An die Erfolge der «Höhle der Löwen» dürfte die Show schon aufgrund ihrer engeren Zielgruppe nicht anknüpfen, doch zumindest bemühte man sich um ein ähnlich angenehmes Seherlebnis. Der Star des Neustarts ist ohne Frage wieder einmal Guido Maria Kretschmer, doch auch eine strenge Kollegin weiß zu punkten.
Bei VOX sind die segensreichen Monate der kontinuierlichen Quotenerfolge am Dienstagabend zunächst einmal wieder vorbei, womit für den Privatsender die Herausforderung einhergeht, weitere Konzepte zu entwickeln, die zumindest im Ansatz die Zugkraft der immer stärkeren Formate «Sing meinen Song» und «Die Höhle der Löwen» aufweisen. Abgesehen vom Dauerbrenner «Goodbye Deutschland!» scheiterte dieses Vorhaben in der Vergangenheit nicht minder grandios, als die Erfolge der beiden genannten Sendungen waren. Sechs Wochen lang soll sich nun zunächst einmal Guido Maria Kretschmer in «Geschickt eingefädelt» beweisen - einer Art Nähcasting, das keineswegs als Selbstläufer gilt, auf der anderen Seite aber wieder eine Art Vorreiterstellung einnehmen kann. Die Auftaktfolge konnte sich inhaltlich durchaus sehen lassen, definierte ihre Zielgruppe jedoch von Anfang an (vielleicht etwas zu) eng.
Die Zusammenstellung der Jury ist insofern gelungen, dass zumindest zwei der drei Protagonisten gleich ihre eigene Identität entwickeln können und damit Reibungspunkte setzen. Vor allem die zuvor der breiten Öffentlichkeit unbekannte Szoltysik-Sparrer bringt mit ihren strengen und auf gnadenlose Perfektion ausgerichteten Urteilen eine spezielle Note in die Sendung ein, die gewiss nicht jeder sympathisch finden wird, aber sich von dem inhaltsleeren Verbalbrei abhebt, der in vielen anderen Casting-Formaten von jenen Jury-Mitgliedern kommt, die im Schatten der großen Aushängeschilder (Bohlen, Klum etc.) stehen. Bei ihr dürften sich einige Zuschauer an ihre Schulzeit zurückerinnert fühlen, als sie mit einer Mischung aus Angst, Respekt und latenter Bewunderung vor dem fachlich besten Lehrer ihrer Schule standen.
Auffällig an der Machart der Sendung ist vor allem ein zurückhaltender Grundton, der stark an «Sing meinen Song» und «Die Höhle der Löwen» erinnert und neben großen Zuschauererfolgen auch das Lob von Kritikern und Medienbeobachtern sichert. Man inszeniert das eigene Werk nicht als überzeichneten Nabel der Fernsehwelt, aus dem man nur als Versager der Nation oder als gefeierter Megastar herausgehen kann. Man stilisiert die Kandidaten nicht als ihrer Individualität beraubte graue Masse, die den Vorstellungen der Marktforschung entsprechend geformt werden muss, um ein plastisches Idealbild zu verkörpern, das "funktioniert". Man ist am eigentlichen Inhalt - in diesem Fall dem Nähen von Kleidungsstücken, bei den "Löwen" einem Investment für ein Unternehmen oder Produkt, bei Naidoos Künstler-Treffen den neuen Kompositionen alter Songs - interessiert und nicht daran, irgendwelchen persönlichen Schnickschnack auszuschlachten oder Talentlosigkeit zum infantilen Massen-Amüsement zu nutzen - und damit die eigentliche Prämisse der Show ad absurdum zu führen.
«Geschickt eingefädelt» geht allerdings den nicht unproblematischen Weg, sich von vornherein auf eine weibliche Zielgruppe auszurichten und keinerlei Impulse zu setzen, um auch männlichen Zuschauern den Zugang zu der Sendung zu erleichtern. An dieser Stelle mag man korrekterweise anmerken, dass auch die «Shopping Queen» einen ganz ähnlichen Weg mit Erfolg geht - den ganz großen Erfolg generiert sie damit allerdings auch "nur" in der Daytime. Es stellt sich also die Frage, ob es ein ausreichend breites Interesse daran gibt, anderen Menschen beim Nähen zuzusehen und ob sich vielleicht auch der eine oder andere männliche Zuschauer von der hohen Qualität und dem ebenfalls nicht gerade geringen Unterhaltungswert des Formats anlocken lässt. Unverdient wäre ein Erfolg für VOX gewiss nicht, fraglich ist er allerdings. Diesen Weg geht der Privatsender löblicherweise konsequent weiter - und schafft damit im Bestfall Riesenhits, die in Windeseile zu Aushängeschildern avancieren. Ob das Näh-Casting dazu gehört? Nicht auszuschließen, wenngleich eher unwahrscheinlich.