Cooper küsst Brühl: In «Im Rausch der Sterne» treffen der Oscar-Preisträger auf der deutsche Charaktermime aufeinander und bestreiten gemeinsam das Rockstarportrait eines Sternekochs. Na dann, guten Appetit!
Bradley Coopers Performance trägt nicht von ungefähr einen Großteil zum inhaltlichen Gelingen von «Im Rausch der Sterne» bei. Mit seinem Agieren, das von wahnhaft über exzessiv bis hin zu resigniert und manisch reicht, verleiht er seiner Figur eine Tragik, die vom Zuschauer lange Zeit viel Gutwillen fordert. Drehbuchautor Steven Knight hat sich mit seiner Arbeit für Filme wie «No Turning Back» oder «Madame Mallory und der Duft von Curry» als Experte auf dem Gebiet der komplex-ambivalenten Figurenzeichnung bewiesen. Mit dem Charakter des äußerst wankelmütigen Adam Jones reizt er die Geduldsfäden seines Publikums nun bis zum Äußersten und zeichnet seinen tragischen Helden als äußerst wankelmütigen, über lange Zeit jedoch auch nur schwer zu ertragenden Zeitgenossen. Dass sich das Publikum trotzdem nicht in Gänze von dem Protagonisten loslösen kann, liegt an den subtilen Aussagen, die das Skript zwischen den Zeilen tätigt. «Im Rausch der Sterne» macht aus Coopers Figur kein von vornherein unerträgliches Arschloch, sondern gibt dem Zuschauer Gründe für dessen Verwandlung zu einem solchen an die Hand. Dialogfetzen, die durchscheinen lassen, was mit Jones geschah, sagen sich von jedweden Klischees los und verzichten obendrein auf allzu unsanfte Vorschlaghammercharakterisierungen. Darüber hinaus lassen Wells und sein Team an entscheidenden Momenten Details offen. Das Gesamtbild des Charakters Adam Jones ergibt sich somit nie, wohl aber das eines Mannes, der gerade durch die einzelnen Lücken in seiner sukzessiven Wandlung vom leidenschaftlichen Meisterkoch zum verbitterten Einzelkämpfer eine Faszination entwickelt, der man sich nicht entziehen kann.
Unterstützt wird Cooper in seinem Spiel durch eine Handvoll hochkarätiger Nebendarsteller, von denen die einen mehr, die anderen weniger zu tun haben. Trotzdem haben sie alle ihren Platz. Das erschließt sich bei einigen zwar durchaus erst spät (Stichwort: Omar Sy, «Ziemlich beste Freunde») und nicht alle Figuren sind tatsächlich unabdingbar. Trotzdem bereichern sie nicht nur das Umfeld von Adam Jones, sondern auch die Dynamik des Films selbst. Sienna Miller («Foxcatcher») mimt die engagierte und doch in gewisser Weise verzweifelte Mutter, die jeden Job annehmen muss, um für ihre Tochter zu sein und in einem Teufelskreis doch den Zugang zu ihr zu verlieren droht. Doch sie funktioniert nicht bloß als eine Art Gegenspieler zu Cooper, sondern auch als personifiziertes Abbild jener Menschen, die in unserer „Höher-schneller-weiter“-Gesellschaft auf der Strecke bleiben. Die Interaktion zwischen ihr und Cooper ist von einer steten Anspannung geprägt und lässt ein subtiles, jedoch nicht minder spürbares und vor allem nicht kitschiges Prickeln entstehen, das mit jedweder Form der klassischen Romantik nichts zu tun hat.
Der Begriff „Foodporn“, der für solche Produktionen wie «Im Rausch der Sterne» nahezu erfunden wurde, beschreibt das auf visuelle Befriedigung ausgelegte In-Szene-Setzen von allem Schmackhaften. Nach Produktionen wie «Der Koch» oder «Kiss the Cook» versucht sich jetzt auch John Wells respektive sein Kameramann Adriano Goldman («Trash») daran. Es gelingt ihm ausgezeichnet, den Rausch von Essen, die fast schon erotische Anziehungskraft und die faszinierende Schönheit von einem Grundbedürfnis einzufangen, das jeder von uns in sich trägt und dieser schönsten Hauptsache der Welt dabei trotzdem so wenig Aufmerksamkeit schenkt. In einer Szene erklärt Adam Jones seiner Mitarbeiterin Helene, dass er sich von seinem Essen weitaus mehr erhofft, als dass seine Gäste davon einfach bloß begeistert sind. Der Ausdruck, es möge doch bitte für einen Moment die Zeit anhalten oder der Vergleich mit einem menschlichen Orgasmus sind durchaus plakativ, trotzdem unterstreichen sie den Charakter und Arbeitseifer von Coopers Figur. Er sieht sich nicht bloß als Koch, sondern als einen Menschen, der mit winzigen Mitteln dazu beitragen kann, sein Umfeld zu bereichern und die Welt ein wenig besser zu machen. Dass er sich in diesen Willen hineinsteigert, ist in der Leidenschaft begründet. «Im Rausch der Sterne» ist ein Film über Passion, zeigt (ein wenig sanfter als «Whiplash», aber doch sichtbar) aber auch die Schattenseiten auf, die es gibt, wenn man sich ausschließlich auf eine Sache konzentriert. Nicht umsonst beschreibt der Originaltitel «Burnt» im Deutschen nicht bloß das Adjektiv angebrannt, sondern auch den Zustand des Ausgebrannt seins, einer Folge eines zu exzessiven Einsatzes für eine Sache, bei der man irgendwann vergisst, auf sich selbst zu achten.