Die Kino-Kritiker: «Zoolander No. 2»

15 Jahre nach der kultigen Modebranchen-Farce «Zoolander» legt Ben Stiller endlich nach und liefert ein feuchtfröhliches Sequel, das Stumpfsinn und Hintersinn hervorragend in sich vereint.

Filmfacts: «Zoolander No. 2»

  • Kinostart: 12. Februar 2016
  • Genre: Komödie
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 102 Min.
  • Musik: Theodore Shapiro
  • Kamera: Daniel Mindel
  • Buch: Ben Stiller, Justin Theroux, Nicholas Stoller, John Hamburg
  • Regie: Ben Stiller
  • Darsteller: Ben Stiller, Owen Wilson, Penélope Cruz, Will Ferrell, Kristen Wiig, Justin Theroux, Christine Taylor
  • OT: Zoolander 2 (USA 2016)
In der Modewelt unterscheidet man innerhalb der gehobenen Preisklasse zwei verschiedene Stile. Die prêt-à-porter, was wörtlich übersetzt soviel wie „bereit zum Tragen“ bedeutet und Kleidung beschreibt, die sich im Alltag verwenden lässt, und die haute couture – Mode-Kreationen, wie man sie in erster Linie auf dem Laufsteg diverser High-Class-Modelabels wiederfindet. Nutzbarkeit gegen Exzentrik, zweckmäßig gegen auffällig, erschwinglich gegen preislich horrend: Als Fashionvictim muss an sich irgendwann für eine Seite entscheiden. Es ist also ein bisschen wie im Kino, in dem der Kampf zwischen Anspruch und Entertainment jeden Starttag aufs Neue ausgetragen wird. Der Filmkultur muss man allerdings zugute halten, dass sich die beiden Seiten hier durchaus vereinen lassen, während Modekenner in ihrer Einordnung der Kleidungsstücke schon ganz genau unterscheiden müssen. Als Designer müssen diese nämlich ganz besondere Kriterien erfüllen, um sich einer der beiden Klassifikationen zuordnen lassen zu können. Nur wenige Labels dürfen sich überhaupt damit schmücken, echte haute-couture-Mode anbieten zu dürfen.

In der Filmwelt ist das anders. Hier darf sich jeder frei in jedem Genre und Tonfall probieren, ganz so, wie es ihm beliebt. Lediglich die geldgebenden Studios und Produzenten haben da meist noch ein Wörtchen mitzureden, immerhin sollte sich ein Filmprojekt an den Kassen auch refinanzieren. Im Falle von «Zoolander No. 2» haben wir es – würde man die Fortsetzung der Kultkomödie «Zoolander» von 2001 – mit einem cineastischen Hybriden aus haute-couture-Parodie und prêt-à-porter-Klamauk zu tun. Darum, dass dieser Spagat funktioniert, kümmert sich wie schon im Vorgänger auch diesmal Regisseur Ben Stiller, der sich zuletzt im Rahmen der schwelgerischen Sinnsuche «Das erstaunliche Leben des Walter Mitty» neu erfand und sich im zweiten Teil der abgedrehten Fashionvictim-Karikatur vollends fallen lassen darf. Das geht allerdings nur, weil er sich auch hier einmal mehr auf ein herausragendes Ensemble verlassen kann. Neben ihm sind erneut Owen Wilson («Inherent Vice») als sein zänkischer Widersacher Hansel, Penélope Cruz («The Counselor») als verpeilte Interpol-Agentin Valentina, eine nicht wiederzuerkennende Kristen Wiig («Der Marsianer – Rettet Mark Watney») als mit einem irren Fantasieakzent ausgestattete Designerin Alexanya Atoz und Will Ferrell («Der Knastcoach») als Bösewicht Mugatu zu sehen.

Die Welt braucht Derek Zoolander mehr denn je! Denn bereits mehrere Berühmtheiten wurden ermordet. Und alle haben während ihres letzten Atemzugs noch schnell ein Selfie im „Blue Steel“-Look gemacht. Eigentlich hat die Modebranche Derek (Ben Stiller) vergessen, er und Hansel (Owen Wilson) haben sich zur Ruhe gesetzt. Doch ohne ihre Hilfe ist die gesamte VIP-Welt in großer Gefahr. Dass auch Modezar Mugatu (Will Ferrell) wieder seine Finger im Spiel zu haben scheint, macht das Ganze nicht einfacher. Die Rettung aus dieser mehr als bedrohlichen Lage erfordert den geballten Intellekt der beiden Ex-Models. Die notwendige Unterstützung bekommen sie dabei von der resoluten Interpol-Agentin Valentina (Penélope Cruz), die immer noch darunter leidet, dass sie wegen ihrer beachtlichen Oberweite als Model nie High Fashion präsentieren durfte, sondern auf Bademoden und Unterwäsche reduziert wurde. Wer aber steckt hinter den schrecklichen Morden? Können Derek und Hansel die Welt noch einmal retten? Was ist aus Dereks Sohn, Derek Jr. (Cyrus Arnold), geworden? Wie sieht der von Derek neu entwickelte Look „Purpose“ aus? Und vor allem: If God exists, why did he make ugly people?

Ganze 15 Jahre liegen zwischen den Eskapaden aus «Zoolander» und dem dieser Tage in den Kinos startenden Sequel, das dem Zuschauer ein weiteres Mal den Blick hinter die weitestgehend (!) fiktiven Kulissen des US-amerikanischen Modezirkus gewährt. Wie auch schon sein Vorgänger lebt auch «Zoolander No. 2» vor allem von drei Dingen: Da wäre zu allererst die phänomenale Chemie zwischen den Hauptfiguren Ben Stiller und Owen Wilson, da ist der bissige Kommentar, den dieser Film auch diesmal auf die Kuriositäten der Modewelt abgibt und da ist das Abbrennen eines Feuerwerks an Cameo-Auftritten. Aufgefüllt wird dieses Puzzle selbstverständlich vom vollkommen abgedrehten Humor, der so unberechenbar und zwischen grenzenlos debil und wunderbar hintersinnig changierend daherkommt, dass schon nach wenigen Minuten kein Auge trocken bleibt. Wen genau die Macher diesmal für die kleinen und großen Gastauftritte in «Zoolander No. 2» gewinnen konnten, sei aus Spoiler-Gründen an dieser Stelle nicht verraten.

Darüber hinaus möchten wir allen interessierten Lesern ans Herz legen, sämtliche Werbetrailer vorab zu meiden, denn viele Momente innerhalb des Films entfalten ihren ganzen Witz erst durch den Überraschungseffekt während des plötzlichen Auftauchens einzelner Darsteller. Nur so viel sei verraten: Es gibt ein Wiedersehen mit alten Bekannten und es gibt ein regelrechtes Schaulaufen diverser Gaststars die in ihren schrillen Kostümen und exzentrischen Auftritten teilweise nur schwer zu erkennen sind.

In den wichtigen Nebenrollen sticht vor allem Kristin Wiig hervor, die nicht nur aufgrund ihrer schwer verständlichen Aussprache jede ihrer Szenen um ein Vielfaches aufwertet, sondern die auch die abgedrehtesten Kostümkreationen mit Würde aufträgt. Das gilt auch für ihre Kollegen, die allesamt Figuren verkörpern, die in «Zoolander No. 2» vollkommen jenseits logischer Grundsätze. Sowohl die Figurenzeichnung als auch das Szenario selbst entbehren einmal mehr jedwedem Realismus. Stattdessen bietet dieser Film bietet pur auf ganz, ganz hohem Niveau, dem Ben Stiller, Owen Wilson, Will Ferrell und Penélope Cruz mithilfe ihres unbändigen Engagements Herr werden.

Obwohl es in einer Produktion dieses Schlages gar nicht zwingend notwendig wäre, geben sich alle Beteiligten Mühe, ihren Charakteren Leben einzuhauchen. Da Derek Zoolander und Hansel noch aus Teil eins bekannt sind, haben es Stiller und Wilson nicht allzu schwer, an den emotionalen Backround ihrer Figuren anzuknüpfen. Doch gerade Penélope Cruz überrascht; macht sie ihre Rolle der Ermittlerin Valentina doch zu einer interessanten Frau, die trotz lapidarer Backroundinformationen wie jene, dass sie nach wie vor darunter leidet, dass sie als Model einst nur Bademode präsentieren durfte, ein Profil besitzt, dessen Anziehung auf die beiden männlichen Hauptfiguren man als Zuschauer nachvollziehen kann.

Mit Ausnahme einiger Figuren muss das «Zoolander»-Universum selbst in der Fortsetzung nicht mehr etabliert werden. Ben Stiller schmeißt sein Publikum nach einer erklärenden Rückblende, die all jenen Zuschauern die Ereignisse aus Teil eins erklärt, die den Vorgänger nicht gesehen haben, mitten hinein in eine Szene, in welcher ein weltberühmter Musiker Opfer des geheimnisvollen Killers wird. Inszenatorisch folgt «Zoolander No. 2» anschließend dem klassichen Whodunit-Prinzip, doch inhaltlich geht es vorzugsweise um das Zusammenwachsen von Derek und Hansel. Es macht Spaß, die beiden hier endlich einmal wieder mit-, anstatt gegeneinander agieren zu sehen. Dass die Darsteller das erneute Schlüpfen in ihre absurden Rollen sichtlich genießen, macht aus «Zoolander No. 2» ein diebisches Vergnügen, dass es verschmerzen lässt, dass nicht jeder Gag zündet. Angesichts der immensen Pointen-Schlagzahl ist das ohnehin kein Wunder.

Die vier Drehbuchautoren um Ben Stiller und Justin Theroux («Tropic Thunder») lassen keinen Stein auf dem anderen, schrecken vor nichts und Niemandem zurück und jede noch so kleine Gruppe ethnischer Herkunft oder sexueller Ausrichtung bekommt liebevoll ihr Fett weg. Das stellt manch eine erwartbare Storywendung in den Schatten und dürfte darüber hinaus jenen Skeptikern den Wind aus den Segeln nehmen, die sich vorab über die Figur des androgynen Models All echauffierten und den Autoren vorwarfen, sich hier auf Kosten einer gesamten sexuellen Orientierung lustig zu machen. Das ist schlicht nicht richtig, da es den Kern des Humorverständnisses von «Zoolander No. 2» unberücksichtigt lässt. Hier geht es Niemandem darum, über Klischees zu lachen, sondern sie zu demaskieren, zu unterwandern, sich nicht davor zu scheuen, mit ihnen zu lachen.

Es steckt also überraschend viel Hintersinn in «Zoolander No. 2». Neue Figuren, neue Ideen, neue Umstände: Ganz wie die Mode selbst hat sich auch Ben Stiller in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder neu erfunden. Nach feinen Charakterstudien wie die Romanverfilmung um Walter Mitty darf er nun nach einer humoristischen Generalüberholung wieder einmal voll auf die – pardon – Kacke hauen und macht das in «Zoolander No. 2» hauptsächlich oberhalb der Gürtellinie. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Komödie besonders brav wäre. Ihr freches Augenzwinkern erhält sie sich durch ihre genaue Beobachtungsgabe der Modebranche. Der Film lässt schlussendlich nur einen Schluss zu: Es ist viel zu selten, dass diese oberflächliche Werbemaschinerie ihr Fett weg bekommt!

Fazit: Mehr Gaststars, mehr Mode, mehr Zeitgeist – das fetzt! In «Zoolander No. 2» ist alles noch eine Spur pompöser und bombastischer, doch trotz der Konzentration auf den Klamauk hat auch diese absurde Komödie das Herz am rechten Fleck. Ben Stillers neueste Regiearbeit legt die Latte für das Komödiengenre im Jahr 2016 ganz weit nach oben. Wir sagen: ab ins Kino und Cameos zählen!

«Zoolander No. 2» ist ab dem 18. Februar bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
14.02.2016 09:30 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/83728