Johnny Depp agiert als ruchloser Gangsterboss so stark wie seit Jahren nicht mehr.
Mit der altbekannten „Ruchloser Typ wächst von einer kleinen Nummer zum übermächtigen Gangsterboss heran, aber dann wird er ans Messer geliefert“-Handlung sucht «Black Mass» das Kräftemessen mit einigen der größten Crimedramen aus Hollywood. Dadurch legt sich die neue Regiearbeit des «Crazy Heart»-Machers Scott Cooper allerdings mit Gegnern an, die ihr weit überlegen sind. Dabei ist die 53 Millionen Dollar teure Produktion nicht einmal schlecht – sie wirkt bloß direkt neben ähnlich gelagerten Giganten weitaus weniger imposant. Dies liegt vor allem im uninspirierten Drehbuch begründet. Die Autoren Jez Butterworth und Mark Mallouk verleihen ihrer Nacherzählung von Bulgers Aufstieg kein narratives Momentum: Es fehlt über weite Strecken an einer spürbaren Bedrohung – sei es für Bulger oder das FBI. Genauso wenig nutzt das Autoren-Duo die ausufernde Macht Bulgers, um eine eskalierende Dramaturgie zu erschaffen. Da Butterworth und Mallouk dennoch ein Händchen für packende Dialoge haben, weiß «Black Mass» wohl gemerkt durchaus, mit einem Gros seiner Sequenzen zu packen. Mangels ausgefeilter, das Gesamtwerk zusammenhaltender Narrative entsteht daher eine interessante, wenngleich unkoordinierte Unterwelt-Nummernrevue.
Die Regieleistung Coopers ändert nur wenig daran, wie die Story von «Black Mass» rüber kommt. Inszenatorisch lässt sich das Schaulaufen solcher Mimen wie Benedict Cumberbatch, Kevin Bacon, Jesse Plemons, Corey Stoll, Dakota Johnson, Julianne Nicholson und Peter Sarsgaard (die allesamt in ihren wenigen Szenen grundsolide Performances abgeben) nämlich als adäquat beschreiben. Cooper weiß, mit seinem Kameramann Masanobu Takayanagi («Silver Linings») durch dunkle, ausgebleichte Bilder eine karge Atmosphäre zu kreieren. Und er verlässt sich erfreulicherweise wiederholt darauf, den ausdrucksstarken, mitunter auch willkommen-dubiosen Minenspielen seines Casts das Reden zu überlassen, statt jedes Detail auszuformulieren oder durch hölzerne visuelle Metaphorik zu untermauern. Gleichwohl bedient sich Cooper an einem sehr überschaubaren Vokabular an Bildeinstellungen, was den Filmkenner auf Dauer ermüdet und den Gelegenheitszuschauer unterbewusst auf Abstand hält.
Obwohl Bulger auf dem Papier nur irgendein reue- und skrupelloser Unterweltboss ist, gelingt es dem Golden-Globe-Preisträger, diesem lang gesuchten Gauner eine strenge, individuelle Note zu verleihen. Bulger kommt weitgehend ohne Gebrüll aus, ohne einschüchterndes Flüstern, ohne aggressive Gesten – und dennoch gehen seine Bewegungen und seine Mimik unter die Haut. Alles, was das Drehbuch versäumt, über den Menschen hinter Bulgers Strafregister zu sagen, kompensiert Depp mit einem einnehmenden, angesichts des Skripts unerwartet komplexen Spiel. Egal, ob er ein Verbrechen begeht, beim Abendessen sein Gegenüber linkt oder er angesichts persönlicher Tragödien die Nerven verliert: Depp gelingt es, Bulger zu einer seiner großartigsten Schauspielleistungen zu formen – und hebt so einen solide aussehenden, annehmbar geschriebenen, akustisch unauffälligen Film auf ein gutes Gesamtniveau!