Verschwörung, Part zwei

Die Kritiker: Wie schon der erste Film der Reihe bewegt sich die «Dengler»-Fortsetzung nah an der Verschwörungstheorie. Das hohe Niveau des ersten Films hält die Produktion nicht wirklich.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Ronald Zehrfeld («Finsterworld») als Georg Dengler, Birgit Minichmayr («Das Parfum») als Olga, Jannis Niewöhner («Rubinrot») als Jakob Dengler, Rainer Bock («Bornholmer Straße») als Dr. Müller, Jörg Schüttauf («Der Staat gegen Fritz Bauer») als Carsten Osterhannes, Altamasch Noor als Cem, Roxane Duran («Verstehen Sie die Béliers») als Laura, Götz Schubert («Der Turm») als Schneiderhahn, Marie-Lou Sellem («Dornröschen erwacht») als Hilde und viele mehr


Hinter den Kulissen:
Regie und Buch: Lars Kraume, nach dem gleichnamigen Roman von Wolfgang Schorlau, Musik: Christoph Kaiser und Julian Maas, Kamera: Jens Harant, Schnitt: Barbara Gies, Produktion: Bavaria Fernsehproduktion in Zusammenarbeit mit Cuckoo Clock Entertainment

Nach der Sechs kommt normalerweise die Sieben. So viel wissen auch die meisten mittelmäßig begabten Grundschüler. (Um keine Gender-Debatte loszutreten: Auch die einigermaßen intelligenten weiblichen Besucher dieser Bildungseinrichtung sind auf einem vergleichbaren Stand.) Insofern ist es nicht unlogisch, dass nach der Verfilmung des sechsten «Dengler»-Romans von Wolfgang Schorlau auch das siebte Buch in eine Fernsehproduktion gegossen und abgedreht wurde. Warum ist es dann überhaupt erwähnenswert? Weil diese beiden Filme die einzigen sind, die bislang den Weg ins Fernsehen gefunden haben. Dabei gäbe es insgesamt sechs weitere Fälle, die allesamt eine gewisse Berechtigung hätten, vorher ausgestrahlt zu werden.

So könnten die ersten fünf Fälle dazu dienen, sich der Figur Dengler wirklich anzunähern, deren Motive noch besser zu verstehen. Doch ist es hier wohl eine künstlerische Entscheidung – das Kennenlernen geht so langsamer vonstatten, vieles bleibt auch nach der zweiten Verfilmung rätselhaft, vor allem da man sich auf die Bücher als Grundlage nicht wirklich verlassen sollte (zu stark hier die Unterschiede zwischen Film und Roman). Da wäre aber auch noch Buch acht, welches sich um die verstorbenen NSU-Mitglieder Böhnhardt und Mundlos, die strammen Uwes, dreht. Auch wenn es an der zugehörigen Romanvorlage einiges zu kritisieren gibt: Aktuell wäre die Verfilmung sicher gewesen. Nun ist es müßig über die Wahl zu diskutieren, dennoch muss gesagt werden, dass die Thematik des nun entstandenen Films «Dengler – Am zwölften Tag» zumindest nicht im brennenden Fokus der Öffentlichkeit steht.

Steckbrief

Frederic Servatius schreibt seit 2013 für Quotenmeter. Dabei ist er zuständig für Rezensionen und Schwerpunktthemen. Wenn er nicht für unser Magazin aktiv ist, arbeitet er im Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder schreibt an seinem Blog. Immer wieder könnt Ihr Frederic auch bei Quotenmeter.FM hören. Bei Twitter ist er als @FredericSrvts zu finden.
Erzählt wird von einer Gruppe Tierschutzaktivisten, deren Protestinteresse sich im Laufe ihrer Aktion auf etwas anderes verlagert hat: Die beobachtete Industrie beutet nämlich nicht nur Tiere aus, sondern auch Menschen. Genauer gesagt rumänische Leiharbeiter. Wieso aber kommt der aus dem BKA ausgeschiedene Dengler da überhaupt ins Spiel? Nun, sein Sohn Jakob scheint einer der Aktivisten gewesen zu sein – und nun ist er Verschwunden, antwortet nur noch per SMS und dann ganz seltsame Dinge, wie der ausgefuchste Protagonist Dengler schnell merkt. Also zumindest so schnell, dass er Jakobs Mutter noch gerade daran hindern kann, die Polizei zu verständigen. Das wiederum wäre nämlich insofern fatal, als Dengler noch Hackerin Olga bei sich Zuhause verstecken muss, der er einen Gefallen schuldet. Doch nach und nach erkennt der Ex-Ermittler, wie gefährlich die Großindustriellen tatsächlich sind, für die auch Menschenleben im Zweifelsfall nur Kollateralschaden sind.

Mit der Tür ins Haus oder nur zaghaft klopfen?


Auch aufgrund der Verbindung der Geschichten, wirkt die Story in den Anfangsminuten willkürlich aneinandergereiht. Das ist zweifelsohne beabsichtigt, doch ist das Zusammenführen der Aspekte nicht so gelungen wie wohl gewollt, vor allem weil die Sequenzen, die vornehmlich den Handlungsstrang um Olga berühren im mittleren Drittel des Films weitgehend zur Ruhe kommen und dann aus dem Nichts wieder rausstechen als wären sie die ganze Zeit sichtbar gewesen. Zumindest in diesem Part der Produktion wirkt die Entwicklung kaum stimmig. Merkliche Probleme macht auch der Beginn des neuen «Dengler»-Falles, der zwar gleich mit der Spannungstür ins Haus fallen will, aber merken muss, dass ein zaghaftes Klopfen kaum reicht um sie zu öffnen. Als dann aber nach etwa 20 Minuten die ersten kräftig Tritte erfolgen, springt die Tür auf, als wäre sie nie in den Angeln gewesen.

Dass bei der Produktion ein großer Teil der Crew im Vergleich zum ersten Teil erhalten geblieben ist, macht sich hingegen deutlich bemerkbar, meistens positiv: Der Score bleibt ähnlich zurückhaltend wie schon beim Vorgänger, versteht es aber die Intensität der Situationen wo nötig zu verstärken, in den richtigen Momenten aber auch kurzzeitig Druck abzubauen. Es ist aber vor allem die Kontinuität in der Erzählweise, die naheliegend ist, aber zumindest zwei Seiten bietet: Zum einen ist es so, dass der Fall kritische obgleich nicht völlig aktuelle Themen angeht und damit interessant wirkt. Allerdings ist es erneut sichtbar, dass sich die Erzählung (sicher basierend auf den Überzeugungen des Alt-68ers Schorlau) wieder auf eine Ebene begibt, die das System als Solches anzweifelt und Taten einzelner korrupter Figuren als Kollektivschuld darstellt. Das kann man sicher machen, aber der Vorwurf der Verschwörungstheorie steht dann naheliegenderweise gleich hinter dem Berg. Die Strukturen, die damit vermittelt werden sollen sind jedenfalls spätestens nach der halben Laufzeit des Films klar. Die Jagd nach Tätern und Opfern steht daher im Fokus, was der Produktion nicht wirklich zuträglich ist.

Von Seelenfressern und Gutmenschen


Letztlich ist es aber vor allem die simple Ebene, auf die der Aktivismus gegen die Fleischindustrie heruntergebrochen wird. Tiere werden von unmoralischen Seelenfressern genauso gequält wie Menschen und der vermeintliche Gutmensch leidet darunter und erhebt seine Stimme. Das aber ist nicht nur ein Zerrbild, sondern schlicht ein Klischee. Dass Dengler zusätzlich gelegentlich hölzerne Formulierungen raushaut die klingen wie „Scheiße, das'ne Zivilstreife, halt Dich fest“, hilft dann auch nicht unbedingt. Ohnehin sind es nicht die stärksten 90 Minuten, die Protagonist Ronald Zehrfeld auf die Schirme legt. Auch wenn man zugeben muss, dass ihm das Drehbuch seine Arbeit zusätzlich schwer macht.

Eine erweiterte horizontale Erzählweise würde die Produktion wohl stärken; mehr Verbindungen zu alten Fällen und Denglers Geschichte zu schlagen dürfte dabei nicht allzu schwer fallen. Doch klar: Wenn zwischen zwei Ausstrahlungen bald zwei Jahre vergehen, ist es natürlich nicht einfach, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Isoliert betrachtet ist der neue Fall von Georg Dengler auch kein schlechter Film. Doch er muss sich an seinem Vorgänger messen lassen, der zwar ebenfalls auf der Klippe zum Aluhut stand, aber inhaltlich dabei dennoch überzeugte. An zu vielen Stellen lässt sich dieses Fazit für die Fortsetzung nicht sprechen. Wohl auch deshalb wäre es wohl besser gewesen, sich um Böhnhardt und Mundlos zu kümmern. Ein Gedanke, den auch der Verfassungsschutz vor einiger Zeit gehabt haben dürfte.

«Dengler – Am zwölften Tag» läuft am Montag, 14. März um 20.15 Uhr im ZDF.
14.03.2016 08:12 Uhr  •  Frederic Servatius Kurz-URL: qmde.de/84330