Sidney Schering und Manuel Nunez Sanchez haben sich Gedanken über die Show-Zukunft des Senders in der Post-Raab-Ära gemacht - und vertreten unterschiedliche Standpunkte bezüglich Joko und Klaas.
Stefan Raab hinterlässt eine enorme Lücke in Fernsehdeutschland. Vor allem für ProSieben bedeutet Raabs Weggang einen schweren Verlust, geht mit ihm doch das große Sendergesicht: Frech, verlässlich, bei der jungen Altersgruppe beliebt und dennoch primetimetauglich. Es ist jedoch nicht unmöglich, Raabs Position bei ProSieben weiter auszufüllen. Denn eben jene Aspekte, die Raab ausmachten, treffen auch auf das Entertainer-Duo Joko & Klaas zu. Genauso wie Stefan Raab haben sie sich einen verlässlichen, eigenen Markenkern aufgebaut: Wer eine Raab-Sendung eingeschaltet hat, wusste, was ihn erwartet. Auch der Humor von Joko & Klaas hat eine eigene Handschrift, die sich in «Circus HalliGalli» ebenso wiedererkennen lässt wie in «Das Duell um die Welt» und «Mein bester Feind». Diese drei Sendungen haben allesamt eigene Schwerpunkte, trotzdem sind sie überdeutlich als Formate von und mit Joko & Klaas zu erkennen. Eben diesen Wiedererkennungswert braucht es, wenn ProSieben nicht zu einem zweiten, nur etwas jünger aufgestellten Sat.1 werden möchte: Profilschärfe ist im hart umkämpften Medienmarkt unerlässlich.
Keine Frage: Joko und Klaas dürften nach dem Raabschied die mit Abstand heißesten Eisen sein, die ProSieben noch in seinem Show-Köcher hat - das allerdings sagt fast mehr über das Engagement des Senders aus, der sich in den vergangenen Jahren fast ausschließlich auf den Raabinator verlassen hat, als über die Stärke von Joko und Klaas. Denn betrachtet man die Resonanz, die Heufer-Umlauf und Winterscheidt bisher zuteil wurde, lässt sich ganz nüchtern festhalten: «Das Duell um die Welt» ist ein großer Quotenerfolg bei den jüngeren Zuschauern, sämtliche anderen Formate liefen bislang bestenfalls solide bis ganz gut, ohne jedoch Bäume auszureißen. Und noch ein kleineres Problem tut sich auf: Anders als Raab sprechen die beiden den etwas betagteren Teil der Bevölkerung quasi überhaupt nicht an, ihre Erfolge konstituieren sich beinahe vollständig aus der jungen Zielgruppe. Für einen jungen Sender wie ProSieben ist das nicht schlecht, aber wohl zu wenig, um in die Fußstapfen von einem der größten Entertainer des Landes zu treten.
Doch lässt man die jüngere Vergangenheit Revue passieren, scheint man sich auch inhaltlich tendenziell eher rückwärts als vorwärts zu entwickeln: Die großen Coups des Jahres ("Ich hab Polizei", Varoufake) sind Jan Böhmermann gelungen, obwohl dieser weitaus größere Hürden überwinden muss, mit seinem Format bei der breiteren Masse anzukommen. Mit Olli Schulz (Foto) hat man ein Ensemble-Mitglied verloren, das für einige herausragende Einspieler und Studio-Aktionen stand und die mysteriöse Oma Violetta wurde durch einen eher plumpen Cindy-aus-Marzahn-Prollo-Verschnitt ersetzt. Man muss die Situation nicht künstlich dramatisieren: Ja, ProSieben und das Duo Joko und Klaas sind alles in allem eine Erfolgsgeschichte - aber dass sie groß genug ist, um ansatzweise an jene heranzureichen, die Raab schrieb, muss dann doch noch einiges passieren. Aber vielleicht ist es auch vermessen, von den beiden zu erwarten, dass sie mal eben ein Jahrhunderttalent wie den gelernten Metzger ersetzen sollen.