Storytelling statt Marktschreierei

Ein Werbespot, der kein bestimmtes Produkt anpreist, sondern in erster Linie eine Geschichte erzählt. Das sieht man nicht alle Tage. Edeka ist es geglückt.

Werbung hat uns nur selten etwas zu sagen, was über eine Anpreisung des beworbenen Produktes hinausgeht, sondern soll in erster Linie Nachfrage schaffen und Kaufanreize setzen. „Du brauchst das, weil...“ „Kauf es, weil…“ In maximal dreißig Sekunden. Denn jede Sekunde kostet bares Geld.

Doch Werbung fällt oft gerade dann auf, wenn sie sich auf das besinnt, was Bewegtbild so gut kann: Geschichten erzählen.

Prominentes Beispiel: Der rührende Edeka-Werbespot um einen einsamen alten Mann, der Weihnachten nicht allein verbringen will und zu einer unkonventionellen bis makabren Methode greift, um dem Abhilfe zu schaffen.

Dieser Spot hat polarisiert. Vielen hat er gefallen, viele hat er emotional berührt, vielleicht auch zur Reflexion eingeladen. Andere fanden ihn unangebracht bis makaber. Ebenfalls legitime Standpunkte, auch wenn der Verfasser dieser Zeilen sie nicht teilt.

Aber man spricht über diesen Werbespot. Über seinen Inhalt, seine Figuren, seine Geschichte. Er bewirbt nicht einmal ein bestimmtes Produkt – ähnlich wie der legendäre Apple-Spot „The Crazy Ones“. Er ist nicht darauf aus, einen bestimmten, spezifischen Kaufanreiz zu wecken.

Stattdessen hat er uns etwas zu sagen. Etwas Wichtiges. Über Einsamkeit und Zusammenhalt.

Mit einer berührenden Geschichte, die trotz manch kritischer Stimmen positiv auf das Unternehmen abfärbt, ist Edeka nun in aller Munde. Und hat gewissermaßen beiläufig genau das erreicht, was Werbung schließlich will. Indem man uns emotional berührt hat. Indem man willens war, einen leisen, besinnlichen Ton anzuschlagen, und einen Kontrast zur marktschreierischen Dauerbeschallung der völlig austauschbaren Werbeblöcke mit ihren reißerischen Sätzchen und quietschbunten Einblendungen zu schaffen. Indem man den Mut hatte, eine kurze, gut erzählte Geschichte für sich sprechen zu lassen.
11.12.2015 09:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/82540