleben wir den zuvorkommenden, hoch professionellen Hotel-Concierege, der immer stärker sein wahres Ich hervorholt, je stärker er sich mit der Geheimdienst-Operation gegen Roper identifiziert. Es ist ein großer Genuss, diese Charakterentwicklung zu beobachten – immer im Unwissen, wie weit es Pine noch treiben will.

Und was kommt nach dem Finale von «The Night Manager»? Über eine zweite Staffel wird zumindest bereits spekuliert, «The Night Manager» könnte eine Art „James Bond in Serie“ werden – also mit jeweils einem neuen Fall pro Staffel. Die Produktionsfirma hält sich bedeckt: Man würde liebend gern weitermachen, aber es gibt derzeit keinen Deal. Deadline berichtet, dass tatsächlich keine konkreten Planungen für eine weitere Staffel vorliegen. Derweil gilt «The Night Manager» schon jetzt als Anwärter auf die ganz großen TV-Awards des nächsten Jahres. Und in ein paar Wochen startet die US-Ausstrahlung beim Sender AMC. Sollten die dortigen Zuschauer ebenfalls dem „Pine vs. Roper“-Hype verfallen, kann sich wohl niemand mehr neuen Folgen verwehren.
03.04.2016 13:59 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/84731