Eier aus Alu

Unser Kolumnist lädt zu einem Vergleich zwischen Jan Böhmermann und John Oliver ein. Beide sind die Speerspitze der jungen Satire-Stars ihres jeweiligen Landes. Doch sie trennt ein großer Unterschied.

Das deutsche Fernsehen schielt gerne ins Ausland. Das ist auch keine Schande, schließlich entstehen anderswo bekanntermaßen ganz hervorragende Formate. Es ist kein Geheimnis, dass für die «heute-show» die amerikanische «Daily Show» Pate gestanden hat, dass es ohne David Letterman keine «Harald Schmidt Show» gegeben hätte und dass «Stromberg», hust, nicht ganz frei von «The Office»-Einflüssen war.

Herumkritteln darf man schon eher, wenn zwischen dem ausländischen Original und der deutschen Adaption/dem deutschen Pendant/dem deutschen Was-auch-immer ein nennenswerter qualitativer Unterschied besteht: Insbesondere, wenn es einer zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist.

Bei der Bildundtonfabrik scheint man jedenfalls öfter mal HBO zu gucken. Dieser Eindruck entsteht zumindest bei „Eier aus Stahl“, einer Rubrik aus Böhmermanns «NeoMagazin Royale». Denn die weist einige schwer zu übersehende Parallelen zu John Olivers «Last Week Tonight» auf.

Doch da ist er, der gravierende qualitative Unterschied zwischen ausländischem Original und deutschem Pendant – und damit letztlich auch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Denn während Böhmermann ein bisschen süffisant die YouTube-Stars angeht und auf vielleicht nicht ganz selbstlose Motive der Band-Aid-30-Macher hinweist, hat John Oliver ganz andere Themen, die er in seiner Sendung satirisch aufbereitet.

Wesentlich relevantere. Den schäbigen Umgang der US-Einwanderungsbehörde mit ausländischen Übersetzern, die amerikanischen Soldaten regelmäßig den Arsch gerettet haben und in ihren Heimatländern in Todesgefahr sind. Verfehlungen im amerikanischen Justizbetrieb und in der Verwaltung der amerikanischen Überseeterritorien. Die Todesstrafe ist ebenso Thema wie das katastrophale Marktversagen in der Hühneraufzucht, die peinlichen (!) Zwischenfälle beim Umgang mit den amerikanischen Nuklearwaffen ebenso wie der Irrsinn der schottischen Unabhängigkeit.

Wo sich John Oliver mit hoch diffizilen politischen Problemstellungen auseinandersetzt und sie mit ebenso messerscharfem Verstand wie beißender Satire auseinandernimmt, macht sich Böhmermann allenfalls Bibi’s Beauty Palace zum Feind. Nur braucht man dafür keine Eier aus Stahl. Da tun’s welche aus Aluminium.

Doch im Battle um „Was ist besser? Original oder Kopie/Adaption/inspirierter Nachbau?“ hat Oliver gegen Böhmermann noch einen weiteren Trumpf in der Hand. Denn er macht mit seinem Format nicht nur treffende (und herrlich komische) Satire, sondern gleichzeitig erstklassigen Journalismus. Seine Beiträge sind exzellent recherchiert, sie zeugen vom großen inhaltlichen Sachverstand seiner Redaktion – und lassen die Grenze zwischen Satire und Journalismus, zwischen Information und Unterhaltung in perfekter «Daily-Show»-Tradition vermischen.

Wenn Böhmermann das auch mal in seinem «NeoMagazin Royale» gelingt: Dann hat er wirklich Eier aus Stahl.
07.08.2015 15:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/79982