Florian Froschmayer: 'Als Regisseur wird man sehr schnell in eine Schublade gesteckt'

«Tatort»-Regisseur Florian Froschmayer zeigt im Quotenmeter.de-Gespräch auf, weshalb so wenige deutsche Filmemacher im Kino und im Fernsehen zugleich tätig sein können. Außerdem klagt er über die Lage des deutschen Genrekinos.

Zur Person

Der 1972 in Zürich geborene Regisseur und Drehbuchautor Florian Froschmayer ist ein filmischer Autodidakt: Ohne eine Filmschule besucht zu haben, verschlug es den ausgebildeten kaufmännischen Angestellten zum Schweizer Fernsehen, wo er als Cutter seine Anfänge in der Branche nahm. 1999 und 2002 brachte er je einen Film ins Kino, seit 2003 ist er gefragter Fernsehkrimi-Macher.
Demnächst läuft Ihre Romantikkomödie «Süßer September» im Fernsehen. Wie sind Sie zu diesem Projekt gestoßen?
Wie die Jungfrau zum Kind. Das ist ein Projekt, bei dem ich angefragt wurde, ob ich es übernehmen möchte – genauer gesagt lief das über meine Agentin, die mich für den Film vorgeschlagen hatte. Mit dem «Tatort» hat «Süßer September» gemeinsam, dass ich ein sehr gutes Verhältnis zum Autor hatte, der große Unterschied aber war, dass das Skript im Grunde genommen schon drehfertig war, als ich hinzugestoßen bin. Nachdem ich unterschrieben hatte, haben wir zusammen nur sehr wenige Detailveränderungen vorgenommen. Das war einfach ein richtig schönes Drehbuch, und auch die Produktion selbst hat richtig Freude gemacht.

Was stand denn neben dem Drehbuch bereits fest, als Sie hinzugestoßen sind – und welche Entscheidungen mussten Sie bis zum Drehbeginn fällen?
Abgesehen vom Drehbuch kamen eigentlich noch sämtliche Entscheidungen auf mich zu. Nur Caroline Peters stand bereits als Hauptdarstellerin fest, die auch schon vor mir in der Entwicklung des Drehbuchs involviert war. Alles weitere musste sehr kurzfristig beschlossen werden. Wir mussten dann innerhalb eines sehr geringen Zeitfensters die komplette Crew und außer Caroline den kompletten Cast zusammenstellen. Dabei ist ein Team zusammengekommen, bei dem ich von wenigen Ausnahmen niemanden vorher kannte, glücklicherweise hat die Chemie aber sofort gestimmt. Auch ein Beispiel, wie ein Team was Du noch nicht kennst, Dich kreativ befruchten kann.

Die Dreharbeiten endeten meinen Informationen nach im Oktober 2014. Wie lange dauerte denn die Postproduktion? Wenn «Süßer September» erst jetzt ins Fernsehen gelangt, muss die ja sehr lange gewesen sein …
Die Postproduktion haben wir am 18. Dezember 2014 abgeschlossen. Das ging alles sehr schnell, weil der Sender den Film noch vor Jahresabschluss fertiggestellt sehen wollten. Daher finde ich es echt erstaunlich, dass er erst jetzt anläuft. Er wurde auch auf dem Emder Filmfest gezeigt, wo die Reaktion sehr, sehr positiv war. Auch im Team sind wir sehr stolz auf das Endergebnis.

Als Regisseur wird man sehr schnell in eine Schublade gesteckt. Interessanterweise auch weniger aus der Sicht der Presse, sondern vor allem aus Sicht der Sender und der Produzenten.
Florian Froschmayer
Ich bezweifle, dass es so geplant ist, aber: Dass «Süßer September» und ihr «Tatort» so kurz hintereinander laufen, ist immerhin eine gute Gelegenheit, um dem Publikum und der Branche vorzuführen, dass Sie sich nicht auf nur ein Genre spezialisieren …
Ja, das ist für mich eine außergewöhnlich schöne Situation. Als Regisseur wird man sehr schnell in eine Schublade gesteckt. Interessanterweise auch weniger aus der Sicht der Presse, sondern vor allem aus Sicht der Sender und der Produzenten. Da besteht oft der Gedanke, dass Regisseure nicht fähig sind, zwei so unterschiedliche Genres zu bedienen. Hinzu kommt in diesem speziellen Fall meiner beiden Filme, dass ich sehr glücklich damit bin, wie sie letztendlich geraten sind. Sowas beteuern zwar viele Regisseure, bei mir bedeutet das aber wirklich etwas, denn ich bin sehr, selbstkritisch.

Das ist spannend, das zu hören. Viele Medienmacher beteuern in Interviews ja, sie hätten all ihre «Kinder» gleich gern. Da Sie da ja anders ticken, können Sie spontan ihre Regiearbeiten nennen, mit denen sie am glücklichsten sind, und wo Sie das Ergebnis am meisten hassen?
Ich bin tatsächlich total in «Süßer September» verliebt. Gerade, weil es die Chance war, eine Komödie zu machen, die genau meinem Humor entspricht. Ich finde es immer sehr sehenswert, wenn aus einer authentischen, dramatischen Situation Witz entsteht, und nicht eine direkte Haudrauf-Komik gefahren wird. Ein Hassprojekt … (überlegt) Ich fürchte, "Hass" ist da das falsche Wort, denn wenn ich Filme mache, gebe ich stets vollen Einsatz. Da weckt "Hass" falsche Implikationen, das klingt so, als hätte ich mit Widerwillen meine Zeit auf dem Regiestuhl verbracht. Was aber sehr wohl vorkommt, ist, dass ich am Ende vor dem Film sitze und denke: "Mist, jetzt haben wir alle so gekämpft und Trotzdem wäre da noch so viel Potential drin gewesen." Es gibt sehr viele Faktoren, weshalb dieses Potential eventuell nicht ausgeschöpft wurde. Sei es, dass es zu Komplikationen durch Ort- oder Wettereinflüsse kam oder irgendwelche Konstellationen sich nicht so ausspielten wie erhofft. Das sind dann Filme, bei denen ich aufgrund der verschenkten Möglichkeiten unglücklich bin, aber natürlich versuche in zukünftigen Filmen die passierten Dinge zu vermeiden.

Wenn man erst einmal in einer Fernsehnische feststeckt, kommt man auch schwer wieder in die Schublade namens Kino.
Florian Froschmayer
Ich möchte gerne einen Aspekt, den Sie eben angesprochen haben, noch etwas genauer beleuchten: Sie sprachen davon, dass die Produzenten einen schnell in Schubladen stecken. Wenn das im Fernsehen so ist, wundere ich mich, dass Sie dennoch zuletzt so TV-lastig gearbeitet haben, obwohl sie auch über Kinoerfahrung verfügen. Gehören Sie zu denjenigen Branchenvertretern, die das Kino abgeschrieben haben, oder woher rührt diese Abkehr von der großen Leinwand?
Auch das liegt wieder am Schubladendenken. Es ist nicht nur so, dass man innerhalb der Fernsehbranche in eine Schublade gesteckt wird. Sei es die Schublade "Krimi", "Romantik", "Comedy" oder "Familienunterhaltung": Wenn man erst einmal in einer Fernsehnische feststeckt, kommt man auch schwer wieder in die Schublade namens Kino. Bei mir war es so, dass ich mit dem Kino angefangen habe. Und dies in einem jungen Alter. Ich habe meine zwei Filme damals selber produziert, einen allein und einen als Koproduzent. In dieser Zeit fehlte mir einfach das Netzwerk, weil ich nicht von einer Filmschule kam. Daher habe ich mich dann dem Fernsehen zugewendet. Ich erachtete es als meine Chance, das Handwerk intensiver zu erlernen. Ich bin Autodidakt und hatte großen Spaß, Serien zu drehen, weil ich da handwerkliche Dinge ausprobieren durfte und so wahnsinnig viel gelernt habe. Nach Jahren des Seriendrehens fiel es mir jedoch extrem schwer, aus diesem Segment wieder herauszukommen, bzw. auch mal was Anderes machen zu können. Obwohl ich zwei Kinofilme gemacht habe, hat man es mir nach so langer Zeit des Serienmachens nicht mehr zugetraut, ein Projekt mit voller Spielfilmlänge zu stemmen …

So engstirnig geht es bei den Produzenten zu?
Ich denke, dass hat sicher auch mit einem gewissen Sicherheitsdenken zu tun. Man arbeitet sicher lieber mit Leuten, die sowas schon mal gemacht haben. Du brauchst halt als Regisseur einfach auch Leute die Dich sehen und Dir was zutrauen. Ich hatte auch immer wieder dass Glück, dass ich gesehen wurde. Beispielsweise von Kerstin Ramcke und Danela Pietrek, die mir eines Tages einen «Tatort» zugetraut haben. Damit wurde mir die Tür geöffnet, im Bereich der Neunzigminüter tätig zu sein. Aber somit wurde ich prompt auf den Krimibereich reserviert. Das habe ich zwar gern gemacht und möchte jetzt auch nicht zu negativ klingen, aber trotzdem hatte das seine Auswirkungen. Nach acht Jahren Serien im Krimigenre wurde es unfassbar schwierig, etwas anderes zu drehen. Das unterstreicht vielleicht noch einmal, weshalb mir «Süßer September» so am Herzen liegt, oder auch «Es kommt noch besser» mit Andrea Sawatzki, der tonal weit ab vieler meiner Krimi Arbeiten liegt. Als nächstes würde ich auch sehr gerne wieder zum Kino zurück. Aber mit so viel Fernsehen auf dem Buckel kommen keine Filmproduzenten aus eigenen Stücken vorbei. Daher wird meine Rückkehr zum Kino aus eigener Initiative erfolgen.

Blieb es bislang nur beim bloßen Vorhaben, etwas tun zu wollen?
Nein, es gibt schon sehr konkrete Ideen. Ich bin an einem Projekt dran, das nächstes Jahr hoffentlich gedreht wird, wenn sich alles so fügt, wie ich es mir erhoffe. Es soll ein deutscher Thriller werden, was das Unterfangen doppelt erschwert, denn vor dem einheimischen Genrekino haben viele Angst. Meine Partner und ich nicht, und deswegen müssen wir das selber in die Hand nehmen. Wir sehen da großes Potential.

Dank der Entwicklung der vergangenen Monaten haben Sie womöglich Glück, dass sich die Meinungen noch ändern. Beim Deutschen Filmpreis war das Genre mit «Stereo», «Who Am I – Kein System ist sicher» und im Grunde genommen ja auch «Victoria» so schlecht ja nicht vertreten …
Ja, ich hoffe sehr, dass das die ersten Anzeichen einer Trendwende sind. Mich würde es sehr freuen. Selbst wenn ich meinen Beruf mal hinten anstelle. Denn auch bloß als Zuschauer gesprochen: Mir fehlt der deutsche Thriller! Ich kann mich da einem häufig geäußerten Argument nicht anschließen, das besagt, dass der Thriller im Kino nicht funktioniert, weil im Fernsehen die Krimis dominieren. Ich finde nicht, dass da ein Zusammenhang besteht; wer so etwas behauptet, tut beiden Genres Unrecht. Ein guter Kinothriller hat nichts mit einem guten Fernsehkrimi gemeinsam. Ich denke, dass sich da schon allein die Zielgruppen extrem unterscheiden.

Unser Ursprungsgedanke war es, sich von sämtlichen Fernsehkonzessionen zu befreien. Wir wollen einmal völlig frei in der Entscheidung sein, wie wir etwas erzählen und wie hart wir es erzählen.
Florian Froschmayer darüber, weshalb er mit einem Schreibpartner einen harten Kinothriller realisieren möchte
Der Regisseur von «Stereo» gab in Interviews zu Protokoll, dass er zwei große Hürden bei der Finanzierung zu nehmen hatte. Zunächst das von Ihnen soeben genannte Argument, Kinothriller seien angesichts der Dominanz von Fernsehkrimis ein unfruchtbares Genre. Darüber hinaus meinte er aber, dass das größte Problem war, die Geldgeber davon zu überzeugen, einen Film mit einer FSK ab 16 Jahren zu realisieren. Die beteiligten Fernsehsender hätten ihm lange im Weg gestanden, weil sie sich weigern wollten, einen Film zu unterstützen, den sie unmöglich zur Hauptsendezeit zeigen können. Spielt der Punkt «Jugendschutz und Fernsehen» bei Ihrem Projekt ebenfalls eine Rolle?
Ja, auf jeden Fall! Wir versuchen es aufgrund exakt der von Ihnen erwähnten Mechanismen ohne die Beteiligung eines Fernsehsenders zu verwirklichen. Ich habe das Filmkonzept zusammen mit einem Autor entwickelt, und unser Ursprungsgedanke war es, sich von sämtlichen Fernsehkonzessionen zu befreien. Wir wollen einmal völlig frei in der Entscheidung sein, wie wir etwas erzählen und wie hart wir es erzählen. Das mag nun wie eine Wertigkeit klingen, ist von mir aber ehrlich nicht so gemeint. Wenn ich einen Film für das Fernsehen mache, weiß ich ganz genau, worauf ich mich einlasse, und es ist dann eine künstlerisch sehr reizvolle Herausforderung, den idealen Weg zu finden, wie ich eine Geschichte für dieses Medium und sein Publikum transportiere und ehrlich und wahrhaftig erzählen kann. Das war gerade bei «Ihr werdet gerichtet» ein großes Thema. Ich finde, das hat seinen Wert, es ist meines Erachtens nach kein Korsett. Trotzdem habe ich das Bedürfnis, auch mal wieder eine andere Form der Erzählung zu wählen. Das ist mir im Fernsehen aber nicht möglich, im Kino dagegen schon. Und in Deutschland haben wir leider das Finanzierungsproblem, dass viele Filmemacher auch im Kinobereich von den Geldern der Fernsehsender abhängig sind, die aber das aus ihrer Sicht berechtigte Argument bringen: „Den Film können wir so aber gar nicht zeigen oder erst nach 22 Uhr, beziehungsweise bei einem Film ab 18 Jahren gar erst nach 23 Uhr.“ Kurzum: Unser Kinofilm muss ohne Fernsehunterstützung realisiert werden.

Zur Not können Sie ja auf Kinotour gehen, wie «Gefällt mir», der ebenfalls auf Fernsehgelder verzichtete und sich angesichts der niedrigen Finanzlage kaum Kopien hätte leisten können. Stattdessen zogen die Hauptdarsteller und der Regisseur durchs Land, und so weit ich weiß, waren alle Beteiligten mit dem Endergebnis zufrieden.
Das ist eine Option. Wir hoffen im Moment aber erst einmal, dass wir einen guten Film auf die Beine stellen, der, wenn er fertig ist, vielleicht einen großen Verleiher begeistern kann. Einen, der nicht vom Fernsehen abhängt und weiß: Es ist in Deutschland ja durchaus möglich, mit einem packenden und unterhaltsamen Film Aufmerksamkeit zu erlangen und so Besucher anzusprechen. Letztes Jahr hat zum Beispiel «Who Am I – Kein System ist sicher» vorgemacht, dass ein deutscher Thriller zufriedenstellende Zahlen erreichen kann. Zudem gibt es ja noch immer die Blu-ray-Auswertung sowie die Video-on-Demand-Auswertung, wo man ohne Fernsehunterstützung Einnahmen erzielen kann.

Und mit etwas Glück springt eine berühmte Schauspielerin oder ein berühmter Schauspieler auf das Projekt an – das lockt auch weitere Zuschauer an ..?
Das ist ein guter Punkt. Ich glaube, damit könnte man eine abendfüllende Diskussion bestreiten. Wir haben zwar viele sehr gute und beliebte Schauspielerinnen und Schauspieler, aber die Frage ist, was deren Namen in Verbindung mit dem Genrekino wert sind. Es ist ein Phänomen, dass selbst ein Til Schweiger bei Komödien super funktioniert, während «Schutzengel», der ein geiler Film ist, nicht die Zahlen erreichen konnte. Ich hoffe darum sehr auf einen großen Erfolg Til-Schweiger-«Tatorts» im Kino. Das würde uns sicher Türen für Genre Filme weiter öffnen.

Auf der anderen Seite gibt es dann Fälle wie Elyas M'Barek, der bei «Who Am I – Kein System ist sicher» garantiert geholfen hat, die Besucherzahl anzukurbeln.
Ja, das stimmt. Das sehe ich auch so.

Das ist schon eine Aufgabe, mit einem deutschen Genrefilm zu einer Marke werden, wenn nicht jemand wie M'Barek mitspielt.
Florian Froschmayer über die Lage des deutschen Genrefilms
Stellt sich die Frage, was M'Barek gemacht hat, was Schweiger nicht gemacht hat ...
Nein. Die Filme waren extrem unterschiedlich. Ich glaube einfach, dass «Who Am I» ein besonders gutes Marketing hatte, was die Zielgruppe des Genres genau getroffen hat. Dazu kam, dass vier, bis fünf große Namen da drin waren. Vielleicht liege ich da auch falsch, aber ich kann mir auch vorstellen, dass der Film bei diesen Trailern und dem coolen Plakat auch ohne M'Barek, Tom Schilling und die Anderen zumindest ein ähnliches Einspiel generiert hätte. Vielleicht wäre es etwas schwieriger gewesen, bei der Presse Aufmerksamkeit zu erlangen. Das ist schon eine Aufgabe, mit einem deutschen Genrefilm zu einer Marke werden, wenn nicht jemand wie M'Barek mitspielt.

Vielen Dank für das angeregte Gespräch!
Den ersten Teil dieses Gesprächs finden Sie hier!
«Süßer September» ist am 25. September 2015 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen. Florian Froschmayers «Tatort: Ihr werdet gerichtet» eröffnet bereits am 6. September ab 20.15 Uhr die neue «Tatort»-Saison.
04.09.2015 13:40 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/80552