Ein Thema von beklemmender Aktualität: «Suffragette - Taten statt Worte» erzählt von einer Frauenbewegung, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts für Gleichberechtigung einsetzte.
1903 gründete Emmeline Pankhurst (Meryl Streep) in Großbritannien die „Women’s Social and Political Union“, eine bürgerliche Frauenbewegung, die in den folgenden Jahren sowohl durch passiven Widerstand, als auch durch öffentliche Proteste bis hin zu Hungerstreiks auf sich aufmerksam machte. Neben dem Wahlrecht kämpften sie für die allgemeine Gleichstellung der Frau und für heute so selbstverständliche Dinge wie das Rauchen in der Öffentlichkeit. Die sogenannten „Suffragetten“ waren teilweise gezwungen in den Untergrund zu gehen und ein gefährliches Katz- und Maus-Spiel mit dem immer brutaler zugreifenden Staat zu führen. Es waren größtenteils Arbeiterfrauen, die festgestellt hatten, dass friedliche Proteste keinen Erfolg brachten. In ihrer Radikalisierung riskierten sie alles zu verlieren – ihre Arbeit, ihr Heim, ihre Kinder und ihr Leben. Die Wäscherin Maud (Carey Mulligan), verheiratet und Mutter eines Sohnes, war eine von ihnen…
Die Wahl von Hauptfigur Maud ist clever. Die von Carey Mulligan («Der große Gatsby») hingebungsvoll gespielte Rebellin buhlt selbst zu ihren Zeiten als Arbeitskraft in der Wäscherei nie um das Mitleid des Zuschauers. Die Bedingungen, unter denen Maud schuften muss, reichen von erbärmlich bis unmenschlich. Trotzdem verzichtet das Skript (Abi Morgan, «Die eiserne Lady») darauf, Maud darunter zerbrechen zu lassen. Mulligans Charakter offenbart das vielschichtige Zusammenspiel unterschiedlicher, teilweise sich sogar widersprechender Faktoren. Sie ist die liebende Mutter, die aufbegehrende Frauenrechtlerin, die stumme Gattin und die hoffnungsvolle Kämpferin. Bei den anderen Suffragetten findet sie Schutz und Zuspruch. Insbesondere die von Helena Bonham Carter («Sweeney Todd») zurückhaltend verkörperte Edith, die als Anführerin der Bewegung fungiert und ihre Schäfchen wie eine Familie zusammenhält, steht der zunächst schüchternen Maud liebevoll zur Seite. Durch die verschiedenen Frauentypen, die als unberechenbar dargestellte politische Lage und die sukzessive Eskalation derselben changiert «Suffragette» immer wieder zwischen den Genres Drama und Thriller. Selbst innerhalb der Figuren gibt es Momente, in denen nur schwer Rückschlüsse darauf zu ziehen sind, wer genau wie in welcher Szene handeln wird. «Suffragette» wird zu einem filmischen Hexenkessel, bei dem die einzige Frage die ist, wann dieser bersten wird.
Die Regisseurin konzentriert sich bei der Inszenierung nicht bloß auf die Geschehnisse im Untergrund. Die Planungen der Suffragetten ihrer Anschläge, die Verehrung von Gründerin Emmeline Pankhurst (für deren Verkörperung Grande Dame Meryl Streep leider nur für einen Kurzauftritt vorbeischaut) und der Versuch, die Rebellion mit dem Verlangen nach Frieden und Familie unter einen Hut zu bringen, bilden zwar das Grundgerüst von «Suffragette», doch erst wenn die Frauen – im wahrsten Sinne des Wortes – an die Oberfläche treten, entlädt sich die Beklemmung in teils heftigen, körperlich brutalen Szenen. Momente, in denen eine Zwangsernährung an der inhaftierten Maud vollzogen wird, sind für den Zuschauer kaum erträglich. Auch die Rückständigkeit der Politiker zerrt an den Nerven, wenngleich auf andere Weise. Das Besondere an «Suffragette» ist das Wissen darum, dass es bei diesem Thema keine zwei Meinungen geben darf, und doch die meiste Zeit über Menschen die Oberhand behalten, die eine falsche Einstellung vertreten. So definiert sich der Film in vielen Momenten darüber, dass aus Hoffnungslosigkeit unbändige Wut entsteht, die eigentlich friedliche Menschen dazu verleitet, körperlich aktiv zu werten. Trotzdem ist man in jedem Moment dazu bereit, den Frauen ihr Verhalten zu verzeihen. Denn wenn eine Mutter ihren Sohn an Fremde abgeben muss, weil der Mann ihr den Umgang verbietet, dann kann man sich nicht vorstellen, dass solch herzzerreißende Szenen heute immer noch in einigen Ländern dieser Welt zum Alltag gehören.