Der Wilder-Mix: Style wie James Bond, bodenständig wie Stephan Derrick

Anlässlich der neuen Episoden haben wir mit Schauspieler Nick Wilder gesprochen, der sowohl in «Das Traumschiff» als auch bei «Kreuzfahrt ins Glück» den Schiffsarzt Dr. Sander spielt und vielen sicher auch noch als Werbefigur Herr Kaiser im Gedächtnis ist. Doch auch sonst ist der sympathische Mime ein vielbeschäftigter und zufriedener Mensch, wie er uns auf unterhaltsame Art verraten hat.

Zur Person: Nick Wilder

Nick Wilder wurde am 3. Dezember 1952 als Klaus Wilder auf Fehmarn geboren. Nach einem Studium zum Diplom-Holzwirt intensivierte er das Surfen und wurde 1977 Surfweltmeister. Es folgten eigene Geschäfte in Dänemark und Florida, bis er sich 1990 entschloss, Schauspieler zu werden. Zu seiner Vita gehören Auftritte in diversen US-Produktionen, deutschen Serien und Filmen, Theaterengagements und die bis heute ikonische Werbefigur des Herrn Kaiser. Seit 2011 spielt er den Dr. Sander in «Das Traumschiff» und «Kreuzfahrt ins Glück».
Hallo Herr Wilder und herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag! Hatten Sie schönes Geburtstagswetter in Montana?
Vielen Dank! Wir hatten vier Tage lang 20 Grad Minus, Eiskristalle, Schnee. Da hat der Missouri das Land rund um unser Haus wunderbar verzaubert - schöner kann man es nicht malen.

Würden Sie sagen, Helena ist ihr Lebensmittelpunkt geworden?
Heimat, Lebensmittelpunkt und eben auch ein bisschen diese Cowboyromantik mit Pickup-Trucks, Saloons und endlosen Straßen. Ich war das erste Mal mit 18 in Amerika und es hat sofort gepasst. Wir sind natürlich viel auf Reisen, auch alle paar Monate in Deutschland oder Südtirol, aber am Ende immer froh, wieder hier zu sein.

Reisen ist ein gutes Thema – auch mit dem Traumschiff sind Sie ja viel in der Welt unterwegs. Für die neuen Episoden wurde bekanntlich erstmals auf dem neuen Schiff gedreht. Wie empfanden sie den Wechsel von der MS Deutschland zur MS Amadea?
Eigentlich ganz unproblematisch - ein Schiff ist ein Schiff. Die Zusammenarbeit mit der Phoenix Crew war sehr angenehm, wenn auch manchmal heikel, weil man auch auf Gäste trifft, die nur ihren Urlaub verbringen und nicht gestört werden möchten. Die Amadea ist aber schon ein etwas anderes Schiff und keine Mini-Titanic wie die MS Deutschland. Sie ist moderner und schnittiger.

Haben sie an Bord etwas von den Klagen einiger Reisender mitbekommen, die inzwischen wegen der Störung durch das Filmteam sogar gerichtlich gegen die Reederei vorgehen?
Ja, ich sehe das jedoch entspannt. Es ist letztlich egal, auf welchem Schiff man ist – man kann sich immer an etwas stören. Die Kommunikation seitens des Filmteams, wo gedreht wird, ist eigentlich sehr klar und wir belegen nie große Flächen, so dass man sich durchaus aus dem Weg gehen kann. Die meisten an Bord empfinden es denke ich als große Bereicherung.

Wie stellt sich der Umgang mit den regulären Gästen denn normalerweise für Sie dar?
Mit vielen Gesprächen. Ich unterhalte mich sehr gerne mit ihnen und lerne viele spannende Menschen und ihre Lebensgeschichten kennen. Überall werde ich freundlich begrüßt und bin direkt im Gespräch, setze mich mal hier hin und mal dahin und lasse mich ausfragen. Wir hatten auch noch nie so viele Komparsen wie dieses Mal. Da gab es auch viel Interesse am Medium Film, was zum Beispiel die vielen Wiederholungen beim Dreh angeht. Und wenn dann doch mal ein, zwei Paare dabei sind, die es vielleicht ein wenig drauf anlegen, die ihren Bademantel anziehen und direkt dorthin gehen, wo man ihnen im Weg stehen muss, nur um sich zu beschweren, dann muss man damit einfach auch mal leben.

Die Erzählweise passt sich an, aber das Grundprinzip dieser heilen Welt wird gerade jetzt, wo wir diese kaputte Welt haben, die uns täglich in den Medien vor Augen geführt wird, immer von Bedeutung bleiben.
Nick Wilder über Veränderungen bei der Serie «Das Traumschiff»
Typisch deutsch irgendwie.
Ja, und ein bisschen engstirnig. Aber in Zukunft werden die Passagiere vorab besser über die Dreharbeiten informiert.

So wie ich es raus höre, ist für sie ihre Mitwirkung an der Serie also nicht nur reine Arbeit, sondern birgt durch das Setting auch einen gewissen Reiz. Oder stelle ich mir das zu romantisch vor?
Es ist Arbeit - ob man in Düsseldorf oder auf dem Schiff dreht. Dennoch sind die Menschen und das Flair natürlich entspannter. Man erlebt viel und kann neue Länder kennenlernen. Ich tauche mit meiner Frau oft einfach in die verschiedenen Kulturen ein. Wir fahren dann nicht unbedingt dorthin, wo die Touristenzentren liegen, sondern suchen abgelegene Orte auf, wo man auf die Locals trifft. Letztlich das, was der Zuschauer auch will – Unbekanntes sehen und doch Ähnlichkeiten erkennen. Es gibt immer wieder Möglichkeiten, Arbeit und Annehmlichkeit zu verbinden.

Klingt nach einer guten Balance. Während das Fernsehen an sich zunehmend zynisch, düster und dystopisch wirkt, zeigt «Das Traumschiff» weiterhin alltägliche Probleme, die am Ende gelöst werden und paart diese mit einer großen Portion Fernweh. Meinen Sie, dass diese Sehnsucht über die Generationen weitergereicht wird, oder stirbt die „Generation Traumschiff“ irgendwann aus?
Jein. Diese Geschichten kommen schon immer noch vor. Neben all der Action gibt es immer wieder dieses Wohlfühlkino, dieses Family Entertainment, das auch heute noch für junge Familien funktioniert und Kasse macht. Auch dort geht es um Probleme, die Kinder oder Eltern wiedererkennen. Damit diese Sehnsucht vergeht, müsste sich der Mensch verändern. Die Erzählweise passt sich an, aber das Grundprinzip dieser heilen Welt wird gerade jetzt, wo wir diese kaputte Welt haben, die uns täglich in den Medien vor Augen geführt wird, immer von Bedeutung bleiben. Es explodieren Bomben, kleine Kinder verlieren ihre Eltern – aber die Sehnsucht nach etwas Besserem ist einfach in uns Menschen drin.

Und obwohl jeder diese Sehnsucht in sich trägt, gibt sicher nicht jeder zu, die Serie zu mögen.
Richtig – als Sascha Hehn und ich einmal bei einem Nachdreh auf Sardinien waren, kam ein junges Paar hinter uns her. Der Mann, Ende 20 sprach uns an, dass seine Frau ein Riesenfan sei und ob sie ein Bild machen könnten. Da sagte ich „erzähl doch nichts, du bist doch auch ein Fan und willst es nur nicht zugeben!“. Er wurde ganz rot und gab zu, dass er es auch gerne schaut. Das ist wie bei McDonalds – alle gehen dort nur auf die Toilette, aber die verkaufen irgendwie trotzdem Milliarden von Burgern. Da kann man es doch auch einfach zugeben. Solange 50% der Fernsehzuschauer an Weihnachten und Neujahr immer noch Traumschiff schauen, nimmt man aber auch noch ein wenig Einfluss auf die nächste Generation, also die Kinder, die mit einem Auge dabei sitzen. Da kann die Welt noch gerettet werden. (lacht)

Es explodieren Bomben, kleine Kinder verlieren ihre Eltern – aber die Sehnsucht nach etwas Besserem ist einfach in uns Menschen drin.
Nick Wilder über Gründe für den Erfolg der Serie «Das Traumschiff»
Die Kampfprogrammierung gegen den «Tatort» haben Sie ja auch zuletzt durchaus positiv bestritten.
Diese Kämpfe wird es auch immer weiter geben. Das Publikum teilt sich auf. Aber auch wenn wir mal verlieren, gibt es in der Feinquote immer noch positive Aspekte. So steigt die Quote im Verlauf der Episoden eigentlich immer an.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, was Nick Wilder über Herrn Kaiser, Jimi Hendrix und eine Rolle als russischer Terrorist zu berichten hat.



Dennoch sollte gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen die Quote nicht das einzig maßgebliche Kriterium sein.
Richtig, dann dürfte das ZDF auch keine Kulturfilme mehr zeigen – auch für Niveau und Anspruch muss Raum sein. Der Wert solcher Programme kann und darf nicht alleine über die Quote gemessen werden. Aber «Das Traumschiff» ist 35 Jahre immer oben dabei gewesen, wird sich der Zeit immer ein wenig anpassen und uns meiner Meinung nach noch eine ganze Weile erhalten bleiben. Ein Urgestein, das zu Deutschland gehört, wie der Herr Kaiser damals.

Gut, dass Sie es selber ansprechen. Dann muss ich damit nicht so verschämt um die Ecke kommen.
Kein Problem, ich stehe da voll zu. Herr Kaiser hat aus ähnlichen Gründen funktioniert: Er war immer der nette, hilfsbereite, informierte und kompetente Mann, der dafür gesorgt hat, dass die Menschen sicher durchs Leben gehen. Einige können das heute ganz bestimmt sehr kompetent online regeln, aber für andere ist es eben auch heute noch kompliziert. Da suchst und brauchst du vor Ort jemanden, der dir sagt, was du tun sollst, der für dich da ist, wenn´s brennt und sogar noch beim Kindergeburtstag vorbeikommt – das war das Prinzip Kaiser. Doch das hat die modern denkende Welt leider kaputt gemacht. Da wird immer weiter rationalisiert, um noch den letzten Cent in der Bilanz auszuweisen. Das ist eine verrückte Welt. Immer wieder werden hart arbeitende Menschen nach zwanzig Jahren aus niederen Beweggründen auf die Straße gesetzt – von Menschen, die nichts anderes kennen, als links zu überholen und ohne Rücksicht auf Schicksale ihr Ding zu machen.

Dabei wären solche integren Identifikationsfiguren heute mehr denn je wichtig.
Absolut. Wir wurden um die Figur Kaiser damals wie heute beneidet – jeder kannte ihn. Das galt auch für Clementine oder den Melitta-Mann.

Für mich war Herr Kaiser immer eine Art Inspektor Derrick der Versicherungsmakler. Ruhig, vertrauenswürdig, verlässlich und bodenständig. Dinge, die immer mehr an Bedeutung verlieren.
Der Casting Call für die Neubesetzung der Rolle war damals „den James Bond der Versicherung“ zu finden – Ich erinnere mich noch, wie meine Nichten auf meinen Besuch beim Casting reagiert haben. Hätten wir die Rolle damals nicht so modernisiert, hätten sie mich wohl später nicht mehr gekannt. (lacht)

Für Sie ist die Rolle Kaiser also bis heute eindeutig positiv belegt?
Bis heute bekomme ich immer noch Mails und Reaktionen dazu, werde in Restaurants angesprochen. Und das ist für mich immer positiv gewesen.

Schauspieler sein ist ein Roulettespiel, bei dem es in einem Moment nach oben gehen kann, aber genauso schnell auch wieder nach unten.
Nick Wilder
Sie sind privat ein äußerst aktiver Mensch, mit einer großen Vielfalt nicht nur an sportlichen Betätigungen. Sie spielen auch Gitarre, Ukulele und Mundharmonika?
Immer noch aktiv und gerne. Wenn Schauspielerwechsel bei Traumschiff-Drehs anstehen, stehe ich wie Bob Dylan mit Ukulele und Mundharmonika dabei und spiele „Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn“ oder „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“. Das ist natürlich absolut das Klischee des Traumschiffs und ur-kitschig. Aber jeder Darsteller hat eine Träne im Auge – ich mach das immer gerne, weil sich jeder freut und etwas davon für sich mitnimmt.

Aber bei Jimi Hendrix waren Sie 1970 nicht dabei, als er kurz vor seinem Tod sein letztes Konzert ausgerechnet in ihrer Heimat auf Fehmarn gespielt hat, oder?
Doch, da war ich dabei und ich erinnere mich noch gut. Er spielte damals unter einem riesigen Feuerbogen ein Gitarrensolo mit der Zunge. Durch den Regen hat er einen Schlag bekommen und ist richtig in die Knie gegangen. Sensationell. Rocker aus ganz Schleswig-Holstein waren dabei.

Klingt ziemlich filmreif. Was viele hier zu Lande glaube ich gar nicht präsent haben, sind ihre Rollen in US-Produktionen wie «Stargate» oder «Die Bourne-Verschwörung». Haben Sie da noch weitere Ambitionen?
Ich werde das wieder mehr verfolgen. «Stargate» von Roland Emmerich war damals eine Art Sprungbrett, weil ich es später immer vorweisen konnte. Ich habe viele Kollegen wieder gehen sehen, obwohl das Talent vorhanden war – doch hatten diese einfach nicht das Glück, ihren Moment und diese Initialzündung zu bekommen. Manche schämen sich auch, dass sie mit Soaps angefangen haben, wobei ich das für eine tolle Erfahrung halte. Es gibt keine kleinen Rollen, es ist immer die Frage was man daraus macht und davon mitnimmt. Man muss nur mal Brad Pitt fragen. Jeder Schauspieler muss seine Miete zahlen und ob man Werbung macht oder Soap – jeder muss seine Nische und seinen Weg finden. In den USA kommt man per eCasting auch mal an etwas andere Rollen: So habe ich zum Beispiel damals die Rolle eines russischen Terroristen in der CBS-Serie «Soldier of Fortune, Inc» gespielt. Da war ich so in der Rolle drin, dass keiner mittags mit mir essen wollte, weil die mich auch außerhalb des Drehs nicht mochten. In Deutschland ist das schwieriger. Da wird man dann eher nach Popularität oder Schublade gecastet und landet dann eher ähnliche Rollen.

Herr Waltz hat es ja vorgemacht. Vielleicht dann irgendwann Nick Wilder als Antagonist im neusten Bond?
(lacht) Jeder Schauspieler hat Träume, aber das ist sicher zu hoch gegriffen. Schauspieler sein ist ein Roulettespiel, bei dem es in einem Moment nach oben gehen kann, aber genauso schnell auch wieder nach unten.

Sie haben also kein Problem damit, in Deutschland eher mit leichteren Stoffen assoziiert zu werden?
Nein, das ist wunderbar. Egal ob du etwas Leichtes oder Schweres spielst, du musst etwas Schönes daraus machen. Den Charakter so ehrlich und authentisch rüberbringen, dass der Zuschauer Freude dran hat.

Egal ob du etwas Leichtes oder Schweres spielst, du musst etwas Schönes daraus machen.
Nick Wilder über die Schauspielerei
Sie haben erst mit 38 Jahren beschlossen, Schauspieler zu werden. Wie kam es dazu?
Ich hatte früher auf Fehmarn meine Band und habe mich auf der Bühne immer wohlgefühlt. Durch Studium und das Surfen ging es dann aber immer mal hier lang und mal da lang bis ich schließlich meinen Laden in Florida hatte – aber mit 38 dachte ich, jetzt wird’s ein wenig langweilig. Ich erinnerte mich an meinen Traum, Schauspieler oder Regisseur zu werden. Also bin ich nach Los Angeles gegangen und habe mir sieben Jahre Zeit gegeben. Das war natürlich nicht immer rosig, ich musste alle möglichen Jobs machen um zu überleben, aber am Ende war es das Richtige. Vielleicht hatte ich auch einfach Glück.

Sie haben den Entschluss nie bereut?
Nein auf keinen Fall. Sicher habe ich auch Lehrgeld bezahlt, aber am Ende nichts bereut. Man trifft einfach nicht immer im Leben sofort die richtige Entscheidung. Ein guter Tipp, wenn jemand nicht weiß, was er mit sich anfangen will ist: Nimm dir vier leere Blätter und schreibe deine vier besten Ideen darauf. Dann formuliere alle aus, schreibe auf, was du tun würdest, wenn es damit jetzt losgehe würde, was machst du als erstes, was machst du morgen, nächste Woche, in einem Monat und so weiter. Und du wirst sehen, bei einer Sache reicht ein Blatt niemals aus weil deine Phantasie so beflügelt ist und du immer weiter eintauchst und dir mehr dazu einfällt, während die anderen Blätter eher ärmlich beschrieben sind. Und das ist es dann, daran hängt dein Herz und das wird für dich niemals Arbeit sein, weil die Leidenschaft dahintersteht und es dir immer Freude gibt und macht.

Schaut der Privatmann Nick Wilder eigentlich selber gerne fern?
Wenig aber ausgewählt. Gerne Serien über Netflix. Zum Beispiel zuletzt die grandiose dänische Serie «Dicte». Die Dänen machen tolle Sachen, bei sowas würde ich gerne mal dabei sein. Aber auch «Bloodline» und «Sense8» haben sich absolut gelohnt. Tolle Bilder, abgefahrene Story.

Wovon lassen sie die Finger?
Realityformate, wo Menschen sich für wenig Geld um den Verstand reden um die Zeit des Senders auszufüllen. Mit solchen Formaten werden die Fernsehzuschauer nur abgespeist. Billig und mit wenig Einsatz produziert, hoher Profit für die Produktionsfirmen – und leider wird es trotzdem geschaut.

Dahinter steht dann aber auch wieder der „Mechanismus Einschaltquote“ – besonders bei den Privaten.
Absolut – aber jeder muss selber den Knopf bedienen und entscheiden wie er seine Zeit verbringt.

Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das unterhaltsame Gespräch, Herr Wilder!
22.12.2015 11:07 Uhr  •  Björn Sülter Kurz-URL: qmde.de/82721