Micky Beisenherz: 'Humor ist die ehrlichste Form der Inklusion.'

Im Interview mit Quotenmeter.de spricht der Autor und Moderator über seine neue WDR-Sendung, den problematischen Umgang der Gesellschaft mit ernsten Themen und seine weiteren Formate.

Darum geht's bei «Das Lachen der Anderen»

Die Comedy-Dokumentation «Das Lachen der Anderen» ist Teil einer WDR-Programmoffensive zum 50. Geburtstag der Anstalt. Darin befassen sich Micky Beisenherz und Comedian Oliver Polak pro Folge mit einer speziellen Bevölkerungsgruppe oder Minderheit. Über den Lauf einer Folge verbringen die beiden viel Zeit mit den Personen einer Minderheit und lernen diese gut kennen, um am Ende der Episode ein selbstkreiertes, bissiges Stand-Up-Programm über diese Personen vorzutragen, das der Gruppe schonungslos den Spiegel vorhalten soll. Die ersten zwei Folgen beschäftigen sich mit "Ökos" und Multiple-Sklerose-Patienten.
Herr Beisenherz, «Das Lachen der Anderen» ist Teil einer Programmoffensive des WDR. Ende August starten knapp 15 neue Formate innerhalb weniger Tage beim WDR. Warum wird «Das Lachen der Anderen» zwischen all den neuen Sendungen trotzdem nicht untergehen und was hat es den anderen voraus?
Weil es etwas ist, was ich in der Form noch nicht gesehen habe. Diese Kombination aus Reportage und teilweise sehr hartem Stand-Up sucht man sonst im Fernsehen vergebens. Das Programm hat definitiv mehr Traute als die anderen 14 Sachen, die frisch präsentiert werden, ohne auch nur ein anderes Format gesehen zu haben – und alles andere auch.

Ihre Sendung hat den Beititel „Comedy im Grenzbereich“. Wie kontrovers wird es denn und können Sie unseren Lesern kurz erläutern, warum es Comedy-technisch in einen Grenzbereich geht?
Den Beititel haben wir uns nicht ausgedacht, aber nichtsdestotrotz stehen wir natürlich voll dahinter (lacht). Es ist eine Art Hybrid: In weiten Teilen ist es ja in erster Linie eine Reportage und Dokumentation, erst am Ende mutiert sie zu einer vollwertigen Comedy-Show. Uns beide begleitet man auf dem Weg, wie wir einen Stand-Up erarbeiten. Das bedeutet in diesem Fall, dass wir Menschen begleiten und sie kennenlernen – Randgruppen, Minderheiten und Menschen mit alternativen Lebensentwürfen. Gerade weil wir uns so intensiv mit ihnen befassen, können wir am Ende ein Stand-Up über sie schreiben und performen, der mitunter sehr hart, teilweise verletzend ist. Zumindest nach dem Dafürhalten des ein oder anderen Zuschauers.

Man muss einfach mal versuchen sich mit Moslems, Juden, Behinderten, Schwulen oder Aids-Kranken humoristisch zu befassen. Wenn man diese Begriffe nennt, machen die Leute sofort dicht. Und keiner hat auch nur das geringste Interesse daran, sich mit dem Thema in irgendeiner Weise zu befassen.
Micky Beisenherz über den Umgang der Gesellschaft mit politisch aufgeladenen Themen
Eine Episode befasst sich mit Multiple Sklerose-Patienten. Da wird der ein oder andere wahrscheinlich schon beim Begriff „Multiple Sklerose“ aufschrecken. Letzten Endes ist es eine Sendung, die sehr gut in unsere Zeit passt, weil es derzeit gewisse Schlagworte gibt, bei denen bei manchen Menschen automatisch die Scheuklappen runtergehen und ein humoristischer Umgang mit dem Thema überhaupt nicht mehr möglich ist. Man muss einfach mal versuchen sich mit Moslems, Juden, Behinderten, Schwulen oder Aids-Kranken humoristisch zu befassen. Wenn man diese Begriffe nennt, machen die Leute sofort dicht. Und keiner hat auch nur das geringste Interesse daran, sich mit dem Thema in irgendeiner Weise zu befassen. Von daher ist unsere Sendung mit Sicherheit die wichtigste von allen, weil sie zeigt, dass es doch möglich ist, solche Themen feinfühlig, aber comedy-bezogen auch hart zu behandeln.

Auf dem Weg dorthin war es wirklich sehr interessant zu sehen, dass die Angesprochenen, in diesem Falle die Ökos, aber auch die Multiple Sklerose-Patienten, sehr wohl willens waren, dass ihr Thema, beziehungsweise ihr Lebensentwurf oder ihre Krankheit, mit einem Augenzwinkern behandelt wird. Meines Erachtens ist das die ehrlichste Form der Inklusion, dass man sich mit Humor der Sache annähert. Humor bedeutet ja in erster Linie zunächst Zuneigung. Dass man sich mit einem Thema wirklich intensiv befasst, sich mit den Stärken und Schwächen der Menschen auseinandersetzt. Das machen viele Menschen teilweise gar nicht. Die hören einen Begriff und sagen gleich: „Das macht man nicht!“, „Das gehört sich nicht!“ oder einfach ein stumpfes „Nicht witzig!“. Das sind mittlerweile wahrscheinlich die meistbenutzten Aussagen im kompletten Internet, weil viele Leute sich überhaupt keine Mühe machen, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen.

Rechnen Sie also mit Protest in den Medien oder sozialen Netzwerken?
Ich hoffe das! Ich erwarte nichts anderes, als dass der ein oder andere erst einmal reflexartig reagiert und sagt, dass sich das nicht gehört. Und wie so häufig werden es Leute sein, die noch nicht eine Sekunde von der Sendung gesehen haben.

Also werden die Reaktionen der Betroffenen selbst noch die offensten und differenziertesten sein?
Man wird natürlich den ein oder anderen dabei haben, der sagt, dass man trotz allem nicht mit diesen Personen so über sie
Als Angesprochener willst du spüren, dass du es mit Leuten zu tun hast, die sich wirklich ernsthaft für dich interessieren und sie wissen, wo deine Probleme liegen.
Micky Beisenherz über die Begegnungen mit Minderheiten und Randgruppen
reden kann. Die blenden aus, dass die Betroffenen über das Stand-Up gelacht haben. Die haben sich gefreut und Spaß gehabt. Denn eine Sache war ganz wichtig: Wir haben uns mit ihnen auseinandergesetzt, wir haben sie verstanden, wir wissen, wie sie leben und wir haben uns ernsthaft für sie interessiert. Darum geht es letzten Endes. Als Angesprochener willst du spüren, dass du es mit Leuten zu tun hast, die sich wirklich ernsthaft für dich interessieren und die wissen, wo deine Probleme liegen. Das haben wir den Leuten, die uns später sicher für unsere Sendung kritisieren werden, voraus. Aber niemand kann uns absprechen, dass wir uns wirklich ernsthaft mit ihnen befasst haben.

Zur Person: Micky Beisenherz

Micky Beisenherz wurde am 28. Juni 1977 in Recklinghausen geboren. Seinen Fuß in die Tür der Unterhaltungsindustrie setzte Beisenherz ab Mitte der 00er Jahre bei Radio NRW, wo er als Redakteur und Moderator bis 2010 tätig war. Von dort an machte sich Beisenherz einen Namen als Autor und schrieb unter anderem für Comedians wie Atze Schröder oder Dieter Nuhr. Weitere Autorenjobs im Fernsehen erhielt er beispielsweise bei der «heute-show» und «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!», für die er auch heute noch arbeitet. Der Freiberufler verdiente im Fernsehen zudem seine Sporen durch verschiedene Moderatoren-Jobs oder als Reporter für ZDFneos «German Angst». Mittlerweile darf er einen Axel-Springer-Preis, mehrere Comedy-Preise und den Grimme-Preis sein Eigen nennen.
Ihr Kollege Oliver Polak, der neben Ihnen im Format auftritt, ist als Comedian für seinen kontroversen Humor bekannt. Auch Sie verstehen es selbigen zu schreiben und haben schon viele Witze verschiedenster Comedians verantwortet. Hat es Sie gerade bei dem grenzwertigen Humor, den Sie an den Tag legen, große Überwindung gekostet, ihr Programm am Ende der Folge durchzuziehen?
Nein, überhaupt nicht. Zum Einen, weil Oli ja derjenige ist, der es performt, auch wenn ich es ebenfalls zu verantworten habe. Der härtere Humor bereitet ihm natürlich keine Schwierigkeiten und das Ausdenken sowie Vortragen von härteren Gags, auch im Beisein der Personen, kann er sowieso und das war in dem Fall ja auch Teil der Reportage. Wir sitzen im Gespräch mit jemandem und machen dann auch mal einen härteren Witz, weil es aber auch zur Situation passt. Und weil diese Person, die dort sitzt, den Humor hat zu sagen, dass sie das auch lustig findet.

Man darf nicht vergessen, auch wenn es etwas abgedroschen klingt, dass dir gegenüber nicht ein Patient, sondern ein Mensch sitzt. Das Gespräch, das wir dort geführt haben, entspricht dann eher der klassischen Gesprächstatmosphäre und eben nicht der typischen Reportage mit der Betroffenheitsvisage, die auch zum Teil in den dritten Programmen läuft. Das war uns ganz wichtig. Dass wir anlässlich eines harten Themas zu Menschen gehen, die teilweise ein schwieriges Los haben und trotzdem mit ihnen umgehen, als wäre es beispielsweise die Verkäuferin von der Bäckerei um die Ecke. Das sind ja normale Leute und sie haben auch das Recht, dass man mit ihnen redet wie mit normalen Leuten. Gerne werden ja manche
Das Gespräch, das wir dort geführt haben, entspricht dann eher der klassischen Gesprächstatmosphäre und eben nicht der typischen Reportage mit der Betroffenheitsvisage, die auch zum Teil in den dritten Programmen läuft. Das war uns ganz wichtig.
Micky Beisenherz über die spezielle Machart von «Das Lachen der Anderen»
Menschen, speziell solche mit Behinderung, von anderen Menschen in Schutzhaft genommen, obwohl sie das gar nicht wollen. Aus dieser Ecke haben wir sie bewusst rausgeholt und ganz offensichtlich auch deren persönliche Schwächen hervorgehoben, weil es eben dazugehört. Das sind nicht ‚die Kranken‘, die da vor einem sitzen, sondern Leute mit einer Krankheit. Das ist schon ein massiver Unterschied. Der eine ist rothaarig, der eine ist dick, der nächste nur 1,50 Meter groß und der andere sitzt im Rollstuhl – das ist zwar eine Auffälligkeit, aber auch nur ein Teil seiner Persönlichkeit. Warum soll man die Leute nicht behandeln wie alle anderen auch? Das sollte speziell bei Humor nicht enden.

Sie scheinen eine Vorliebe für das Extreme zu hegen. Nicht nur in Sachen Humor. Für ZDFneo begaben Sie sich in «German Angst» unter anderem auf die Suche nach dem richtigen Umgang mit Gewalt, Überwachung und Überfremdung und kamen auch dort mit Menschen Kontakt, die Extreme erlebten. Was reizt Sie so an diesen Themen?
Ich will gar nicht sagen, dass ich mich für Extreme interessiere, sondern ich interessiere mich einfach für Leute. Wie sagt meine Oma so schön: „Unter jedem Dach ist auch ein ‚Ach‘.“ Egal, wo du hingehst, gibt es interessante Geschichten. Da musst du gar kein Extrem suchen, das Extrem liegt ja in jedem von uns. Du musst dich nur mit den Leuten unterhalten, dann kommst du schon dahinter. Es war gar nicht unser Ansatz, besonders hart oder krass zu sein. Aber es war schon interessant zu sehen, wie weit man den Humor teilweise ausloten kann. Für uns war es ja auch kein Problem. Wir sind nicht losgezogen und haben gesagt, dass wir besonders hart und hässlich sein wollen, sondern es ist eher die Umwelt die auf uns reagiert und uns zum Teil sagt, dass man das nicht machen kann. So ein Quatsch! Natürlich kann man das machen. Es macht sogar noch Spaß. Wir alle hatten Spaß dabei.

Sie und Oliver Polak verbindet eine langjährige Freundschaft. War «Das Lachen der Anderen» daher für Sie in gewisser Weise ein Herzensprojekt und denken Sie, ihre Freundschaft hat sich in einer Art positiv auf das Format ausgewirkt?
Ja, würde ich schon sagen. Unsere Freundschaft hat sich positiv auf das Format ausgewirkt und das Format hat sich positiv auf unsere Freundschaft ausgewirkt, da wir natürlich viel Zeit miteinander verbracht haben. Oli hat abseits dessen, was er häufig auf der Bühne macht, eine Seite von sich gezeigt, die den Zuschauern mit Sicherheit sehr gefallen wird. Das Einfühlsame und Sensible steht ihm sehr gut, finde ich, weil er aufgrund seiner persönlichen Krankheit und Leidensgeschichte Fragen gestellt hat, auf die ich so schnell, als jemand, der tendenziell auf der Sonnenseite steht, nicht gekommen wäre.

Sie haben es ja vorhin schon angedeutet. Es gibt noch ganz viele Gruppen, denen sich das Format widmen könnte. Zunächst sind aber nur zwei Episoden geplant. Wie viel Zukunft hat «Das Lachen der Anderen» denn im WDR? Ist es überhaupt Ihr Ziel, damit weiterzumachen?
Meines Erachtens hat das Format mit Sicherheit eine Zukunft. So viel wie ich gehört habe, ist man WDR-intern auch sehr angetan davon. Abgesehen davon steht so eine Sendung dem WDR sehr gut.
Micky Beisenherz über die Zukunft des Formats
Meines Erachtens hat das Format mit Sicherheit eine Zukunft. So viel wie ich gehört habe, ist man WDR-intern auch sehr angetan davon. Abgesehen davon steht so eine Sendung dem WDR sehr gut. Außerdem gibt es tatsächlich noch so viele Randgruppen und Minderheiten. Wir müssen zusehen, dass wir nicht zu sehr in eine Ecke denken. Es geht ja nicht darum, möglichst viele Menschen mit einem Krankheitsbild zu besuchen, wenngleich es da natürlich auch noch das ein oder andere interessante gibt. Aber denken wir zum Beispiel an Adlige, Profifußballer, Polizisten, Kleingärtner, Kleinwüchsige, keine Ahnung. Schlecker-Verkäuferinnen wären mit Sicherheit auch mal ein Thema gewesen, oder Spielhallen-Besucher. Da gibt es noch so viele Peer-Groups und Nischen. Auch Stand-Up-Comedians. Besuch‘ doch mal drei Tage lang verschiedene Stand-Up-Comedians. Ich glaube, da wird sich ein Elend offenbaren, woraus sich dann wahrscheinlich die ultimative Betroffenheitsreportage ergibt (lacht).

Wobei natürlich Ökos nicht das klassische Krankheitsbild sind…
Nein, nein. Ich habe die beiden Episoden natürlich die ganze Zeit, während wir gesprochen haben, in einen Topf geworfen. Sagen wir es mal so: Der Öko hat eine Krankheit, die er sich selbst ausgesucht hat (lacht).

Sie haben gesagt, «Das Lachen der Anderen» steht dem WDR gut zu Gesicht. Denken Sie der WDR ist mit dieser Flut an neuen Formaten auf dem richtigen Weg, sich zu verjüngen? Die größer angelegte Ensemble-Comedy «Die unglaublichen Ereignisse im Leben von…» erhielt ja in ihrer ersten Staffel nicht besonders viel Zuspruch.
Ich weiß nicht, wie die einzelnen Formate ‚en detail‘ aussehen, aber generell ist es ja erst mal eine sehr gute Sache, wenn ein Sender sagt, dass er jetzt mal etwas ausprobieren und andere Formate an den Start bringen muss. Das ist erst einmal positiv zu sehen. Was «Die unglaublichen Ereignisse im Leben von…» angeht, kann ich nur auf die «heute-show» verweisen. Die war am Anfang auch alles andere als ein Erfolg. Man muss manchen Dingen einfach auch ein bisschen Zeit geben.

Als Autor für diverse Sendungen sind sie vorwiegend hinter der Kamera anzutreffen. In den vergangenen Jahren zog Sie es, wie nun auch in «Das Lachen der Anderen» oder generell als Moderator, des Öfteren auch vor die Kamera. Wie viel Zeit bleibt noch für ihre Autorentätigkeiten bei «heute-show» und Co.? Welche Formate haben für Sie künftig Priorität? Sie sollen ja bald auch an einem neuen ProSieben-Format mitwirken…
Sagen wir es mal so: Ich behalte mir meinen Werkzeugkoffer so zusammen, dass für alles, was ich interessant finde, noch ausreichend Zeit bleibt. Das wird immer noch 50:50 sein, würd ich sagen. Es soll einfach immer interessant sein, das ist das Wichtigste.

Sie sind auch Teil des Autorenteams von «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!», auch zuletzt von der gerade beendeten Sommer-Show «Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein!». Letztere hat ja in den Medien einiges an Kritik einstecken müssen. Was ist denn ihr Fazit zum gerade abgelaufenen ersten Versuch? Sollte man künftig daran festhalten?
Also ich bin ja jeden zweiten Tag am Rhein entlang gejoggt und das Wetter war so schön. Für mich war es eine tolle Zeit.

Und inhaltlich? Haben Sie sich auch mit den Pressestimmen auseinandergesetzt?
Nichts von dem, was in den letzten Tagen passiert ist, hat mich auch nur in geringster Weise überrascht. Vielleicht nur das Endergebnis, das die Person angeht, die wieder in den Dschungel geht. Das hat mich überrascht. Alles andere hat mich, zumindest was die Pressereaktionen angeht, nicht im Geringsten überrascht. Gar nicht.

Also lässt man sich davon nicht beirren und nächstes Jahr kann man genauso weitermachen? Oder wird es eine Ausnahme bleiben?
Es gibt ja auch Olympische Winterspiele in Peking. Von daher: Nichts ist ausgeschlossen.

Vielen Dank für das Gespräch!


«Das Lachen der Anderen» läuft am 24. und 31. August jeweils montags ab 22.45 Uhr im WDR.
23.08.2015 12:12 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/80175