«Der Dennis Show» auf RTL II: Dennis in der Identitätskrise

Quotenmeter.de vor Ort: Die Kultfigur Dennis aus Hürth hat heute seinen ersten Auftritt in seiner eigenen Show. Wir haben die Sketchcomedy vor Ort unter die Lupe genommen.

Schauspieler Martin Klempnow

Martin Klempnow wurde am 28.10.1973 in Köln geboren und studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Neben diversen Auftritten in Theaterstücken wie «Die Hermannsschlacht» und« Romeo & Julia» ist Klempnow schon seit 1993 als Darsteller im Fernsehgeschäft tätig. Nach Auftritten in der Daily Soap «Verbotene Liebe», Fernsehfilmen wie «Popp dich Schlank!» und Serien wie «SOKO Köln» folgt sein endgültiger Durchbruch 2010 mit der Figur des Dennis aus Hürth in der Sketch-Comedy «Switch-Reloaded».
Wenn eine Rolle einen größeren Bekanntheitsgrad erreicht als der dazugehörige Darsteller, kann das Fluch oder Segen sein. Einerseits bietet eine immer wiederkehrende Figur, auf die der Schauspieler sich verlassen kann, Sicherheit in einem von Natur aus unsicheren Berufstand. Diese Figur kann auch ein Eigenleben entwickeln, das man über die Grenzen von Film- und Fernsehproduktionen hinaus erforschen und ausprobieren kann. So zum Beispiel auf der Bühne, im Radio oder in anderen Medienformaten. Andererseits besteht die Gefahr, dass der Darsteller auf diese eine Rolle festgelegt wird und wenige andere Rollenangebote erhält, welche die gesamte schauspielerische Bandbreite fordern. Außerdem funktioniert eine einst klein konzipierte Figur nicht immer in einem großen Rahmen.

Trotz dieser Risiken hat Martin Klempnow diesen Schritt gewagt. „Wer?“ mag der ein oder andere Leser vielleicht fragen. Martin Klempnow ist mittlerweile in der deutschen Fernseh- und Comedylandschaft besser als Dennis aus Hürth bekannt. Dennis ist seinerseits der wohl älteste 21jährige Berufsschüler der Welt. Eine komödiantisch angelegte Kunstfigur, die mit braun gebrannter Haut, rosa Cappy, Goldkette, glitzernden Ohrringen, einem gespaltenem Verhältnis zur deutschen Grammatik und einem überspitzten männlichem Poser-Verhalten gleichzeitig ein ganzes Milieu parodiert und die Klischeeversion dieses Milieus in den Medien auf die Schippe nimmt. Zumindest war das noch in den guten, alten «Switch Reloaded»-Zeiten der Fall. In der Parodie des Scripted Reality- Formates «Mitten im Leben» verfolgte der Schüler der Pierre Littbarski-Berufsschule mal mehr, aber oftmals weniger ehrgeizig die Ausbildung zum Maurer. Er tauschte das iPhone seiner kettenrauchenden Großmutter gegen einen kleinen Hund für seine Freundin Larissa ein, nur um diesen wieder gegen eine teure Handtasche einzutauschen. Diese musste wie der Hund ebenfalls zweimal am Tag Spazieren geführt werden, um damit bei den Nachbarn anzugeben. Seine Ausbildung zum Maurer wollte er abbrechen, um Türsteher zu werden. Ein Traum, den er schnell wieder aufgab. Er kaufte sich ein teures Fitnessgerät, um es kurz danach unbenutzt im Wohnzimmer stehen zu lassen.

Dennis war zumindest in diesem Kontext ein absurd-komisches Porträt eines innerhalb von Sekundenbruchteilen erlöschenden Ehrgeizes. Wenn es für ihn mal härter wurde, der Traumkörper doch nicht so schnell erreicht werden konnte und der Traumjob doch nicht so traumhaft war, konnte er sich mit erfundenen Bauchschmerzen und Terminen gar nicht schnell genug aus der Affäre ziehen. Die semi-dokumentatomischen Abenteuer und vor allem Dennis selbst avancierten schnell zum Kult. Es folgten Auftritte bei «Circus Halligalli», bei «TV Total» und eine Reihe von wiederkehrenden Anrufen bei 1LIVE, wo Dennis tonal wie textlich völlig falsche Karnevalslieder sang, Lehrberufe wie Garten- und Landschaftsbauer erklärte, seine Gedanken zum Dschungelcamp und dem großen Vorbau einer Kandidatin mitteilte, über Videospielverfilmungen wie «Assassins Creed» philosophierte und sich eine Handlung zur bevorstehenden Kinoadaption von «Angry Birds» zusammen spann. Er ging mit diversen Stand-Up Specials deutschlandweit auf Tournee, trug seinen ungelenken Vorstellungsgesprächsmonolog vor und las aus seinem abenteuerlichen Praktikums-Bericht vor.

Die Kultfigur Dennis bekommt ein konfuses TV-Experiment
Die Beliebtheit der Figur ist unbestreitbar und ein eigenes Fernsehexperiment war nur eine Frage der Zeit. Wie dies allerdings aussieht, bleibt eine Frage, die weder die produzierenden Firmen Klempe Turbo Entertainment und Red Seven Entertainment noch der ausstrahlende Sender RTL II so richtig beantworten können. Aufgezeichnet wird die zunächst auf sechs Episoden angelegte Comedy-Sendung «Der Dennis Show» innerhalb von drei Tagen in den Nobeo Studios in Köln Hürth (wo auch sonst?). Es findet sich ein hauptsächlich junges Publikum zusammen, in dem aber auch hin und wieder das ein oder andere graue Haar auftaucht. Dennis spricht eben alle Altersgruppen an. Der Spaß beginnt schon im Foyer: Hier gibt es alkoholische und nicht-alkoholische Getränke und die Zuschauer stellen sich im Kreis auf, um mit der Kamera aufgenommen zu werden. Aus diesem Kreis werden zwei Kandidaten ausgesucht für… naja, für was eigentlich?

Scheinbar handelt es sich um eine Parodie des britischen Auto-Magazins «Top Gear». Schon hier kann sich leichte Verwirrung einstellen, wenn man entweder etwas weiter hinten steht und nicht alles mitbekommt oder das Format «Top Gear» nicht kennt. Der Kandidat und die Kandidatin sind kein essentieller Teil mehr der folgenden Aufzeichnung und das Geheimnis rund um «Top Gear» wird zumindest an diesem Abend nicht mehr aufgelöst. Aber so ist das mit der TV-Magie. Zeit und Raum haben keine Bedeutung, denn alles kann letztendlich, so wie es sich die Produzenten wünschen, zusammen geschnitten werden. Dies bekommen die Zuschauer auch noch einmal im Studio kurz vor Beginn der eigentlichen Aufzeichnung zu spüren: Bilder vom Publikum werden von diversen Kameras eingefangen, klatschend, lachend, in so vielen Variationen wie möglich, um es später an den passenden Stellen wieder einzufügen. Dafür müssen die Zuschauer beim Warm Up natürlich erst einmal dressiert werden. Und man muss sich auch, wie es sich im tiefsten Köln gehört, über die paar versprengten Düsseldorfer im Studio-Publikum lustig machen. Der Grundton ist aber: „Alles nur Spaß!“ Niemandem wird wirklich wehgetan und niemand muss beleidigt sein. Auch die Düsseldorfer nehmen es mit Humor. Für die Novizen unter den Zuschauern ist dieser anfängliche Hokuspokus im Fernsehstudio wahrscheinlich ein wenig ernüchternd, aber auch aufregend.

Mehr dazu auf der nächsten Seite: Die Show geht los mit verlegenen und vereinzelt ausgelassenen Reaktionen.

Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar, welche der insgesamt sechs Aufzeichnungen zuerst und welche Elemente in welcher Reihenfolge ausstrahlt werden. Diese Art von Konzeptlosigkeit spiegelt sich leider auch bei der Aufzeichnung selbst wieder. Die anfängliche Verwirrung ist mit dem ersten Auftritt von Dennis jedoch schnell vergessen. Quasi als zusätzliches Warm Up beschäftigt er sich mit dem Publikum, pickt sich einzelne Pärchen heraus, bei denen er die Freundin für viel zu gut aussehend für den dazugehörigen Freund hält. Das Publikum soll ein großer Teil des Geschehens bleiben und das Scheinwerferlicht ist permanent auf die Zuschauerreihen gerichtet. Die Eingangssequenz, die auf den Studiomonitoren zu sehen ist, sorgt für allgemeine Erheiterung: Dennis stylet sich die Haare, putzt sich die Zähne, legt die Goldkette um, nimmt sich ein altes Stück Pizza aus dem dazugehörigen Karton, macht sich Currywurst in der Mikrowelle warm und verbrennt sich den Mund daran. Auf dem Weg zur Berufsschule trifft er auf eine Gruppe von Freunden, alle geben sich poserhaft die Flosse und nachdem sie ein paar Sekunden schweigend im Kreis stehen, stellen sie fest, dass sie sich rein gar nichts zu sagen haben. Dies ist ein simpler, aber effektiver Gag, der auf den selbstironischen Dennis hoffen lässt, den man noch aus «Switch-Reloaded» kennt. Eine Hoffnung, die jedoch enttäuscht wird und die Freundesgruppe wird leider auch aus der fertigen Sendung geschnitten.

Was sich im Folgenden bietet, ist eine Clipshow, die an Anke Engelkes „Ladykracher“ und Bully Herbigs und Rick Kavanians «Bully & Rick» erinnert. Doch scheint es fast so, als möchte Schauspieler Martin Klempnow beides haben: Einerseits baut auf er dem Kultstatus der allseits beliebten Dennis-Figur auf, andererseits nutzt er diese als Vehikel, um zu zeigen, was er sonst noch kann. Das ist durchaus legitim, wenn auch reichlich konfus. Denn letztendlich hat man hier einen Schauspieler, der eine Rolle spielt, die wiederum Clips im Fernsehen vorstellt, in denen der Schauspieler wieder andere Rollen spielt. Dennis scheint in einer handfesten Identitätskrise zu stecken und zu lang und intensiv sollte man lieber nicht darüber nachdenken, sondern sich den Parodien zuwenden. Aber auch hier lässt sich kaum ein roter Faden erkennen.

Mehr Wort-Assoziationsspiel als durchdachte Sketche
In einem etwas haarsträubenden Sketch spielt Klempnow den Fußballspieler Jérôme Boateng. Sieht man von der diskutablen Tradition dahinter ab, wenn sich weiße Darsteller zwecks komödiantischer Wirkung schwarz schminken, wirkt der Inhalt des Sketches aus der Luft gegriffen: Boateng wird als krankhaft Schüchterner porträtiert, der sich nur mit Hilfe einer Therapeutin durch den Alltag kämpfen kann. Auf welcher Grundlage dieser Gag fußt, bleibt offen. In einem anderen Clip erscheint Dennis im Terminator-Stil nur mit Unterhose bekleidet auf einem Parkplatz, mit mechanischen Bewegungen geht er in einen Coffeeshop und verlangt Bart, Brille und Kleidung eines anwesenden Hipsters, nur um hinterher festzustellen, dass die Hose im Schritt kneift. Eine der inspirierteren Parodien spielt mit Schnitt und Kontinuität einer nachgestellten Tatort-Episode. Die Horrorserie «The Walking Dead» wird in «The Walking Dad» unbenannt und hat einen zombifizierten Vater als Protagonisten. Und weil RTL II «Der Dennis Show» zumindest am ersten Ausstrahlungsabend direkt nach «Game of Thrones» sendet, darf eine entsprechende Persiflage nicht fehlen: Kinder in Drachenkostümen verbrennen hierbei Bauern, Köpfe werden abgeschlagen, die aber hinterher noch weiter quatschen und irgendwann wird noch die Titelmelodie von «Grisu, der kleine Drache» in die krude Mischung geworfen. Diese Sketche gleichen mehr einem Wort-Assoziationsspiel als wohl überlegten Witzen. Es ist schwer, nicht den Vergleich zu den viel präziseren Switch-Parodien zu ziehen. Ein Vergleich, bei dem «Der Dennis Show» leider alt aussieht. Das Lachen im Publikum reicht von verlegen bis hin zu vereinzelt ausgelassen, doch insgesamt sind diese kleinen Häppchen der Absurdität zu wenig durchdacht, als dass sie wirklich zünden könnten. Zumindest kann Schauspielerin Sinja Dieks als Klempnows Co-Star und Sparringspartnerin in diesen Einspielern überzeugen. Einem Talent, dem zumindest jetzt noch zu wenig Raum gegeben wird.

Martin Klempnow bleibt unterdessen auch in den Aufzeichnungspausen seiner Rolle treu, fläzt sich während der Drehpausen mit seiner Eisteepackung in die Couchecke und nutzt damit zumindest ein wenig das Wohnzimmer-Studioset, welches ansonsten ziemlich brachliegt. Angeblich soll Klempnow auch in Interviews nur noch als Dennis auftreten. Dies bringt das sogenannte Method-Acting zwar nicht auf eine ganz neue Ebene, aber die Disziplin, die damit verbunden ist, ist durchaus bewundernswert. Wenn er jedoch nicht mit seinem Aufnahmeleiter die notwendigen nächsten Schritte durchspricht, interagiert er mit dem Zuschauern. Wenn Dennis Geburtstagsständchen für Publikumsgäste singt, Preise vergibt und viel zu lange und dementsprechend skurril seine break dance moves zu Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ auspackt, hat Klempnow und vor allem das Publikum Spaß. Diese Art von Humor mag zwar Geschmacksache sein, aber wenn Dennis einfach nur Dennis sein kann, funktioniert die Show optimal. Wenn er dazu gezwungen ist, diverse Einspieler anzukündigen, bleibt die Comedy auch in der fertigen Sendung ungelenk.

„Geschmack“ ist an dieser Stelle ein gutes Stichwort, denn Humor hat viel mit dem selbigen zu tun und ist in den seltensten Fällen eine intellektuelle Fingerübung. Ganz im Gegenteil, Humor attackiert meistens sogar aus einem toten und völlig überraschenden Winkel. Humor muss nicht einmal immer Sinn ergeben, sondern kann, darf und muss meistens unsinnig sein. Der Unsinn muss zumindest vom Witzeschreiber jedoch geplant und durchdacht sein, damit der Zuschauer nicht darüber nachdenken muss. Dies ist hier allerdings äußerst selten der Fall. Geübte Improvisationskünstler, wie es Martin Klempnow offensichtlich ist, können zwar ihr Möglichstes tun, aber völlig ausgleichen können sie solche Schwachpunkte nicht.

Lobend zu erwähnen ist allerdings, dass Dennis seinen Studio-Gästen und den „Freiwilligen“, die er sich aus dem Publikum zieht, auf Augenhöhe begegnet, sich zumindest hier über niemanden mit der Häme oder Überlegenheit des Parodisten lustig macht. Allerdings geht damit einher, dass auch etwas von seiner satirischen Schärfe verloren geht. Dies wäre einfach zu beheben, denn schon ähnlich geartete Prolo-Helden wie zum Beispiel AliG trafen auf zugeknüpfte, am besten politische Persönlichkeiten und zeigten, dass wenn arm auf reich und privilegiert und locker auf konservativ und zugeknüpft trifft, sich automatisch Reibungspunkte ergeben, die komödiantisches Gold wert sein können. Vielleicht ist das von einem Sender wie RTL II viel verlangt, vielleicht aber auch gerade richtig, um die Richtung, die der Sender mit seinen neuen Comedy-Formaten anstrebt, ernst nehmen zu können, so absurd sich das auch anhören mag. Doch auch hier geht man lieber den einfachen Weg: Anstatt Dennis in eine Situation zu werfen, in der er mit improvisierter Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten auftreten kann, mokiert man sich lieber aus sicherer Distanz über das Aussehen des Grünen- und „Hipster“-Politikers Anton Hofreiter. Dieser muss (natürlich dargestellt von Klempnow) in einem mehr oder weniger gelungenen Gag als Haarmodel herhalten und später geschminkt in einer Art Musikvideo-Persiflage der Band Prodigy auftreten. Zum Schluss winkt, man erahnt es, eine weitere Parodie. Dieses mal wird die Serie «Sons of Anarchy» in «Sons of Efferen» unbenannt und die Show schließt mit dem, was Klempnow am besten kann, nämlich mit Dennis selbst. Er begibt sich gewohnt poserhaft mit seiner Gang auf einen Rachefeldzug, der sich letztendlich als Klingelstreich herausstellt.

Die Bande, die gerade noch auf dem Monitor zu sehen war, holt Dennis nun live im Studio ab. Er schwingt sich auf sein Moped, die Sendung ist vorbei und letztendlich ist es schwierig, das Gesehene zu ordnen. Eigentlich hätte alles auch in jeder anderen beliebigen Reihenfolge ablaufen können. Die Show setzt viel voraus und der Zuschauer muss «Game of Thrones», «The Walking Dead», «Top Gear» etc. kennen, denn auf den eigenen zwei Beinen können diese Sketche nicht stehen. Die Stimmung ist dennoch nicht gekippt, schließlich haben wir Dennis live gesehen und Dennis ist ein Mann fürs Studio-Volk. Die nächste Aufzeichnung steht schon in den Startlöchern und die nächsten Fans warten im Studiofoyer. Ob Dennis aus Hürth allerdings über die Grenzen seiner Fangemeinde hinausreichen und neue Zuschauer anlocken kann, und das wird er müssen, ist zweifelhaft.
15.02.2016 09:23 Uhr  •  Stefan Turiak Kurz-URL: qmde.de/83787