Nach der Innovation ist vor der Innovation?

Die Experimentierphase im WDR ist erst einmal vorbei. Mit welchem Fazit?

Der WDR möchte mit der Zeit gehen und alle Zeichen stehen auf der Entwicklung neuer, jüngerer Formate. Seit Ende August wurden im Rahmen der WDR-Innovationswochen neue Formate ausgestrahlt, um auch das jüngere Publikum anzusprechen. Den Anfang der Verjüngungskur machte das Format «Meuchelbeck». Dabei handelt es sich um eine neue TV-Serie, die lustige Geschichten vom Niederrhein erzählt. Aber auch mit bekannten YouTubern wird zusammengearbeitet, die etwa in «Mischen Impossible?» im WDR-Archiv wühlen und ihre Meinung zu 50 Jahren WDR-Fernsehen kundtun.

Anstatt veralteten Formaten nachzutrauern, versucht der Sender diejenigen zurückzugewinnen, die dem Sender in den letzten Jahren den Rücken gekehrt haben. Annette Metzinger, ihres Zeichens Presse-Referentin des WDR, erklärte im Gespräch mit Quotenmeter.de: „Innovation und Veränderung sollen Teil der Kultur beim WDR Fernsehen werden. Das ist das langfristige Ziel von Fernsehdirektor Jörg Schönenborn.“

Diese Veränderung birgt aber natürlich auch ein gewisses Risiko für den Sender. Laut Angaben des WDR war die Programmoffensive ein erster sichtbarer Schritt für die Zuschauer nach außen und für das Haus nach innen. Dabei wurde jedoch in Kauf genommen, dass das Stammpublikum eventuell manche Programmideen, die innerhalb der Innovationswochen vorgestellt worden sind, nicht wirklich aufnimmt, während aber andere Zuschauer bemerken, dass der WDR auch Neues im Programm bereithält. Das Ziel war es aber vorrangig, auch diejenigen wieder zu erreichen, die dem Sender in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt haben, beziehungsweise eine neue, jüngere Zielgruppe anzusprechen. Aus diesem Grund wurde die Programmoffensive ins Leben gerufen, die durch die Kampagne #machtan im August gestartet ist.

Unter diesem Motto liefen etwa Testläufe oder Neustarts wie «Die Politiker-WG», «Die Story», zwei Filme unter dem Titel «Ausgetrickst und abgezockt», «Das Lachen der anderen- Comedy im Grenzbereich», «Die runde Ecke» oder «Jetzt bestimmen wir». Insgesamt waren es an die 20 neue Formate, die der Sender auf den Zuschauer losließ. Man habe sich für die Innovationswochen gerade das Jubiläum ausgesucht, weil es in deren Augen ein guter Anlass war, um 50 Jahre WDR Fernsehen zu feiern. Der Sinn dahinter war es, zu zeigen, dass der WDR Power habe und dies versuchte man durch die 20 neuen Formaten dem Publikum begreiflich zu machen.

Auf die Frage hin, welche neuen Formate sich quotentechnisch positiv, beziehungsweise als negativ herauskristallisiert haben, ist der WDR fest in der Annahme, dass sich der Erfolg nicht an Quoten messen lässt. Das im Übrigen gelte für die komplette Programmoffensive. Annette Metzinger: „Unser Ziel war es eben, Aufmerksamkeit zu erhalten bei Menschen, die das WDR Fernsehen bisher kaum oder gar nicht wahrnehmen. Dazu gehört, dass wir mit Ungewohntem überraschen und neugierig machen. In diesem Sinne bedeutet Veränderung auch, bestehende Erwartungen zu brechen – was zwangsläufig Enttäuschung an der einen und Begeisterung an anderer Stelle auslöst.“ Betrachtet man allerdings die Quoten der zumeist eher eine jüngere Gruppe ansprechenden Tests, dann gab es häufiger Enttäuschung als Begeisterung – wohl auch ein Grund, warum in Köln nicht so gerne ins Detail gegangen wird, wenn über Quoten zu reden ist.

Genau dieses Bild zeigt auch die Zuschauerreaktion, die der WDR im Rahmen der Programmoffensive erhalten hat. Natürlich gab es auf der einen Seite Begeisterung, weil sich niemand vom WDR so etwas erwartet hätte und auf der anderen Seite sind Stammzuschauer enttäuscht, weil ihre gewohnten Formate nicht mehr laufen. Zur Zeit unterzieht der WDR die Formate der Programmoffensive einer intensiven Auswertung, die darüber entscheiden wird, an welchen Formaten auch in Zukunft festgehalten werden soll, beziehungsweise von welchen man sich besser wieder trennt, weil sie nicht den gewünschten Effekt erzielen. Eine Entscheidung sei aktuell in noch keinem Fall getroffen wird.

Für die Zukunft des Senders gelte es, die positive Resonanz aus den Innovationswochen zu nutzen, um dem Sender noch Platz für aktuelle, verlässliche und kritische Information zu geben, aber auch mit neuen und überraschenden Ideen aufzuwarten, gerade im Bereich der Unterhaltung. Das erwarten die jüngeren Zuschauer, die sich wieder für das WDR-Fernsehen begeistern sollen. Dem steht nichts im Wege, nachdem der Rundfunkrat kürzlich zugestimmt hat, dass mit dem Jahreswechsel ein neues Programmschema des WDR-Fernsehens startet.
07.10.2015 11:01 Uhr  •  Mario Grüninger Kurz-URL: qmde.de/81180