Christian Richter erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 311: «Comic-Stars gegen Drogen» - Ein abgefahrener Drogen-Trip, an dem fast alle bekannten Zeichentrick-Helden teilnahmen.
«Comic-Stars gegen Drogen» wurde zu einer Zeit geboren, als die USA einen massiven Zuwachs an Drogenabhängigen erlebte, von denen viele bereits im Kinder- und Jugendalter erstmals in Kontakt mit Rauschmitteln gekommen waren. So zumindest propagierte es die republikanische Partei unter Präsident Ronald Reagan und schrieb sich die Bekämpfung dieser Probleme mit großen Buchstaben auf die politische Fahne. Insbesondere Reagans Ehefrau Nancy unterstützte dieses Vorhaben und rief im Jahr 1982 die zugehörige Kampagne „Just Say No“ aus. Auch George Bush sen., der im Weißen Haus auf Reagan folgte, engagierte sich in diesem Bereich und konnte deshalb als Schirmherr für eine einmalige Aktion der Unterhaltungsindustrie gewonnen werden, die sich im Jahr 1990 zutrug.
Sie alle versuchten gemeinsam den 14jährigen Michael davon abzuhalten, den Verlockungen des Drogenkonsums zu erliegen. Dabei geriet die Geschichte ins Rollen, als Papa Schlumpf entdeckte, dass das Sparschwein des kleinen Mädchens Corey (dt. Conny) gestohlen wurde. Schnell stellte sich heraus, dass ihr Bruder Michael das Geld genommen hatte. Bei einer Durchsuchung seines Zimmers fanden Alf, Alvin, Simon & Theodor schließlich eine geheimnisvolle Kiste unter dem Bett, in der er eine Auswahl an Drogen und das entsprechende Zubehör versteckt hatte.Derweil befand sich Michael längst fest im Griff seiner Sucht, die in Form des Geistes „Smoke“ versinnbildlicht war. Dieser wich seinem Opfer nicht mehr von der Seite und erklärte ihm fortwährend, wie cool Drogen wären. Doch gegen die vereinte Macht der Comic-Heroes konnte er natürlich nicht gewinnen.
Bevor sie Michael endgültig aus den Fängen von Smoke befreien konnten, mussten sie aber einen langen Weg gehen. Zunächst ließ Bugs Bunny den Jugendlichen mithilfe einer Zeitkapsel noch einmal miterleben, wie er das erste Mal Marihuana rauchte, bevor ihn Kermit, Miss Piggy & Gonzo auf einen wilden Drogentrip durch die Nervenbahnen seines eigenen Gehirns mitnahmen. Anschließend riefen Tick, Trick & Track alle Figuren zusammen, um Michael in einer gemeinsamen Musicalnummer („Wonderful Ways to Say No“ – geschrieben vom Oscar-Preisträger Alan Menken) zu belehren, wie man richtig „Nein“ sagt. Weil dieser aber noch nicht vollends überzeugt war, konfrontierte ihn Daffy Duck letztlich in einer verstörend-krassen Zukunftsvision mit seinem eigenen Drogentod, worauf sich endlich die lang erwartete Einsicht und das obligatorische Happy End einstellte.
Bis zur letzten Sekunde arbeiteten die verschiedenen Animationsteams parallel an den einzelnen Szenen, sodass die endgültige Fassung erst wenige Tage vor der Premiere zusammengefügt werden konnte. Bei einer Testvorführung vor dem Justizausschuss des US-Senats konnte deswegen lediglich eine Vorab-Version aufgeführt werden, bei der noch die Musik und Soundeffekte fehlten. Dennoch zeigten sich die anwesenden Politiker erwartungsgemäß zufrieden und lobten das Resultat. Insbesondere der spätere Vize-Präsident Joseph Biden zeigte sich begeistert und betonte, dass der Trickfilm die mächtigste Waffe der Kindererziehung darstellen könne.
Doch es meldeten sich auch einige negative Stimmen zu Wort, die beispielsweise kritisierten, dass allein eine weiße Middle-Class Familie ohne jegliche Dysfunktion im Zentrum der Handlung gestanden hätte, was nicht dem sozialen Status und Umfeld der gefährdetsten Jugendlichen entspricht. Farbige Kinder seien hingegen kaum zu sehen gewesen – und wenn, nur als diejenigen Personen, die Michael überhaupt zum Drogenkonsum verführt hatten. Darüber hinaus bemängelten Ärzte und Suchtforscher, dass man sich ausschließlich auf illegale Drogen wie Cannabis und Crack konzentriert habe, jedoch mit Alkohol genau die Droge auslassen würde, der Teenager am häufigsten und als erstes verfallen. Die Reaktion des verantwortlichen Produzenten Buzz Potamkin auf diesen Vorwurf lautete schlicht, es sei in einem solchen Zeichentrickfilm für Kinder schwer zu erklären, dass es bei manchen Flüssigkeiten wie etwa Orangensaft in Ordnung ist, sie zu trinken und bei anderen wie Bier eben nicht.
Mit anderthalbjähriger Verzögerung erreichte das Ergebnis schließlich Deutschland und stieß hier auf ähnliche Anknüpfungspunkte. Immerhin zählte man hier Anfang der 1990er Jahre jährlich rund 1.500 Drogentote. Für die deutschen Kinder wurde das ursprüngliche Vorwort des US-Präsidenten George Bush durch eine kurze Ansprache der ehemaligen Bundestagspräsidentin Annemarie Renger ersetzt, die zugleich Aufsichtsratsvorsitzende der deutschen Ronald-McDonald-Kinderhilfe war. Bedauerlicherweise geriet die deutsche Synchronfassung äußerst enttäuschend, weil im Gegensatz zum amerikanischen Original nicht alle Stammsprechenden der Comic-Stars gewonnen werden konnten. Zudem gaben sich die Autoren offenbar wenig Mühe, die ohnehin platten Belehrungen zu entschärfen, die in der deutschen Übersetzung noch platter und noch belehrender klangen. So mussten die deutschen Kids folgende Sätze über sich ergehen lassen:
«Comic-Stars gegen Drogen» wurde das letzte Mal im Jahr 1992 gezeigt und schlummert seitdem in den TV-Archiven der Kanäle. Das gilt ebenso für den amerikanischen Markt, wo das Werk auch nicht wiederholt oder verkauft werden darf. Wie sich nämlich später zeigte, ist die Figur Garfield benutzt worden, ohne vorher dessen Erfinder Jim Davis eine wirksame Erlaubnis erhalten zu haben. Da Davis auch nachträglich keine Genehmigung erteilen wollte, unterband er auf diese Weise, jede weitere Verbreitung des Prestige-Projekts. Übrigens, im Juli 2015 sprach John Oliver in seiner Show «Last Week Tonight with John Oliver» erneut über das 25 Jahre alte Relikt und stellte in seiner grandios-pointierten Weise fest: „That [film] had a clear message to kids: Listen, if you do drugs, all your favorite cartoon characters will show up and talk to you. Is that what you want?”