«Fack ju Göhte 2» ließ die Kassen klingeln, «Victoria» Kritiker frohlocken. Doch auch abseits dieser beiden Eyecatcher zeigte sich das deutsche Kino im vergangenen Jahr von seiner besten Seite.
Wir legen das Hauptaugenmerk an dieser Stelle allerdings deshalb auf den deutschen Film, weil es von diesem 2015 nicht bloß ein gelungenes Exemplar nach dem anderen in den hiesigen Lichtspielhäusern zu sehen gab. Auch die Kinokassen klingelten vorzugsweise durch Filme aus deutschen Landen. Schon 2014 erklomm Til Schweigers Tragikomödie «Honig im Kopf» die Spitzenposition der Jahrescharts. In diesem Jahr reicht er diesen imaginären Pokal weiter an seinen Kollegen Bora Dagtekin, der – zumindest bis jetzt (Stand: 10. Dezember 2015 und damit vor dem Kino-Release von «Star Wars: Das Erwachen der Macht»!) – mit «Fack ju Göhte 2» den erfolgreichsten Film des Jahres abgeliefert hat. Über siebeneinhalb Millionen Zuschauer sahen die Eskapaden von Zeki Müller, Chantal Ackermann und Co. in den deutschen Lichtspielhäusern; Tendenz steigend (der Film ist noch immer in einer großen Anzahl an Kinos zu sehen). Damit überholte der Film nicht bloß seinen direkten Vorgänger von 2013, sondern auch alteingesessene Franchise-Filme wie «Jurassic World», «Fast & Furious 7» sowie «Minions». Doch worin liegt dieser Hype begründet? Ganz einfach: Bora Dagtekin trifft auch mit seinem Pennäler-Sequel ein weiteres Mal genau den Nerv seiner Zielgruppe. Sie findet sich wieder, erkennt eigene Macken und Spleens. Hinzu kommt die ernute Verpflichtung des derzeit wohl angesagtesten, deutschen Schauspielers und Teenie-Stars Elyas M’Barek. Bora Dagtekin und sein Team machten «Fack ju Göhte» vor zwei Jahren zu einer Trendmarke. Und die verkauft sich auch heute, zwei Jahre später, wie geschnitten Brot.
Egal, wie sehr man sich für die Kinowelt interessiert, an einem Film kam in diesem Jahr niemand vorbei: Die Rede ist von Sebastian Schippers One-Take-Thriller «Victoria»; einem Mammutprojekt, dessen Reiz von einer nahezu einzigartige Machart ausgeht. Die Geschichte um eine spanische Urlauberin, die auf ihrer Berlin-Reise auf eine Gruppe deutscher Jugendlicher trifft und sich schon bald in einer Hetzjagd mit der Polizei wiederfindet, wurde in einem Stück gedreht. Die Kamera setzt während der mit zwei Stunden nicht gerade gering bemessenen Laufzeit nicht einmal ab – und schenkt man dem Regisseur und seinem Team Glauben, so entstand dieser Film schon im dritten Durchlauf. Das alles ist natürlich erst einmal auf technischer Ebene ungeheuer faszinierend. Gleichwohl sorgte der Deutsche Film gerade deshalb auch außerhalb der nationalen Grenzen für ein enormes Aufsehen. Mittlerweile gibt es Gerüchte um ein US-Remake und die Teilnahme am Ausgangsoscar blieb «Victoria» nur deshalb verwehrt, weil der Film insgesamt zu viel englische Sprache enthält, um als fremdsprachiger Film gewertet zu werden. Sebastian Schipper gelang mit diesem Herzensprojekt nicht bloß ein exzellenter Beitrag zum Deutschen Film, sondern ein Statement. Es geht nicht darum, einen Film möglichst international aussehend zu inszenieren. Es geht um die Kraft, die in ihm steckt. Um die Power der Geschichte, um gute Schauspieler, um technische Raffinessen und um Innovation.
All das findet sich jedoch nicht nur in «Victoria» wieder, der schlussendlich übrigens knapp 358.000 Zuschauer in die Kinos locken konnte. Blicken wir doch einmal auf die Filme, denen ein derartiger Hype nicht vergönnt war, die sich jedoch in ähnlich nachdrücklicher Weise für den Stellenwert des Deutschen Kinos eingesetzt haben. In der Verfilmung von Daniel Kehlmanns Bestseller «Ich und Kaminski» begeben sich ein widerlicher Daniel Brühl und ein geheimnisumwitterter Jesper Christensen auf einen etwas anderen Roadtrip, bei dem Regisseur Wolfgang Becker gewitzt hinter die Kulissen von Kunst und Kommerz blickt und mithilfe feiner Dialoge eine perfekte Balance aus Komik und Tragik kreiert. Das war nichts für die Masse, aber für jene Zuschauer, die sich im Herbst dieses Jahres auf der Suche nach dem gewissen Etwas befanden – und das waren immerhin über 120.000. Auch dem im deutschen Dramakino omnipräsenten Thema der Vergangenheitsaufbereitung konnte ein deutscher Regisseur 2015 neue Facetten abgewinnen. Oliver Hirschbiegel meldete sich nach «Diana» zurück und erzählte in «Elser – Er hätte die Welt verändert» die Geschichte des Hitler-Attentäters Friedrich Elser. Sein beklemmendes Zeitdokument über einen mutigen Mann, dessen fesselnder Geschichte bis heute viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde, beweist, dass ein weiteres Drama über den Nationalsozialismus vollkommen gerechtfertigt ist, solange man ein solch bewegendes Schicksal erzählt, wie im Falle von Georg Elser. Die drastischen Verhörszenen kratzten bisweilen hart an der Grenze des visuell Erträglichen und werden dem weniger hart gesottenen Zuschauer ordentlich aufs Gemüt schlagen – also ganz so, wie es sich bei dieser Thematik gehört. Knapp 158.000 Zuschauer lösten dafür ein Ticket.
Zu guter Letzt ist sich die Quotenmeter.de-Kinoredaktion einig, noch einige weitere deutsche Kinofilme nicht unerwähnt lassen zu wollen, die wir unseren Lesern unbedingt – sei es nun im Kino oder im Heimkino – ans Herz legen möchten. So setzen wir ein großes Ausrufezeichen hinter die zweite, deutsche Schulkomödie in diesem Jahr und verweisen darauf, dass «Abschussfahrt» vielleicht nicht mit den ganz großen Namen auftrumpfen kann, wohl aber mit dem besseren Skript, dem flotteren Humor und den sympathischeren Figuren als «Fack ju Göhte 2». Um Teenager geht es auch in «4 Könige», Theresa von Eltz‘ berührendem Regiedebüt über vier Jugendliche, die die Weihnachtszeit in einer psychiatrischen Klinik verbringen müssen. Von Eltz liefert mit «4 Könige» einen der besten deutschen Filme des Jahres ab. Ihr bisweilen tieftrauriges Drama ist voller Liebe, scheut keinerlei Emotion und offenbart eine Riege an jungen deutschen Darstellern, denen die Zukunft gehört (und ein Wiedersehen mit Jella „Chantal Ackermann“ Haase gibt’s obendrein). Auch Matthias Schweighöfer hat mit «Der Nanny» in diesem Jahr wieder eine seiner Comedies rausgehauen und auf das obligatorisch davor stehende „Romantic“ wohlweislich verzichtet. Seine Geschichte um einen alleinerziehenden Vater, der nach einer Nanny für seine beiden Kinder sucht und dabei an den Falschen gerät, ist für viele Hardcore-Cineasten sicherlich der Inbegriff des sogenannten „typisch deutschen Kinos“, doch Schweighöfer gelingt hier sein mit Abstand bester Film des Jahres und damit zwar kein Charakterdrama-Meilenstein, wohl aber eine absolut liebenswerte Komödie. Für die Kleinen gibt es derweil den zweiten Teil der «Rico und Oskar»-Reihe und wer es dann doch lieber ein wenig puristischer mag, der ist mit der schwarzhumorigen Theaterstück-Verfilmung «Frau Müller muss weg» sicher gut bedient.