«Superkids»: Rasantes Kinder-Casting mit kalter Perfektion

Die neue Sat.1-Show versuchte Masse und Klasse zu kombinieren und quetschte zwölf Performances auf hohem Niveau in zwei Stunden. Dies brachte ein hohes Tempo in die Show, aber wenig Emotion.

Für Sat.1 geht es in diesen Wochen vornehmlich darum, den Freitagabend-Sendeplatz in der Zeit zwischen den Quoten-Hits «Promi Big Brother» und «The Voice of Germany» möglichst gut über die Runden zu bringen. In direkter Konkurrenz zur RTL-Tanzshow «Stepping Out» wird man es zunächst mit der neuen Casting-Show «Superkids - Die größten kleinen Talente der Welt» versuchen - wobei sich die Programmverantwortlichen eines Hits wohl noch nicht so ganz sicher sind, beschränken sie doch den Ausstrahlungsumfang zunächst auf sehr überschaubare drei Folgen. Diesen Zeitdruck merkte man der Auftaktfolge auch deutlich an. Positiv formuliert könnte man von einem äußerst zielgerichteten Vorgehen sprechen, negativ beinahe schon von Hast und Hetzerei.

Es galt nämlich, zwölf Talente bzw. Gruppen mitsamt Vorstellungsclip und Jury-Urteil durch die Show zu bringen. Damit das enge Zeitkontingent nicht zusätzlich noch durch ein allzu umfassendes Entscheidungsritual belastet wird, sind die Kids in drei "Vorrunden" eingeteilt, von denen nur jeweils einer von vier Acts ins Halbfinale vorstößt. Die Jury alleine selektiert diese Top Drei, bevor dann am Ende des Abends hieraus der alleinige Finalist durch ein gemischtes Voting aus Jury und Studio-Publikum (da die Show nicht live ausgestrahlt wird, entfällt ein Voting für TV-Zuschauer) auserkoren wird. Ja, bei «Superkids» fallen die Entscheidungen weitaus zügiger als bei den meisten Casting-Shows.

Die zweite Besonderheit des Formats ist ihr internationaler Charakter, auf den Moderator Wayne Carpendale bereits zu Beginn verweist. Neben vier deutschen Acts gibts es nämlich auch extra eingereiste Jungspunde, unter anderem aus den USA, China, Irland und Brasilien. Auch hierzu lässt sich nach Betrachtung ein ambivalentes Urteil fällen: Einerseits trägt die Internationalität sicherlich ihren Teil dazu bei, dass der Zuschauer tatsächlich zwölf herausragende Performances geboten bekommt, bei denen keinerlei Füllmaterial ausfindig zu machen ist. Andererseits kommt es aber auch zu erheblichen Kommunikationsproblemen, da viele Kinder die deutsche Sprache nicht beherrschen und die Interaktion mit Jury und Moderation nur unter Mithilfe von Dolmetschern ermöglicht wird. Damit wirkt die Sendung an einigen Stellen reichlich steif.

Ebenfalls Luft nach oben gibt es noch hinsichtlich Vielseitigkeit der gebotenen Talente. Zum Großteil beschränken sich die Darbietungen auf die Bereiche Sport, Musik und Tanz, lediglich ein Zauberkünstler weicht hiervon deutlich ab. Gemeinsam mit der Jury stellt er seine Kunststücke vor, womit eine leider einmalige Interaktion zwischen den Beteiligten zustande kommt. Denn hiervon abgesehen wirkt der Ablauf doch sehr statisch und vorhersehbar: Moderation, Einspielfilm, Act, Juryurteil, Verabschiedung, Überleitung zum nächsten Künstler. Sehr zielgerichtet, aber nicht zwingend vorteilhaft, wenn man das Publikum vor den Fernseher an das Format binden möchte. Gewiss, die Talente der Kinder sind äußerst respektabel und ein nicht zu unterschätzender Schauwert, darüber hinaus bietet die Sendung jedoch kaum etwas, um den Rezipienten emotional an sie zu binden.

Die Jury ist insgesamt solide zusammengestellt und bietet mit «The Voice Kids»-Backstage-Reporterin Chantal Janzen eine Dame auf, die offenkundig weiß, mit welchen Phrasen sie in einer Unterhaltungsshow aufwarten muss. Bis auf einige nette Fragen an die Kids hat sie inhaltlich jedoch kaum etwas beizutragen - abgesehen natürlich von dem konsequenten und gewiss auch nicht völlig aus der Luft gegriffenen Hinweis darauf, wie toll die Kiddies ihre Sache doch machen. Felix Neureuther ist ein Gegenpol zu ihr und hält sich mit Jubelarien und Casting-Phrasen bedeckt. Ohnehin merkt man ihm seine überschaubare Show-Erfahrung an, er tut sich noch schwer, neben seinen charismatischen Kollegen stattzufinden. Den Mittelweg zwischen Euphorie, Unterhaltungswert, Respekt vor den jungen Talenten und Substanz findet Henning Wehland, der bereits bei «The Voice Kids» zum Publikumsliebling avancierte.

Eine alles in allem ebenso solide wie unspektakuläre Leistung liefern die Moderatoren Carpendale und Johanna Klum ab, die allerdings über weite Strecken auch vornehmlich als Stichwortgeber für den nächsten Auftritt fungieren. Der Umgang mit den Kindern gelingt zufriedenstellend, die Versuche, schlagfertig und gewitzt rüberzukommen, haben bei Carpendale noch immer einen etwas ausgesetzten Touch - den er allerdings konsequent durchzuziehen scheint, schließlich agierte er bereits bei seinen vorherigen Shows ähnlich.

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Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
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Alles in allem ist «Superkids» ein Casting-Format, das sich vor allem durch sein extrem hohes Tempo und sein internationales Teilnehmerfeld von anderen Genre-Vertretern abhebt. Beides hat Vor- und Nachteile, beides wird solide umgesetzt, ohne dass sich jedoch ein Gesamtkonstrukt ergibt, das als Pflichtkonsum zu deklarieren wäre. Abgesehen von den weit überdurchschnittlichen Darbietungen der Kinder gibt es kaum einen Grund, die Sendung zwingend sehen zu müssen. Das Zusammenspiel zwischen Jury, Moderation und Kids ist dürftig, die Dramaturgie wenig aufregend, optisch und konzeptionell bekommt man lediglich solide Kost geboten. Stellt sich die Frage, was das showhungrige Publikum in den kommenden Wochen lieber sehen möchte: Eine nette Tanz-Show, die quasi 1:1 das Erfolgsrezept von «Let's Dance» adaptiert oder eine nette Kinder-Casting-Show mit starken Talenten und hohem Tempo, bei denen aber kaum eine emotionale Bindung zu den Akteuren aufkommen will.
12.09.2015 01:00 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/80723