Die 10 besten Serien-Neustarts 2015

Nicht nur die USA brachten im vergangenen Jahr echte Hits hervor, auch Deutschland mischte im Seriengeschäft kräftig mit. Welche neuen Serien am meisten überzeugten und welche Rolle Netflix spielte.

Schon seit Jahren vollzieht sich in ein Wandel in der Unterhaltungsindustrie. Immer mehr laufen Serien dem Kino den Rang ab, das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass immer mehr Kreative und Schauspieler, die früher vor allem für Produktionen auf der Leinwand arbeiteten, nun das Fach wechseln und sich dem Seriengeschäft widmen. Mit dem Netflix-Start in Deutschland kamen auch deutsche Serien-Fans zuletzt immer öfter in den Genuss hochwertiger Serien-Formate – nicht zuletzt, weil der Streaming-Dienst 2015 mit seinen Eigenproduktionen selbst kräftig den Serienmarkt durcheinanderwirbelte. Doch 2015 stand auch für eine kleine Renaissance der deutschen Serie, von der in den vergangenen Jahren (zu) wenig zu hören war.

Hier gibt es die unserer Ansicht nach zehn besten Neustarts des Jahres 2015 nach chronologischer Reihenfolge ihres Premierendatums:

«Better Call Saul» (AMC)
Fünf Staffeln lang zelebrierten Serienfans aller Welt Vince Gilligans Drama-Serie «Breaking Bad». Ab dem 8. Februar 2015 erhielt schließlich auch der schmierige und gewiefte «Breaking Bad»-Anwalt Saul Goodman mit «Better Call Saul» sein eigenes AMC-Format, das seine Vorgeschichte vom kriminellen Betrüger hin zum mit allen Wassern gewaschenen Pflichtverteidiger erzählt. Zwar wird auch die tragische Vorgeschichte des «Breaking Bad»-Charakters Mike Ehrmantraut aufgearbeitet, trotzdem eignet sich das Format auch für Zuschauer, die die Serie um Drogenbaron Walter White noch nicht kennen. Auch «Better Call Saul» hat seinen ganz eigenen Ton, liefert fast poetische Dialoge und Bilder und deutet bereits an, dass es genauso wie «Breaking Bad» sehr gut versteht, große Story-Arcs zu bilden, die schon «Breaking Bad» von so vielen anderen Produktionen abhebte. «Better Call Saul» überzeugt als ungemein origineller und sofort fesselnder Mix aus Prequel, Origin Story und Spin-Off.
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«Unbreakable Kimmy Schmidt» (Netflix)
Nur wenige Serien verschreiben sich einem so ausgeflippten und absurden Meta-Humor wie die Universal-Television-Produktion. Tatsächlich findet sich in der Serie, die Netflix am 6. März 2015 für seine Nutzer freischaltete, eine derartig eigenwillige Komik, dass NBC in der Saison 2014/2015 nicht den Mut besaß, das Format wie geplant im Frühjahr 2015 auszustrahlen, worauf die Serie zu Netflix wanderte. Die Geschichte um titelgebende Frohnatur Kimmy Schmidt, die von einer Sekte 15 Jahre in einem Bunker festgehalten wurde, ehe sie befreit wird und ein neues Leben in New York City starten will, treibt die bekannte Geschichte um einen tapferen Großstadtneuling auf die Spitze. Unter anderem feiert «Mad Men»-Mime Jon Hamm grandiose Gastauftritte in der Tina-Fey-Serie, die sich nicht scheut, sich all die kreative Freiheit zu nehmen, die für einen Comedy-Kult-Hit notwendig ist. Wenn diese kreative Kompromisslosigkeit auf Kosten eines Network-Sendeplatzes geht, kann es jedem wahren Serienfan nur Recht sein.

«Bloodline» (Netflix)
Auch die zweite Netflix-Eigenproduktion dieser Liste setzt neue Maßstäbe innerhalb seines Genres. Am 20. März veröffentliche der Streaming-Dienst sein Familiendrama «Bloodline» und gab der Welt dadurch Einblick in die dunkle Vergangenheit der Familie Rayburn, die den Clan durch die Ankunft des schwarzen Schafs der Familie wieder einholt. Zweifelsfrei liefert «The Dark Knight Rises»-Darsteller Ben Mendelsohn als letzterer eine der besten Schauspiel-Performances des Jahres ab, doch auch insgesamt schaffen es die weiteren Schauspieler Kyle Chandler («Wolf of Wall Street») oder Linda Cardellini («Brokeback Mountain») den Familienmitgliedern eine Dynamik zu verleihen, die die Zuschauer immer weiter in den Bann des zerstörten Familienidylls zieht. «Bloodline» entfaltet sich wie ein gutes Buch und stellt mit seiner Ruhe und seinen nuancierten Zwischenmenschlichkeiten einen Gegenpol zu effekthascherischer Action dar.
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Deutschland 83 (RTL / SundanceTV)
Das achtteilige Spionage-Drama «Deutschland 83» kennzeichnet eine der sehr wenigen deutschen Serien, die tatsächlich den Sprung vom In- ins Ausland schafften – schon allein dieser Umstand macht die Serie um «Homevideo»-Star Jonas Nay zu einem der großen Gewinner des TV-Jahres. Dass die Serie dann im Juni auch noch im US-amerikanischen Kabelfernsehen ihre Premiere feierte und von amerikanischen Medien hochgelobt wurde, ließ die Freude bei RTL vorerst ins Unermessliche steigen. Bis das Format auch in Deutschland startete und dort quotentechnisch enttäuschte. Dies soll jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass «Deutschland 83» mit großartigen Charakterisierungen und fesselnder Action aufwartet. Der verschrobene Humor der Serie wird stets durch das hohe Risiko der Hauptfiguren ausbalanciert, sodass «Deutschland 83» nicht weniger darstellt, als eine stylische Interpretation des Spionage-Genres.
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«Mr. Robot» (USA Network)
Das USA Network etabliert sich immer weiter als Hitlieferant im Serien-Sektor. Der neueste Streich des Kabelsenders trägt den Namen «Mr. Robot» und ist ein doppelbödiger Hacker-Thriller mit hypnotischem Techno-Soundtrack. Schon die elektrisierende Pilot-Folge entsagt den gängigen Einstellungen zu gut und böse, Isolation und Geselligkeit, aber auch geistiger Gesundheit und Wahn. Denn schon von Beginn an bricht die eigenbrötlerische und introvertierte Hauptfigur Elliot die vierte Wand und beginnt mit dem Zuschauer zu sprechen – seinem imaginären Freund. Wohl kaum ein anderer Schauspieler als Rami Malek hätte es geschafft, das Publikum so tief in seine Welt aus Geistesstörungen und erdrückender Einsamkeit zu ziehen, die ihm der Hass auf die Gesellschaft einbrachte. Zugleich funktioniert «Mr. Robot» mit seinen innovativen Ideen als Erinnerung daran, dass selbst die abgedroschensten Klischees mit der richtigen Ausführung noch funktionieren.
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Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Formate es ebenfalls in die Liste geschafft haben.

«Narcos» (Netflix)
Netflix hat ein ungemein beeindruckendes Jahr hinter sich. Die vielleicht aufsehenerregendste Produktion ging beim Streaming-Dienst jedoch am 28. August an den Start, als man sich in «Narcos» dem rasanten Aufstieg des wohl bekanntesten Drogenbarons Pablo Escobar widmete sowie den Konsequenzen für Kolumbiens Volk und Politik, aber auch den Ermittlungen der US-amerikanischen Drogenvollzugsbehörde. Natürlich eignen sich die Entwicklungen im Kolumbien zwischen den späten Siebzigern und frühen 90er Jahren bestens für eine Aufarbeitung durch die Unterhaltungsindustrie. Dass aber ein Format einen so tollen Rahmen für die Darstellung der schillernden Persönlichkeit Pablo Escobar und dessen dramatischen Einfluss auf sein Heimatland liefern, dabei zugleich informativ als auch hoch unterhaltsam sein kann, war nur schwer vorstellbar. Das grandiose Spiel von Hauptdarsteller Wagner Moura bringt den Zuschauern das Rätsel Pablo Escobar näher, das bis heute wohl noch von niemandem so richtig entschlüsselt wurde.
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«Weinberg» (TNT Serie)
Als Pay-TV-Geheimtipp startete die Mystery-Serie «Weinberg» am 6. Oktober 2015 bei TNT Serie. Bis zum Ende der Miniserie blieb das Interesse am Format im linearen Fernsehen niedrig, diejenigen die das Format allerdings für sich entdeckt hatten, gingen ihrem großen Diskussionsbedarf in den sozialen Netzwerken nach. Kein Wunder: Von Anfang warf «Weinberg» um einen Mord im verschlafenen und mysteriösen Dorf Kaltenzell unheimlich viele Fragen auf, die die Zuschauer zum Dranbleiben verleiteten. «Weinberg» ist nicht das deutsche «Twin Peaks», aber trotzdem eine große Bereicherung für die deutsche Fernsehfiction. Einen enorm spannenden Mystery-Stoff, der so packend erzählt wie sonst nur ausländische Formate, und weder in seiner Narrative noch in seiner Ästhetik den leichter kommerzialisierbaren und kompromissfreudigeren, sondern den künstlerischeren und stimmigeren Weg geht, hat man von deutschen Eigenproduktionen gar nicht mehr erwartet.
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«Master of None» (Netflix)
Die sympathischste Comedyserie des Jahres stammt ebenfalls von Netflix. Seit dem 6. November 2015 haben die Nutzer des On Demand-Dienstes die Möglichkeit das von Comedian Aziz Ansari und «Parks & Recreation»-Autor Alan Yang geschaffene Format um einen 30 Jahre alten Schauspieler in New York zu verfolgen. Genauso unberechenbar wie «Louie», aber ebenso aus dem Leben gegriffen wie «Seinfeld» konfrontiert «Master of None» seine Zuschauer immer wieder mit urkomischen Alltagssituationen, die jeder nur zu gut kennt, nur um seine liebenswerte Hauptfigur im nächsten Moment wieder bis zum Hals mit nur allzu vertrauten Probleme und Sorgen zu überhäufen. Die Coming-of-Age-Geschichte ist eine Show über Erwachsene für Erwachsene, mit multidimensionalen Charakteren, einer cleveren Struktur und anspruchsvollem Humor. Also den Dingen, die jede andere Primetime-Sitcom derzeit vermissen lässt.

«Club der roten Bänder» (VOX)

In Deutschland selbst gewann wohl die VOX-Serie «Club der roten Bänder» die meisten Herzen, das zeigt sich nicht nur an den tollen Marktanteilen, die für den Kölner Sender im Rahmen der ersten Staffel heraussprangen. Die Serie erzählt manchmal tottraurig, aber immer mit einer sehr lebensbejahenden, freudvollen Baseline, die stets authentisch und ehrlich berührend wirkt, und nie konstruiert-rührselig oder süßlich-verkitscht. Die Geschichten sind manchmal beklemmend – vielleicht wird am Schluss auch nicht für alle Figuren alles gut. Und trotzdem umgibt den «Club der roten Bänder» eine Aura des Positiven. Besonders freut man sich über die Entdeckung der sechs jungen Schauspieler, die nicht nur jeder für sich überzeugen können, sondern denen man gerade auch als Ensemble sehr gerne zusieht. Ganz vortrefflich transportieren sie den in den Büchern vorgesehenen Facettenreichtum ihrer Charaktere und machen sie für den Zuschauer auch emotional erlebbar. In vielen Punkten ist «Der Club der roten Bänder» noch rührender, noch mitreißender als die ohnehin schon gelungene amerikanische Version, die allerdings schon während der ersten Staffel abgesetzt wurde. VOX‘ erste eigenproduzierte Serie hätte kaum besser gelingen können.
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«Marvel’s Jessica Jones» (Netflix)
In Hell’s Kitchen ist bald die Hölle los, denn im fiktiven New Yorker Stadtteil sollen bald schon vier verschiedene Superhelden für Recht und Ordnung sorgen. Den Anfang machten in diesem Jahr «Daredevil» und «Jessica Jones». Während sich erstgenannter Selbstjustizler actionreichen Martial-Arts-Kämpfen und einer düsteren Grundstimmung verschreibt, wobei die Comic-Ader der Produktion nicht zu kurz kommt, findet sich in «Jessica Jones» die deutlich bekömmlichere Serie. Die titelgebende Privatdetektivin mit übermenschlicher Kraft wirkt wie eine weibliche Version von «Californications» Hank Moody – Weltschmerz, Alkoholkrankheit und Promiskuität inklusive. Der taffen «Breaking Bad»-Darstellern Krysten Ritter wird die Show allerdings vom gedankenkontrollierenden Superschurken Kilgrave gestohlen, der vom ehemaligen «Doctor Who»-Schauspieler David Tennant grandios schmierig und verkommen verkörpert wird. Eine hohe psychologische Komplexität, die aus der Vorgeschichte Jessica Jones‘ resultiert, sowie viele vielschichtige Charaktere machen diese Serie für Erwachsene so sehenswert.
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29.12.2015 12:38 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/82864